Nachhaltigkeit in Kommunen: Vom Managementprojekt zur Finanz- und Steuerungsaufgabe
Nachhaltigkeit galt in deutschen Kommunen lange als weiches Querschnittsthema – ein Projekt für Umwelt- oder Agenda-Büros, flankiert von Strategiepapiere und Bürgerdialogen. Doch seit der Agenda 2030 und den SDGs wandelt sich die Perspektive. Heute ist klar: Nachhaltigkeit ist nicht mehr ein zusätzliches Handlungsfeld, sondern ein Steuerungsprinzip, das Verwaltung, Politik und Finanzwirtschaft gleichermaßen durchdringen muss.
17.10.2025
Marc Groß von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) bringt es im Sachbuch „Zukunft Stadt: Die globale und lokale Bedeutung von SDG 11“ auf den Punkt: „Nachhaltigkeit ist kein Add-on, sondern muss als integraler Bestandteil kommunaler Steuerung verstanden werden“. Das erfordert neue Instrumente – und eine neue Kultur im kommunalen Alltag.
Von der Vision zur Praxis
Beispiel Köln: Die Stadt war eine der ersten, die das Konzept eines „Nachhaltigkeitshaushalts“ testete. Bereits 2018 wurden im Rahmen einer Pilotphase Haushaltspositionen nach ihrem Beitrag zu Nachhaltigkeitszielen bewertet. Ziel war es, nicht nur den Mitteleinsatz, sondern auch die Wirkung im Sinne der SDGs sichtbar zu machen. Eva Stasiowski, Projektleiterin der Stadt, sprach damals von einem Perspektivwechsel „vom Outcome zum Impact“.
Auch Bonn gehört zu den Vorreitern. Hier wurde die Verknüpfung von Finanzhaushalt und Nachhaltigkeitsstrategie systematisch aufgebaut. Haushaltspläne werden daraufhin geprüft, wie stark sie Ziele wie Klimaneutralität, soziale Teilhabe oder internationale Verantwortung unterstützen. Kommunale Investitionen sollen dadurch nicht nur fiskalisch, sondern auch gesellschaftlich renditeträchtig sein.
Nachhaltigkeitshaushalt und Rendite
Das Konzept des Nachhaltigkeitshaushalts verfolgt die Idee, den Haushalt nicht mehr nur nach klassischen Kategorien von Einnahmen und Ausgaben zu strukturieren, sondern nach seinem Beitrag zu Nachhaltigkeitszielen. In Nordrhein-Westfalen haben mehrere Städte – neben Köln und Bonn etwa auch Lüdenscheid, Detmold und der Landkreis Unna – damit erste Erfahrungen gesammelt.
Doch die Pionierarbeit zeigt auch Grenzen. „Häufig bleibt es bei einer Etikettierung von Haushaltspositionen“, räumt Henrik Scheller vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) ein. „Der eigentliche Mehrwert liegt jedoch darin, Finanzentscheidungen so zu steuern, dass sie nachhaltige Ziele auch tatsächlich kassenwirksam machen“.
Deshalb wurde das Konzept der „Nachhaltigkeitsrendite“ entwickelt. Anders als die klassische finanzielle Rendite versucht sie, den gesellschaftlichen Nutzen einer Investition in allen drei Dimensionen – Ökologie, Ökonomie, Soziales – sichtbar und vergleichbar zu machen. Oliver Peters vom Difu erklärt: „Die Nachhaltigkeitsrendite liefert Argumente für eine Priorisierung von Haushaltsaufwendungen. Sie macht transparent, welche Investition das günstigste Verhältnis von Kosten und Nachhaltigkeitsnutzen hat“.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die Praxis zeigt, wie ambitioniert, aber auch wie mühsam dieser Weg ist. In Köln wurden zunächst nur ausgewählte Einzelpläne pilotiert, bevor eine umfassende Umsetzung angestrebt wurde. Bonn hat ähnliche Schritte unternommen. Beide Städte verdeutlichen: Nachhaltigkeit im Haushalt erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Kämmerei, Fachverwaltungen und Nachhaltigkeitsbüros – und einen Kulturwandel, der Silostrukturen aufbricht.
Scheller beschreibt es so: „Nachhaltige Entwicklung kann nur als Gemeinschaftswerk gelingen. Dazu müssen Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen“ .
Fazit: Kommunen als Labore der Transformation
Noch steckt vieles im Aufbau. Doch die Richtung ist klar: Kommunen werden zunehmend zu Laboren, in denen die Agenda 2030 konkret erprobt wird. Nachhaltigkeitshaushalte und Nachhaltigkeitsrendite sind dabei mehr als technische Instrumente. Sie sind Symbole eines neuen Verständnisses von Politik: weg vom kurzfristigen Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben, hin zu einer strategischen Steuerung, die Generationengerechtigkeit, Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt im Blick hat.
Oder wie Marc Groß formuliert: „Nachhaltigkeit ist nicht das Ziel einer Abteilung, sondern das Leitprinzip für die gesamte Kommune“. Köln und Bonn haben damit begonnen – und viele Städte dürften folgen.
Alexandra Hildebrandt · Matthias Krieger · Peter Bachmann
(Hrsg.):
Zukunft Stadt: Die globale und lokale Bedeutung von SDG 11
Wie die sozialökologische Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft gelingen kann. Handlungsempfehlungen – Chancen – Entwicklungen
ISBN 978-3-662-70007-5
Frankfurt 2025