Wirtschaft

Wie ESG-Manager endlich profitabel werden

ESG-Manager verbringen 65 Prozent ihrer Arbeitszeit mit dem manuellen Sammeln und Aufbereiten von Daten. Diese erschreckende Zahl aus einer aktuellen Analyse von Dr. Bien zeigt: Die Nachhaltigkeitsabteilungen deutscher Unternehmen sind Kostenstellen statt Werttreiber. Doch künstliche Intelligenz verspricht eine Revolution, die nicht nur Effizienz bringt, sondern ESG-Management erstmals zu einem messbaren Return on Investment verhilft.

29.10.2025

Wie ESG-Manager endlich profitabel werden

Die Rechnung ist simpel und schmerzhaft zugleich: Wenn ein ESG-Manager mit einem Jahresgehalt von 80.000 Euro zwei Drittel seiner Zeit damit verbringt, Informationen aus PDF-Dokumenten zu kopieren, Excel-Tabellen zu pflegen und Berichte zu formatieren, verschwendet das Unternehmen jährlich über 50.000 Euro reiner Arbeitskosten für administrative Tätigkeiten. Hinzu kommen die Opportunitätskosten, denn in dieser Zeit fehlt die strategische Arbeit, die tatsächlich Wert schafft.

Die Präsentation von Dr. Colin Bien auf dem Essener Nachhaltigkeitskongress legt den Finger in eine Wunde, die viele Unternehmen zwar spüren, aber ungern thematisieren: ESG-Management ist in seiner heutigen Form betriebswirtschaftlich kaum zu rechtfertigen. Die Analyse zeigt eine drastische Fehlallokation von Ressourcen. Nur 15 Prozent der Arbeitszeit fließen in Strategie, Management und Steuerung, weitere 10 Prozent in operative und technische Umsetzung sowie nochmals 10 Prozent in Koordination, Kommunikation und Schulungen. Der Rest verschwindet im bürokratischen Sumpf der Datensammlung.

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Diese Verteilung steht in krassem Widerspruch zu dem, was ESG-Management eigentlich leisten sollte. Nachhaltigkeit ist längst kein reines Compliance-Thema mehr. Sie beeinflusst Kreditkonditionen, Investorenentscheidungen, Kundenbeziehungen und die Attraktivität als Arbeitgeber. Sie kann Risiken minimieren, Innovationen antreiben und neue Geschäftsfelder erschließen. Doch all diese Potenziale bleiben ungenutzt, solange hochqualifizierte Fachkräfte als überbezahlte Dateneingabe-Kräfte arbeiten.

Die wirtschaftliche Dimension wird noch deutlicher, wenn man die Gesamtkosten betrachtet. Ein mittelständisches Unternehmen mit drei ESG-Managern investiert nicht nur rund 240.000 Euro an direkten Personalkosten, sondern bindet auch Kapazitäten in den Fachbereichen, die Daten zuliefern müssen. Die Finanzabteilung erstellt Sonderauswertungen, der Einkauf recherchiert Lieferanteninformationen, die Produktion dokumentiert Energieverbräuche. Schnell summieren sich die versteckten Kosten auf das Doppelte der offiziellen ESG-Budgets.

Dem gegenüber steht bislang ein schwer messbarer Nutzen. Zwar erfüllen Unternehmen ihre Berichtspflichten und vermeiden potenzielle Strafen, doch die positive Wertschöpfung bleibt nebulös. Hier setzt die von Dr. Bien skizzierte Transformation an: Künstliche Intelligenz verspricht nicht nur Effizienzgewinne, sondern eine fundamentale Neudefinition der Rolle von ESG-Managern.

Die technologischen Lösungen sind konkret und bereits verfügbar. KI-gestützte Datenextraktion kann Informationen aus Dokumenten und Systemen automatisch erfassen und strukturieren. Was heute Stunden manueller Arbeit erfordert, erledigt die Software in Minuten. Automatische Report- und Dashboarderstellung eliminiert den wiederkehrenden Aufwand für Standardberichte. Noch interessanter sind KI-basierte Assistenten, die als Sparringspartner für strategische Fragen und Szenarioanalysen dienen können. Workflows und KI-Agenten, die im Hintergrund über Plattformen wie Make, n8n oder PowerAutomate laufen, übernehmen Routineaufgaben vollständig.

Der Return on Investment dieser Automatisierung ist beeindruckend. Wenn sich die Zeit für Datensammlung und Reporting von 65 auf 15 Prozent reduzieren lässt, werden pro ESG-Manager rund 40.000 Euro an Arbeitszeit frei. Diese Kapazität kann in wertschöpfende Tätigkeiten fließen: die Entwicklung einer ESG-Strategie, die tatsächlich mit der Geschäftsstrategie verzahnt ist, die Identifikation von Nachhaltigkeitsinnovationen, die neue Umsatzpotenziale erschließen, oder die Kommunikation mit Stakeholdern, die das Unternehmensimage stärkt.

Ein konkretes Beispiel: Ein ESG-Manager, der nicht mehr wochenlang Daten zusammenträgt, kann stattdessen analysieren, wie sich Investitionen in Energieeffizienz rechnen, welche nachhaltigen Produkte Kunden tatsächlich nachfragen oder wie sich Lieferkettenrisiken durch Diversifikation minimieren lassen. Solche strategischen Erkenntnisse können Millionenwerte bewegen und machen ESG-Management vom Kostenfaktor zum Profitcenter.

Die Transformation erfordert allerdings Investitionen. Softwarelizenzen, Implementierungskosten und Schulungen summieren sich schnell auf fünf- bis sechsstellige Beträge. Doch selbst eine anfängliche Investition von 200.000 Euro amortisiert sich bei realistischer Rechnung innerhalb von zwei Jahren, wenn man sowohl die direkten Effizienzgewinne als auch die neu geschaffene Wertschöpfung berücksichtigt.

Entscheidend ist die Perspektive: Unternehmen müssen aufhören, ESG-Management als notwendiges Übel zu betrachten, dessen Kosten es zu minimieren gilt. Stattdessen sollten sie es als Investition verstehen, die einen Return erwirtschaften muss. Die Technologie dafür ist vorhanden. Die Frage ist nur, wer sie zuerst nutzt und sich damit einen Wettbewerbsvorteil sichert.

Die von Colin Bien präsentierten Zahlen sind ein Weckruf. Sie zeigen, dass der Status quo unhaltbar ist und dass die Zukunft des ESG-Managements radikal anders aussehen wird. Unternehmen, die jetzt handeln und ihre ESG-Prozesse automatisieren, werden nicht nur Kosten sparen, sondern ESG als echten Werttreiber etablieren können. Diejenigen, die zögern, werden weiterhin teure Ressourcen in manuelle Datenpflege stecken und gleichzeitig die strategischen Chancen der Nachhaltigkeit verpassen.

Quelle: UD/pm
 

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