Fünf Billionen Dollar Umsatz, aber die Bremser sitzen in Brüssel
Die grüne Wirtschaft erwirtschaftet inzwischen mehr als fünf Billionen Dollar jährlich und wächst schneller als die Weltwirtschaft insgesamt. Doch während Klimatechnologien boomen, zeigen geleakte Dokumente, wie US-Ölkonzerne systematisch europäische Lieferkettengesetze auszuhöhlen versuchten. Der Widerspruch zwischen wirtschaftlichem Potenzial und politischer Blockade offenbart einen Kampf um die Zukunft der Regulierung.
17.12.2025
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der globale Markt für Klimatechnologien und nachhaltige Wirtschaft hat erstmals die Schwelle von fünf Billionen Dollar überschritten. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Boston Consulting Group und des World Economic Forum hervor, der die ökonomische Dimension der grünen Transformation dokumentiert. Damit entwickelt sich die grüne Wirtschaft zu einem der tragenden Pfeiler der Weltwirtschaft und wächst deutlich schneller als traditionelle Sektoren.
Der Bericht zeigt, dass Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz, nachhaltige Mobilität und Kreislaufwirtschaft nicht nur aus klimapolitischen Gründen geboten sind, sondern längst zu einem wirtschaftlichen Motor geworden sind. Allein im Bereich der Solarenergie haben sich die Produktionskapazitäten in den vergangenen Jahren vervielfacht, während die Kosten drastisch gesunken sind. Windkraft, Elektromobilität und grüner Wasserstoff folgen ähnlichen Entwicklungskurven. Was vor einem Jahrzehnt noch als Nischenmarkt galt, ist heute ein Billionengeschäft.
Doch während die Märkte expandieren und Technologieunternehmen weltweit von der Transformation profitieren, tobt hinter den Kulissen ein erbitterter Kampf um die regulatorischen Rahmenbedingungen. Im Zentrum steht die europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD, die Unternehmen zu mehr Verantwortung für Menschenrechte und Umweltschutz in ihren globalen Wertschöpfungsketten verpflichten soll. Geleakte Dokumente, die vom Business & Human Rights Resource Centre ausgewertet wurden, enthüllen eine systematische Lobbykampagne amerikanischer Ölkonzerne gegen das Gesetz.
Die Allianz aus fossilen Energieunternehmen arbeitete demnach gezielt daran, zentrale Bestimmungen der Richtlinie abzuschwächen oder zu verhindern. Die Strategie war vielschichtig: Über Wirtschaftsverbände, Think Tanks und direkte Kontakte zu Entscheidungsträgern wurde Druck auf die europäischen Institutionen ausgeübt. Dabei ging es nicht nur um die CSDDD selbst, sondern um ein grundsätzliches Rollback bei der Nachhaltigkeitsregulierung. Die Ölindustrie befürchtet, dass strenge Lieferkettenpflichten ihre Geschäftsmodelle fundamental in Frage stellen könnten.
Besonders brisant: Die Dokumente zeigen, dass die Lobbyarbeit koordiniert und strategisch geplant war. Verschiedene Konzerne teilten sich offenbar die Aufgaben, um verschiedene Aspekte der Richtlinie anzugreifen. Während einige Unternehmen vor allem die bürokratischen Kosten betonten, argumentierten andere mit angeblichen Wettbewerbsnachteilen gegenüber außereuropäischen Konkurrenten. Ein klassisches Muster der Regulierungsabwehr, das in der Branche seit Jahrzehnten erprobt ist.
Der Kontrast zwischen dem Boom der grünen Wirtschaft und der Blockadehaltung traditioneller Industrien könnte kaum größer sein. Während innovative Unternehmen Milliarden in Klimatechnologien investieren und neue Märkte erschließen, versuchen etablierte Akteure der fossilen Wirtschaft, regulatorische Fortschritte zu verhindern. Diese Divergenz spiegelt einen fundamentalen Wandel in der Wirtschaftslandschaft wider: Die alte Energiewelt kämpft um ihre Pfründe, während die neue bereits Realität geworden ist.
Für Europa stellt sich damit eine strategische Frage. Die Union hat sich vorgenommen, bei der grünen Transformation eine Führungsrolle zu übernehmen. Mit dem Green Deal, dem Fit-for-55-Paket und eben der Lieferkettenrichtlinie wurden ambitionierte Regelwerke geschaffen. Doch die politische Umsetzung stockt an vielen Stellen. Der Widerstand kommt nicht nur von außen, auch innerhalb der EU gibt es Kräfte, die vor zu viel Regulierung warnen und wirtschaftliche Belastungen befürchten.
Die Auswertung der geleakten Dokumente zeigt jedoch, dass diese Warnungen oft nicht von neutralen Beobachtern stammen, sondern Teil gezielter Einflussnahme sind. Die Ölindustrie hat ein unmittelbares Interesse daran, den Status quo zu bewahren. Strengere Umweltauflagen, transparente Lieferketten und verbindliche Klimaziele bedrohen ihr Geschäftsmodell. Entsprechend massiv fällt der Widerstand aus.
Für die Politik bedeutet dies eine Herausforderung: Wie kann sie zwischen legitimen wirtschaftlichen Bedenken und Lobbyismus unterscheiden? Wie lassen sich Regelungen gestalten, die ambitioniert genug sind, um wirklich zu wirken, aber praktikabel genug, um Unternehmen nicht zu überfordern? Die Debatte um die CSDDD zeigt, wie schwierig diese Balance ist. Das Gesetz wurde bereits mehrfach verwässert, bevor es überhaupt in Kraft tritt.
Gleichzeitig zeigt der Erfolg der grünen Wirtschaft, dass Regulierung und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sein müssen. Im Gegenteil: Viele Unternehmen profitieren von klaren Vorgaben, weil sie Planungssicherheit schaffen und Innovationen fördern. Der Markt für Elektroautos etwa ist erst durch politische Zielvorgaben und Förderungen richtig in Schwung gekommen. Heute ist er ein Milliardengeschäft, in dem europäische, amerikanische und chinesische Hersteller konkurrieren.
Die fünf Billionen Dollar, die die grüne Wirtschaft inzwischen umsetzt, sind mehr als eine beeindruckende Zahl. Sie sind ein Beleg dafür, dass die Transformation möglich und profitabel ist. Doch sie zeigen auch, dass der Wandel nicht von selbst kommt. Es braucht politische Weichenstellungen, Investitionen und den Willen, sich gegen mächtige Beharrungskräfte durchzusetzen. Der Kampf um die Lieferkettenrichtlinie ist dabei nur ein Beispiel von vielen. Es ist ein Kampf, der darüber entscheidet, ob Europa die Chancen der grünen Wirtschaft nutzt oder im Abwehrgefecht alter Industrien stecken bleibt.