Wirtschaft

bioPEtex: Mit biobasiertem Polyethylen zur Textilwende

Ziel dieses Projekts der Forschungsinitiative BIOTEXFUTURE am Textilinstitut ITA der RWTH Aachen ist die Entwicklung sortenreiner Bekleidung aus biobasiertem Polyethylen. Spinngefärbt, elastisch, recyclingfähig sowie kostengünstig, energiesparend und umweltschonend. Das bioPEtex-Team ist gemeinsam mit Industriepartnern auf einem vielversprechenden Weg, PE als biobasiertes und kreislauffähiges Material für die Textilwirtschaft der Zukunft zu etablieren.

05.06.2025

bioPEtex: Mit biobasiertem Polyethylen zur Textilwende

Antrieb durch Marktveränderungen

Auf dem milliardenschweren Fasermarkt dominieren Polyester (PES) auf fossiler Basis mit einem Anteil von 57 Prozent den Bekleidungssektor. Der breiten Öffentlichkeit ist Polyester auch unter dem Namen PET (Polyethylenterephthalat) bekannt, als dem gleichen Material, das auch für die Herstellung von Plastikflaschen verwendet wird. Doch PET hat einen entscheidenden Nachteil auf dem Weg zu einer biobasierten Textilwirtschaft: Im Gegensatz zu Polyethylen (PE) kann kein 100 Prozent biobasiertes PET in industriellem Maßstab hergestellt werden. Denn PET besteht immer aus den Monomeren „Ethylenglycol“ und „Terephthalsäure“, wobei Terephthalsäure bisher nicht biobasiert hergestellt werden kann, sodass BioPET immer eine Kunststoff-Verbindung mit einem nicht-biologischen Anteil hat und damit als „teil-biobasiert“ gilt – zumindest Stand heute. Im Gegensatz dazu besteht PE nur aus einem Monomer, nämlich Ethen, das man nach dem heutigen Stand der Technik sogar schon komplett biologisch ersetzen kann.

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Bio-PE kann beispielsweise aus nachwachsenden Rohstoffen wie fermentierten Stärken oder Zuckern gewonnen werden, das die gleichen Eigenschaften aufweist wie fossil basiertes PE. Bislang wird es vor allem für die Verpackungsherstellung von Kunststoffbeuteln zum Transport von Obst und Gemüse, Kunststofftragetaschen und Abfallsammelbeuteln eingesetzt, aber noch nicht in der Bekleidungsproduktion, obwohl es auch hierfür zahlreiche Vorteile bietet:

Es ist billiger als andere Biopolymere, die bislang für die Faserherstellung verwendet werden und kann bei niedrigeren Temperaturen verarbeitet werden, was wiederum Energie spart. Dieses Einsparpotenzial kann sogar noch erhöht werden, wenn die Färbung von Bio-PE bereits im Spinnprozess erfolgt, anstatt später als textile Fläche. Im Spinnfärbeprozess werden grundsätzlich rund 50 Prozent weniger Energie und Wasser als bei herkömmlichen Färbeverfahren verbraucht und dabei 60 Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen. Weiteres Einsparpotenzial entsteht in Bezug auf den geringeren Farbstoffeinsatz und die damit verbundenen reduzierten Umweltbelastungen. Bio-PE ist zudem leicht recyclebar, da es von den existierenden Abfallsortier-Technologien insbesondere als Monomaterial gut erkannt werden kann.

Auch über Ökobilanzen, also aus systematischen Analysen der potenziellen Umweltwirkungen und der Energiebilanz von Produkten während des gesamten Lebensweges, wird ersichtlich, dass PE den ökologischen Fußabdruck der Textilindustrie erheblich verringern könnte, wobei spinngefärbtes Bio-PE diesen Rückgang noch verstärkt. Darüber hinaus sind PE-Textilien infrarot-transparent, das heißt, sie lassen Körperwärme nach außen abstrahlen und bieten so eine passive Kühlung des Körpers. Hinzu kommt, dass PE praktisch keine Feuchtigkeit aufnimmt, sodass Schweiß direkt auf der Haut mit seiner Kühlwirkung verdunsten kann bzw. schnell nach außen abgegeben wird.

Trotz dieser zahlreichen, entscheidenden Vorteile wird Bio-PE bislang noch nicht für die Bekleidungsherstellung verwendet. Vorläufige Forschungen am ITA zeigen, dass es zu spinngefärbten Textilfasern und gestrickten Maschen mit einer vielversprechenden Gewebsstruktur verarbeitet werden kann. Ein Ansatz, der es verdient, gezielt weiterverfolgt zu werden. Und genau dieser Aufgabe hat sich das bioPEtex-Projekt verschrieben.

Zielsetzung des bioPEtex-Projekts

Ziel des Projektes ist die Herstellung eines spinngefärbten T-Shirts mit elastischer Ausrüstung aus biobasierten Rohstoffen innerhalb von nur 19 Monaten. Diese Zeitbegrenzung ist sehr herausfordernd, daher müssen viele Forschungsschleifen teilweise gleichzeitig laufen. Die einzelnen Forschungsschritte umfassen die Herstellung von Polymerverbindungen aus Bio-PE und biobasierten Additiven. Ein farbiges Masterbatch für die Spinnfärbung wird aus biobasierten Verbindungen entwickelt, um so eine nachhaltige Färbealternative zu ermöglichen. Ein Masterbatch ist ein Farbgranulat mit einem Gehalt an Farbmitteln oder Additiven, die höher sind als in der Endanwendung. Sie werden dem Kunststoff (Rohpolymer) zum Einfärben oder zur Veränderung der Eigenschaften beigemischt.

Im Rahmen von bioPEtex werden stricktaugliche, texturierte Garne durch Schmelzspinnen und Falschdraht-Texturierung hergestellt. Das Falschdraht-Texturier-Verfahren dient dabei dazu, elastische und voluminöse Garne zu erzeugen. Zum Abschluss wird als Anschauungsobjekt (Demonstrator) für das Projekt ein T-Shirt mit einer elastischen Ausrüstung auf Biobasis produziert. Dabei ist geplant, dass sämtliche zur Herstellung benötigten Materialien aus demselben biologischen Rohstoff bestehen und das T-Shirt damit thermomechanisch recyclebar wäre. Thermomechanisches Recycling ist die gängige Recyclingmethode für Synthetik-Textilien aus Polyester, Polyamid oder Polypropylen, wobei die Kunststoff-Polymere so eingeschmolzen werden, dass die einzelnen Ketten intakt bleiben. Anschließend können aus der so gewonnenen Masse – meist unter Zugabe von neuem Material – wiederum Fasern gesponnen werden.

Vorgehensweise bei der Material- und Prozessentwicklung

Zunächst wurde kommerziell erhältliches PE in fossiler und biobasierter Form beschafft, verändert und so aufbereitet, dass die Forschenden es zum Schmelzspinnen und für alle nachgeschalteten Prozesse nutzen können. Hierbei wird zum späteren Abgleich zunächst ein fossiles Referenzmaterial, technisch als Compound bezeichnet, hergestellt und im nächsten Schritt ein weiteres aus Bio-PE. Aus beiden Compounds entwickeln die Wissenschaftler im Schmelzspinnverfahren PE-Garne. Hierbei wird Polymer-Granulat durch Erhitzen verflüssigt und durch Spinndüsen ausgesponnen. Dieser Spinnprozess wird iterativ angepasst, also laufend weiterentwickelt und optimiert, bis man mit dem Endergebnis zufrieden ist.

Im nächsten Schritt wird das so gesponnene Garn einem spezifischen Texturierverfahren, nämlich dem sogenannten „Falschdraht-Texturierverfahren“ unterzogen, um es zur Weiterverarbeitung elastisch und bauschig aufzubereiten. Mit dem so texturierten Garn wird auf der Strickmaschine ein T-Shirt als Demonstrationsobjekt hergestellt und mit einer biobasierten Ausrüstung versehen, um die erforderlichen Eigenschaften zu erfüllen. Bei Bedarf gilt es auch hier, das Texturierverfahren zur Garnherstellung anzupassen und die Prozesse zu verfeinern. „Im Herstellungsprozess denken wir direkt das spätere Textil-Recycling in einem ‚Design-for-Recycling‘-Ansatz bei der Materialauswahl mit“, so einer der Forscher.

Aktueller Stand der Forschungsarbeiten

Das Forschungsteam ist auf einem erfolgreichen Weg und kann bereits konkrete Ergebnisse vorweisen. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass PE bislang noch gar nicht für die Textilherstellung genutzt wurde. Dabei liegt Bio-PE bereits heute in großen Mengen sehr preiswert vor. Es wird aus Ernteabfällen des Zuckerrohr-Anbaus gewonnen. Und auch der Recyclingprozess von Bio-PE läuft im großen Stil – aber bislang eben nicht im Textilsegment. Das heißt, die Chancen stehen nicht schlecht, Bio-PE für eine nachhaltige Textilindustrie massentauglich zu machen.
Mit der Firma TECNARO ist ein Kooperationspartner von BIOTEXFUTURE mit im Boot, der biobasiertes PE-Granulat zur Verfügung gestellt hat, das bioPEtex-Team auf Anlagen des ITA in Aachen zunächst im Labormaßstab texturieren konnte. Inzwischen ist man dabei, dieses Verfahren für eine Herstellung im Industriemaßstab zu modifizieren, um aus dem Garn ein Gestrick zu erstellen, das konfektioniert und je nach den Anforderungen der späteren textilen Anwendungsbereiche ausgerüstet werden kann.

Bio-PE weist aktuell eine geringere Festigkeit und auch Dehnfähigkeit als Polyester auf und dürfte sich daher in erster Linie für dünnere Stoffe eignen, wie sie zum Beispiel im Bereich von T-Shirts oder Funktionswäsche eingesetzt werden. Wegen der geringen Feuchtigkeitsaufnahme, der guten Wärmeabstrahlung und dem trockenen Tragegefühl auf der Haut kommen Textilien für Ausdauersportarten ebenfalls in Betracht. Denkbar sind auch spezifische Teile eines Bekleidungsstücks, wo die oben genannten Eigenschaften ebenfalls wichtig sind und keine extremen mechanischen Belastungen auftreten. Ein Bereich könnten daher auch Futterstoffe sein. Eine elastische Ausrüstung ist möglich, damit beschäftigt sich momentan der Socken- und Sportwäsche-Spezialist FALKE, ein weiterer industrieller Kooperationspartner des Forschungsprojekts. Bislang sind die PE-Garne noch weiß, doch aktuell arbeiten die Forschende an schwarz gefärbten Alternativen im Spinnfärbeprozess.

Bis zum Abschluss des Projekts Ende 2025 sind die Wissenschaftlerinnen sicher, Demonstratoren in Form von Bio-PE-T-Shirts vorlegen zu können. Und zwar sowohl eine weiße als auch eine spinngefärbte – voraussichtlich schwarze – Version, die jeweils 100 Prozent biobasiert und elastisch sein werden. Ein besonderer Clou dabei: Bio-PE ist zertifiziert kohlendioxid-negativ. Das heißt, bei der Produktion von 1 Kilogramm Bio-PE werden 2,1 Kilogramm Kohlendioxid gebunden. Dass Bio-PE nicht biologisch abbaubar ist, sehen die Forschenden dabei nicht als Nachteil, denn es erscheint sinnvoller, das Bio-PE in einem dauerhaften textilen Kreislauf zu halten, als ein Bekleidungsstück das Ende seines Lebenszyklus über einen langen Zeitraum zu kompostieren.

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Forschungsprojekts ist es möglich, dass der Projektpartner TECNARO die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse im Bereich der Granulate und Masterbatches für den industriellen Einsatz weiterentwickeln und an Filament-Hersteller liefern kann, die dann die Bio-PE-Garne und -Stoffe herstellen. Projektpartner BB hat das Potenzial, um die Technologie für die notwendige Modifikation der Maschinen und Prozesse beizusteuern. Das weitere Partnerunternehmen FALKE könnte die im Zusammenhang mit den Textildemonstratoren gewonnenen Ergebnisse dieser Grundlagenforschung in weiteren Entwicklungsschritten in wenigen Jahren als reale Konsumprodukte in den Markt bringen.

HOFFMANN + VOSS, ein weiterer Partner des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten BIOTEXFUTURE-Projekts bioPEtex, plant in einem Folgeprojekt die Recyclingfähigkeit der Monomaterial-Textilien zu validieren. Das ITA wird nach Abschluss des Förderprogramms BIOTEXFUTURE die bioPEtex-Projektergebnisse in die weitere wissenschaftliche Forschung einfließen lassen. Der Weg ist bereitet und Bekleidung aus Bio-PE könnte somit zukünftig Einzug in unsere Kleiderschränke erhalten.

Quelle: UD/pm
 

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