Elektromobilität im globalen Vergleich: Deutschland zögert, China fährt voran
Die „Antriebswende“ stagniert derzeit in Deutschland. Doch das Trendbarometer Elektromobilität der Management- und Technologieberatung BearingPoint zeigt, dass es auch hierzulande Wachstumspotenziale gibt. China wird seinem Ruf als Vorreiter der Elektromobilität erneut gerecht – und das nicht nur als günstiger Produktionsstandort, sondern zunehmend auch als weltweiter Leitmarkt für batterieelektrische Antriebe.
25.04.2025

Welche Rückschlüsse lassen sich auf das Kauf- und Nutzungsverhalten beim Thema Elektromobilität vor dem Hintergrund herausfordernder ökonomischer Rahmenbedingungen, verschärfter Handelskonflikte und multipler geopolitischer Krisen ziehen? Wie bedingen sich Mentalitätsunterschiede und Markenpräferenzen im zwischenstaatlichen Vergleich? Nachdem die Management- und Technologieberatung BearingPoint in ihrem ersten Trendbarometer Elektromobilität zu Jahresbeginn 2025 bereits Marktgeschehen und Markenpräferenzen in der Bundesrepublik genauer unter die Lupe genommen hatte, wurde die Umfrage nun erstmals auch über Deutschland hinaus in weiteren relevanten Märkten durchgeführt.
Die Vergleichswerte für die Bundesrepublik, Frankreich, die Vereinigten Staaten und China offenbaren markante Unterschiede, aber auch überraschende Gemeinsamkeiten. Das gilt sowohl für die bevorzugten Automarken als auch für die Beweggründe, die für oder gegen Elektromobilität sprechen. In jedem Land zeichnen sich dabei klare Schwerpunkte ab. Zudem unterscheiden sich die Erfahrungen der Menschen mit Elektroautos teils erheblich.
Deutschland bei Umsetzung der Antriebswende mit Nachholbedarf
Mit Blick auf eine konsequente Umsetzung der Antriebswende zögern Fahrzeugkäuferinnen und -käufer in Deutschland aktuell – noch – am meisten. Sogar in den Vereinigten Staaten, wo die Anteile bei den Neuzulassungen im Jahr 2024 noch weit niedriger lagen als in Deutschland (7,6 Prozent batterieelektrische Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten gegenüber 13,5 Prozent in Deutschland), geben wesentlich mehr Befragte an, dass ihr nächstes Auto ein Elektroauto sein wird.
Die erhobenen Daten lassen auf dem deutschen Markt durchaus ein signifikantes Wachstumspotenzial der Elektromobilität erkennen. Der Blick auf die kommenden Jahre verfestigt beim Automotive-Team von BearingPoint die Erwartung, dass sich die Stagnation des vergangenen Jahres in der Folge des Stopps staatlicher Förderungen wieder ins Positive wenden könnte. Treiber dieser Trendwende sind ein verstärkter Preiskampf der Hersteller, günstigere Elektroautomodelle, neue staatliche Anreize und Förderprogramme sowie regulatorische Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene.
Ganz weit vorne im Rennen um eine möglichst weitgehende Antriebswende ist und bleibt der chinesische Markt: China hebt sich nicht nur als bedeutender Produktions- sowie Absatzmarkt hervor, sondern spielt auch eine führende Rolle bei der Praxiserfahrung mit Elektroautos. Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, bereits ein batterieelektrisches Fahrzeug gefahren zu sein – ein Wert, der im internationalen Vergleich etwa doppelt so hoch ist wie in den drei anderen von BearingPoint untersuchten Märkten. In Deutschland liegt dieser Anteil bei lediglich 26 Prozent.
Auch bei der Kaufabsicht zeigt China eine klare Spitzenposition: 73 Prozent der Befragten beabsichtigen, als nächstes Fahrzeug ein Elektroauto zu erwerben. Im Gegensatz dazu herrscht in Deutschland eine spürbar höhere Skepsis. Nur 21 Prozent aller befragten Personen in Deutschland äußerten die Absicht, ihr nächstes Fahrzeug elektrisch zu kaufen. Die Vereinigten Staaten und Frankreich liegen mit ihren Werten zwischen China und Deutschland.
Wie heimische Marken die Kundschaft elektrisieren: Kaufverhalten und die nationalstaatliche Brille
Über die Grenzen der analysierten Länder hinweg geben viele Kundinnen und Kunden eine hohe Akzeptanz für ihre jeweils lokal verankerten Marken an. So bekunden annähernd 80 Prozent der Befragten in China, dass ein Fahrzeug eines chinesischen Herstellers für sie infrage kommt. Klar auf Platz eins liegt dabei BYD mit knapp 50 Prozent Zustimmung. In Deutschland und den Vereinigten Staaten sind es jeweils etwa zwei Drittel der Befragten, die eine lokal verankerte Marke in Betracht ziehen, wobei in Deutschland Elektroautos aus dem Volkswagen-Konzern (einschließlich Audi und Porsche) mit 66 Prozent die Spitzenposition belegen und in den Vereinigten Staaten Tesla mit 44 Prozent. In Frankreich liegt der Anteil der heimischen Marken bei über 50 Prozent und ist damit fast viermal so hoch wie der Anteil der französischen Marken Peugeot, Citroën und Renault in den anderen Märkten.
Manuel Schuler, globaler Leiter Automotive bei BearingPoint, gibt sich trotz des Aufholbedarfs auf dem deutschen Automobilmarkt optimistisch und stellt fest: „Wir sind überzeugt, dass die Antriebswende hin zur Elektromobilität sich weltweit mit großer Mehrheit in den kommenden Jahren durchsetzen wird. Unser erstes Trendbarometer im Ländervergleich zeigt hier nochmals deutlich, wie weit der chinesische Markt bei der Antriebswende vorne liegt. Über viele Länder hinweg zeigen sich starke lokale Markenpräferenzen, die vor allem auf Vertrauen in lokal verankerte Hersteller basieren. Ob diese mittelfristig bestehen bleiben, ist ungewiss. In Deutschland gewinnen chinesische Marken an Bedeutung, während in China Tesla weiterhin hoch im Kurs steht – nicht zuletzt, weil die Marke als Synonym für Elektromobilität gilt. Gleichzeitig deuten erste Entwicklungen darauf hin, dass Teslas Dominanz in einigen Märkten nachlässt, ein Trend, der sich in Deutschland bereits abzeichnet. Autohersteller sollten grundsätzlich beachten: Noch nie war der Markt so dynamisch wie jetzt, und Marken, die heute noch hoch im Kurs stehen, können sich morgen schon im Abwärtstrend befinden.“
