„Klimamanagement als Business Case“
Klimaschutz ohne Mehrkosten? Ein Fraunhofer-Konsortium hat am Beispiel eines international tätigen, familiengeführten Elektrogeräteherstellers aus Deutschland gezeigt, dass sich bis zu 25 Prozent CO2-Emissionen bis 2030 einsparen lassen – und das kostenneutral. Ein Ansatz, der auch für andere Branchen Vorbild sein kann.
24.09.2025
Im Rahmen eines wegweisenden Projekts unterstützte ein Konsortium aus dem Fraunhofer-Verbund Produktion einen international tätigen, familiengeführten Konzern mit Sitz in Deutschland bei der Entwicklung einer zukunftsorientierten Dekarbonisierungsstrategie für die gesamte Wertschöpfungskette. Als Hersteller von Elektrogeräten steht das Unternehmen vor der Herausforderung, seine Emissionen in allen drei Scopes systematisch zu reduzieren. Hierbei handelt es sich um ein komplexes Vorhaben, das durch eine strategisch und ökonomisch fundierte Herangehensweise durch die Fraunhofer-Institute für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und für Schicht- und Oberflächentechnik IST begleitet wurde.
Kern des Projekts war die Entwicklung effektiver und effizienter Dekarbonisierungsstrategien für verschiedene Zukunftsszenarien. Dabei wurden über 50 konkrete Einzelmaßnahmen identifiziert, deren Emissionsvermeidungskosten berechnet und in Vermeidungskostenkurven (Marginal Abatement Cost Curves, MACCs) strukturiert. Diese ermöglichen eine klare Priorisierung nach Kosteneffizienz und Emissionsreduktionspotenzial.
Eine besondere Herausforderung stellte die Beschaffung praxisnaher und belastbarer Daten dar, insbesondere für emissionsintensive Vorprodukte und Prozesse entlang der Lieferkette. Das Fraunhofer-Team konnte diese durch gezielte Befragungen von Herstellern und Unternehmen zusammentragen, ergänzt durch eine umfassende Recherche in Fachveröffentlichungen, Datenbanken und Studien. So wurde sichergestellt, dass die Bewertung der Maßnahmen auf einer realitätsnahen und richtungssicheren Datengrundlage basierte. Zusätzlich wurden Maßnahmen und Daten den jeweiligen Fachexperten des Konzerns präsentiert und gemeinsam validiert. Auf diese Weise entstand eine strukturierte Vorgehensweise, die sich auch auf andere Unternehmen und Branchen übertragen lässt.
Um die Entwicklung robuster Strategien zu ermöglichen, entwickelte Fraunhofer zudem drei Zukunftsszenarien, die unterschiedliche Entwicklungspfade der Rahmenbedingungen kommender Jahre auf Basis von wissenschaftlichen Prognosen abbilden; etwa in Bezug auf CO2-Preise im EU-Emissionshandel, Preisentwicklungen fossiler und erneuerbarer Energieträger sowie potenzielle Angebotsengpässe bei alternativen Materialien und Technologien. Ergänzend wurde die potenzielle Zahlungsbereitschaft der firmeneigenen Kunden für dekarbonisierte Produkte modelliert. Die Szenarien beeinflussen dabei maßgeblich sowohl die Vermeidungskosten als auch die erreichbaren Reduktionspotenziale und ermöglichen so eine differenzierte Bewertung der Dekarbonisierungsoptionen unter verschiedenen Rahmenbedingungen.
Das Ergebnis: Für jedes Szenario konnten maßgeschneiderte Dekarbonisierungsstrategien mit Empfehlungen für Klimaziele je Emissionskategorie, einer Auswahl und Priorisierung von Einzelmaßnahmen, konkreten Gesamtkosten, zeitlicher Einordnung in einer Roadmap und zuständigen Verantwortlichkeiten abgeleitet werden. So verfügt der Konzern über eine belastbare Entscheidungsgrundlage, um auch unter Unsicherheit eine effiziente und wirtschaftlich tragfähige Klimastrategie entlang der Wertschöpfungskette umzusetzen. Besonders spannend: Bis zu 20 Prozent der Zielerreichung kann durch Maßnahmen erreicht werden, welche sogar Kosten reduzieren. Ein „kostenneutraler“ Reduktionsplan (d.h. Kosteneinsparungen und Kostensteigerungen durch Maßnahmen gleichen sich aus) reicht bei günstigen Rahmenbedingungen zu einer Emissionsreduktion von über 25 Prozent, was den ambitionierten Anforderungen der Science Based Targets Initiative (SBTi) entspricht. In absoluten Zahlen könnten so bis 2030 mehr als eine Million t CO2eq pro Jahr kostenneutral eingespart werden.
Das Projekt zeigt, wie Fraunhofer wissenschaftlich fundierte Methoden mit einem tiefen Verständnis industrieller Abläufe und technischer Systemkenntnis verbindet. Die entwickelten Strategien basieren nicht nur auf belastbaren Daten und analytischer Sorgfalt, sondern berücksichtigen auch wirtschaftliche Machbarkeit und betriebliche Realität. So entstehen Ergebnisse, die strategisch anschlussfähig sind und sich auf andere Unternehmen übertragen lassen – ein zentraler Anspruch an angewandte Forschung mit praktischem Nutzen.
Weitere Infos unter nachhaltige-produktion.fraunhofer.de/