Die Stille Revolution: Warum Nachhaltigkeit trotz weniger Rhetorik boomt
CEOs sprechen weniger über Nachhaltigkeit, handeln aber umso entschiedener. Diese „Do-Say“-Kluft zeigt: Unternehmen setzen auf pragmatische Lösungen statt auf große Worte – mit messbaren Erfolgen.
07.10.2025
Die Schlagzeilen der letzten Monate zeichneten ein düsteres Bild: Nachhaltigkeit sei tot, ESG-Backlash dominiere die Medien, und Regierungen würden ihre grünen Subventionen zurückfahren. Doch die Realität sieht anders aus. Eine neue Studie von Bain & Company zeigt, dass sich hinter der vermeintlichen Abkehr von Nachhaltigkeitsthemen eine bemerkenswerte Entwicklung verbirgt.
Weniger Reden, mehr Handeln
Während Unternehmenslenker tatsächlich seltener über Nachhaltigkeit sprechen, handeln sie entschlossener denn je. Diese Kluft zwischen Rhetorik und Realität nennt die Beratung das „Do-Say“-Phänomen. Die Analyse von über 35.000 Aussagen führender CEOs zwischen 2018 und 2024 offenbart eine fundamentale Verschiebung: Weg von moralischen Appellen, hin zu knallharten Geschäftsargumenten.
Während 2018 noch Compliance und gesellschaftliches Wohl im Vordergrund standen, verknüpfen heutige Führungskräfte Nachhaltigkeit direkt mit Kosten, Kunden und Kapitalanlagen. Ein Wandel, der sich auszahlt: 90 Prozent der Wachstumsführer im B2B-Bereich erwarten positive Geschäftseffekte durch nachhaltige Lösungen in den nächsten drei Jahren.
Zahlen, die überzeugen
Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache. Bereits heute lassen sich 25 Prozent der globalen CO2-Emissionen mit rentablen Maßnahmen reduzieren. Unternehmen machen ihre Klimaziele nicht weniger, sondern ehrgeiziger: Zwischen 2022 und 2025 verschärften Zehn Prozent der Unternehmen ihre Science-Based Targets, nur Vier Prozent schwächten sie ab. Zwei Drittel liegen bei ihren Scope-1- und Scope-2-Zielen im Plan.
Besonders eindrucksvoll zeigt sich der Wandel im Kundenverhalten. Die Hälfte aller B2B-Einkäufer bevorzugt bereits heute nachhaltige Lieferanten – bis 2028 soll dieser Anteil auf fast 70 Prozent steigen. Nachhaltigkeit wird vom fünften auf den zweiten Platz der Einkaufskriterien vorrücken, direkt nach der Qualität.
Konsumenten zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Auch Verbraucher senden trotz wirtschaftlicher Sorgen klare Signale. 97 Prozent der über 14.000 befragten Konsumenten in acht Ländern zeigen sich weiterhin stark umweltbewusst. Bemerkenswert: Die Babyboomer haben in den letzten drei Jahren mehr nachhaltige Gewohnheiten entwickelt als die oft als umweltbewusst geltende Generation Z.
Das Problem liegt nicht bei den Konsumenten, sondern bei den Unternehmen. Amerikanische Verbraucher sind bereit, 13 Prozent Aufpreis für nachhaltige Produkte zu zahlen, doch diese kosten im Schnitt 28 Prozent mehr. Diese Lücke zwischen Bereitschaft und Realität zeigt, wo Innovation ansetzen muss.
Technologie als Katalysator
Künstliche Intelligenz wird zum Gamechanger der Nachhaltigkeit. 80 Prozent der Führungskräfte sehen in KI einen mächtigen Beschleuniger für ihre Umweltziele. Über die Hälfte der Nutzer generativer KI-Tools verwendet diese bereits, um nachhaltiger zu leben. Unternehmen, die als „Gestalter“ vorangehen, nutzen KI dreimal häufiger für Nachhaltigkeitszwecke und erzielen dabei fast doppelt so hohe Werte.
Die Herausforderung bleibt real
Trotz aller Fortschritte bleiben erhebliche Hürden. Etwa die Hälfte der Unternehmen liegt bei ihren Scope-3-Zielen zurück, die die gesamte Lieferkette umfassen. Nur 32 Prozent der Energiemanager erwarten, bis 2050 klimaneutral zu werden – ein Rückgang gegenüber 40 Prozent im Vorjahr.
Die Botschaft ist klar: Nachhaltigkeit ist kein Trend, der vorübergeht, sondern eine Geschäftsrealität, die pragmatische Lösungen erfordert. Unternehmen, die jetzt die richtigen Weichen stellen, sichern sich Wettbewerbsvorteile in einer Welt, in der Nachhaltigkeit nicht mehr nur gut klingt, sondern sich auch rechnet. Die Revolution findet statt – nur leiser als erwartet.