Wirtschaft

Solarzellen der Zukunft: Prof. Saliba über die Chancen von Perowskiten

Prof. Michael Saliba ist einer der weltweit führenden Perowskit-Wissenschaftler. Diese besondere Materialklasse gilt derzeit als „Rising Star“ unter den Halbleitern. Perowskite sind hocheffizient, kostengünstig, leichtgewichtig, unkompliziert herzustellen und ein vielversprechender Baustein für neue Photovoltaik-Technologien. Warum sie so wertvoll sind, was sie bewirken können und vor welchen Herausforderungen die Perowskit-Forschung steht, erklärt Saliba im Vorfeld der Nature-Konferenz „Advancing Perovskite-Based Photovoltaics“.

05.09.2025

Solarzellen der Zukunft: Prof. Saliba über die Chancen von Perowskiten

Herr Professor Saliba, Sie haben 2014 in Oxford als einer der ersten zu Perowskiten promoviert und halten sie für eine disruptive Innovation. Welche Bedeutung haben Perowskite für die Wissenschaft?

Prof. Michael Saliba: Kein anderes Material hat einen so rasanten Aufstieg genommen wie Perowskit. Erstmals wurden typische Perowskit-Kristallstrukturen 1839 beschrieben – in Form von Mineralienfunden. Die Forschung hat eine Variante der Perowskite aber erst viel später, ab Mitte der 2010er Jahre, für sich entdeckt. Heute wissen wir: Diese Kristalle eignen sich besonders gut als Halbleiter und damit unter anderem als Material für die Entwicklung einer neuen Generation von Solarzellen. Entsprechend beflügeln die Perowskite die Photovoltaik weltweit. Es war übrigens ein Wissenschaftler der Universität Stuttgart — Dieter Weber — der mit seiner Forschung hierfür schon 1978 einen Grundstein gelegt hat.

Welche besonderen Eigenschaften haben Perowskite?

Saliba: Perowskite sind relativ tolerant gegenüber Verunreinigungen und können sehr viel Sonnenlicht absorbieren bei einer geringen Schichtdicke. Vor allem ihre Produktion ist unkompliziert, kostengünstig und energiesparsam.

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Was ist der Vorteil gegenüber der Herstellung herkömmlicher Halbleiter aus Silizium?

Saliba: Für die meisten klassischen Halbleiter braucht man hohe Temperaturen für die Herstellung, die über 1000 Grad Celsius hinausgehen können. Zudem bedarf es häufig auch Reinraum-Bedingungen. Perowskit-Kristalle hingegen lösen sich einfach in speziellen Lösungsmitteln auf. Die so hergestellte Perowskit-Tinte kann man dann wie eine Farbe auf eine Oberfläche aufsprühen, auftragen oder aufdrucken – Methoden, die beispielsweise in der Drucktechnik verwendet werden. Wenn das Lösungsmittel sich verflüchtigt, bleibt eine ultradünne Perowskit-Schicht übrig, die hundertmal dünner ist als ein menschliches Haar.

Sie kombinieren beide Materialien, richtig?

Saliba: Genau. Wir arbeiten mit sogenannten Tandem-Solarzellen. Sie bestehen aus einer Perowskit-Schicht und einer darunterliegenden Schicht aus Silizium. Perowskite verwandeln besonders gut blaues Sonnenlicht, Silizium das Licht im Rot- und Infrarotbereich. So können wir die Eigenschaften von beiden Materialien optimal nutzen und deutlich mehr Energie aus dem Sonnenlicht gewinnen als mit einfachen Silizium-Zellen. Tandem-Solarzellen erreichen inzwischen einen Wirkungsgrad von mehr als 34 Prozent, was den Wirkungsgrad herkömmlicher Siliziumzellen von rund 27 Prozent deutlich übersteigt.

Sie wollen Perowskite aus dem Labor in die industrielle Fertigung bringen. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?

Saliba: Was man sehr leicht natürlich produzieren kann, kann man auch sehr leicht zerstören. Das heißt, eine der größten Herausforderungen ist es, Perowskite langfristig zu stabilisieren. Und daran arbeiten wir mit Hochdruck. Nicht nur mein Team, sondern viele Tausende von Forschungsgruppen weltweit. Hier in Stuttgart suchen wir vor allem nach der optimalen Materialmischung, um Perowskite gegen Umwelteinflüsse zu stabilisieren: Feuchtigkeit, Sauerstoff und ironischerweise auch gegen Licht.

Wieso Licht?

Saliba: Perowskite können tatsächlich sehr lichtempfindlich sein. Das ist nach wie vor ein zentrales Thema, um diesen Typ von Solarzelle marktreif für eine breite Anwendung zu machen. Zu viel Licht kann dazu führen, dass sich das Material verändert und die Solarzelle weniger effizient arbeitet – besonders, wenn es feucht oder heiß ist.

Welche Anwendungsszenarien gibt es über Photovoltaik hinaus?

Saliba: Perowskite kann man in Detektoren für die Medizintechnik einsetzen, also für die Diagnostik. Bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomographie brauchen zum Beispiel spezielle Halbleiterkristalle, die hochenergetisches Licht aufnehmen können. Ein anderes großes Anwendungsfeld sind Beleuchtungen, zum Beispiel als Displays. Im kommenden Jahr schicken wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Raumfahrtsysteme, Prof. Stefanos Fasoulas und Prof. Sabine Klinkner, erstmals unsere Perowskit-Solarzellen ins All, um ihre Eignung für zukünftige Energieanwendungen in Satelliten zu überprüfen. Wir glauben, dass Perowskite besonders resilient sind gegen die harschen Bedingungen, die dort herrschen.

Hat die Wirtschaft Perowskite schon für sich entdeckt?

Saliba: Die Wirtschaft hat ein großes Interesse an Perowskiten. Nicht nur große Unternehmen wie die Merck AG, mit der wir im Austausch sind. Es entstehen gerade auch viele Start-ups, vor allem in den Vereinigten Staaten. In Asien, vor allem in China, entsteht gerade ein wachsender Markt für Perowskite. Und ich bin überzeugt, dass wir auch in Deutschland alle Bedingungen erfüllen, um aus Perowskit-Technologien einen florierenden Wirtschaftszweig zu machen. Eine gute Start-up-Umgebung wie wir sie in Stuttgart haben, kann das sicher unterstützen. Mein Kollege Claudiu Mortan und ich treiben dieses Vorhaben auch mit unserem Start-up „Perosol“, einem Spin-off der Universität Stuttgart, voran.

Was motiviert Sie persönlich?

Saliba: Wir wollen grüne Solarzellen für eine grüne Energie machen, die einen relativ kleinen Kohlenstoffdioxid-Abdruck hinterlässt. Die Uhr tickt. Unser Planet heizt sich immer weiter auf. Dass wir es mit unserer fundamentalen Forschung in der Chemie und Physik vom Labormaßstab auf die Dächer schaffen und damit einen großen Beitrag leisten zur Bekämpfung des Klimawandels: Das ist für mich und das Team sinnstiftend und treibt mich und uns weiter an.

Zu Prof. Michael Saliba

Prof. Michael Saliba leitet seit 2020 das Institut für Photovoltaik (ipv) der Universität Stuttgart und ist zugleich am Forschungszentrum Jülich tätig. Weitere Stationen seiner wissenschaftlichen Karriere waren die Technische Universität Darmstadt, die Universität Fribourg, die École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) und die Universität Oxford. Er wurde unter anderem mit dem Helmholtz High Impact Award, dem Rising Star Award, einem ERC Starting Grant, dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Stuart R. Wenham Young Professional Award ausgezeichnet. Saliba gehört in seinem Fachgebiet zu den meistzitierten Wissenschaftlern weltweit.

Quelle: UD/fo
 

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