CircWool – Wollabfälle recyceln und kreislauffähig machen
Im Projekt CircWool entwickeln RWTH Aachen, Hochschule Niederrhein und ORTOVOX ein neuartiges Recyclingverfahren für Wollabfälle. Ziel ist eine nachhaltige Proteinfaser ohne Erdölzusätze – und ein Beitrag zur zirkulären Textilwirtschaft der Zukunft.
21.05.2025

Ziel dieses Projekts im Rahmen der Forschungsinitiative „BIOTEXFUTURE“ am Textilinstitut Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen ist die Entwicklung einer Recyclingtechnologie für Wollabfälle zur Wiedereingliederung in den Textilkreislauf. Die Forschenden des Instituts für Textiltechnik sowie des Center Textillogistik der Hochschule Niederrhein und des Sportartikelherstellers Ortovox, der ebenfalls Teil des Projektkonsortiums ist, konzentrieren sich dabei auf ein neuartiges, lösungsmittelbasiertes Recyclingverfahren.
Das Forschungsteam geht davon aus, mit einem solchen nachhaltigen Verfahren die Abfallmengen reduzieren und gleichzeitig Hochleistungsfasern herstellen zu können. Zudem würde dadurch der Wert von Wolle steigen, da aus Abfall ein wertvoller Sekundärrohstoff entstehen kann. Mit dabei ist auf Industrieseite der für seine Merinowollprodukte bekannte Sportartikelhersteller Ortovox. Bislang wird Wolle in nennenswertem Umfang vor allem mechanisch recycelt. Die so erzeugte Recyclingwolle erfüllt derzeit jedoch nicht die Qualitätskriterien für hochwertige Wolltextilien und spielt daher aktuell keine bedeutende Rolle in der Bekleidungsindustrie.
Hintergrund: Die Bedeutung von Wolle
Wolle wärmt die Menschen – und das schon seit der Antike. Sie gehört zu den ältesten Naturfasern zur Herstellung von Kleidung. Bereits vor Tausenden von Jahren erkannten Menschen ihre vielfältigen Vorteile: Neben der Wärmewirkung ist sie schmutzabweisend, geruchsresistent, atmungsaktiv, elastisch sowie knitterarm und bietet auch bei Feuchtigkeit ein angenehmes Tragegefühl. Bis ins 19. Jahrhundert galt Wollkleidung als kostbar und war ausschließlich für wohlhabende Bürgerinnen und Bürger erschwinglich. Erst durch die intensive Schafzucht in Australien und Neuseeland konnten größere Wollmengen produziert werden, sodass Wolle auch für breitere Bevölkerungsschichten zugänglich wurde. Heute wird vor allem die weiche und feine Merinowolle gerne für hochfunktionale Sportbekleidung verwendet.
Die Wollfaser selbst besteht hauptsächlich aus dem Protein Keratin. Umgangssprachlich als Eiweiß bekannt, ist Keratin – abgeleitet vom griechischen Begriff „keras“ für „Horn“ – ein Sammelbegriff für wasserbeständige Faserproteine, aus denen tierische Klauen und Hörner, aber auch Menschenhaare, Tierfell und Federn bestehen. Das in Wolle enthaltene Keratin kann durch Hydrolyse herausgelöst werden, um es beispielsweise in Kosmetika, in der Medizin, in Textilien oder in Nahrungsergänzungsmitteln zu verwenden. Dafür muss die Wolle in eine Lösung aus Schwefelsäure und Wasserstoffperoxid gegeben werden. Aktuell wird daran geforscht, das gelöste Keratin anschließend mithilfe verschiedener Spinnverfahren zu einer „synthetischen Keratinfaser“ zu verspinnen – also einer kunststoffbasierten Faser mit den natürlichen Eigenschaften des Keratins. Derzeit kommen bei der Aufbereitung und Herstellung dieser Wollrecyclingfaser im Elektro- und Nassspinnverfahren jedoch umweltschädliche, erdölbasierte Additive zum Einsatz.
Zielsetzung des Projekts
Im Projekt „CircWool“ werden neue, lösungsmittelbasierte Trenn- und Aufbereitungsverfahren für Wolle entwickelt, um Keratin möglichst effizient und umweltschonend herauszulösen. Ziel ist es, in Zukunft eine Proteinfaser ohne erdölbasierte Zusätze herzustellen. Wollabfälle sollen dabei in leistungsfähige, synthetische Proteinfasern umgewandelt werden, um eine zirkuläre Textilwirtschaft zu fördern. Innerhalb der einjährigen Projektlaufzeit besteht das Hauptziel darin, ein umweltgerechtes, lösungsmittelbasiertes Recyclingverfahren zu entwickeln, durch das Wolle aufgelöst und in hochwertige, synthetische Proteinfasern überführt werden kann.
Darüber hinaus untersucht das Projekt die Grundlagen für die Herstellung einer neuen Faserart. Diese soll künftig entweder aus reinem Keratin oder aus Keratin in Kombination mit Biopolymeren beziehungsweise recycelten Polymeren wie Cellulose, Glucanen, Chitosan oder recyceltem Polyacrylnitril bestehen. Auch die Verwendung regionaler Wollmaterialien zur Herstellung synthetischer Keratinfasern soll getestet werden. Ziel ist es, zu evaluieren, inwiefern auch lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe biobasierte Fasern für die Textilbranche bereitstellen können.
Vorgehensweise
Zur Gewinnung des Keratins kommen derzeit hauptsächlich Verfahren wie Hydrolyse und oxidative Spaltung zum Einsatz. Das daraus resultierende Produkt wird aktuell mit erdölbasierten Polymeren kombiniert, um daraus synthetische Fasern zu erzeugen. Diese Verfahren gelten jedoch als nicht nachhaltig und sind stark von fossilen, nicht erneuerbaren Ressourcen abhängig. Im Gegensatz dazu verfolgt CircWool das Ziel, ein innovatives chemisches Recyclingverfahren zu entwickeln, um Wollabfälle ohne erdölbasierte Zusatzstoffe in synthetische Proteinfasern zu überführen – als Beitrag zu einer zirkulären Textilwirtschaft.
Die existierenden Verfahren zum Wollrecycling weisen mehrere messbare Defizite auf: hohe Kosten, Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Ressourcen sowie negative Umweltauswirkungen – insbesondere ein hoher Ausstoß von Kohlenstoffdioxid und große Abfallmengen.
Das Forschungsteam ist überzeugt: Durch die Konzentration auf ein lösungsmittelbasiertes Recyclingverfahren lässt sich der Wert von Wolle steigern, lassen sich nachhaltige Hochleistungsfasern erzeugen und zugleich Abfallmengen reduzieren. Das Projekt soll zur Verringerung der Umweltbelastungen durch die Textilproduktion beitragen, indem biobasierte und recycelte Materialien bereitgestellt und die Transformation zu einer textilen Kreislaufwirtschaft unterstützt werden.
Struktur des Projekts
Das CircWool-Projekt ist in fünf Arbeitspakete gegliedert:
- Bewertung der Verbraucherakzeptanz und Anforderungen an die neuen Fasern durch soziale Experimente, Workshops und Umfragen in sozialen Medien.
- Sammlung und Kategorisierung von Wollabfällen, einschließlich Analyse der Materialaufbereitung, Sortierung und Homogenisierung der Rohstoffe.
- Durchführung einer Materialflussanalyse zur Bewertung der Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit des Recyclingverfahrens entlang der Wertschöpfungskette.
- Entwicklung eines lösungsmittelbasierten Verfahrens zur Auflösung von Wollfasern, um daraus eine Keratinlösung für neue Fasern zu gewinnen.
- Durchführung einer Parameteranalyse zur Optimierung des Nassspinnverfahrens in Bezug auf Feinheit, Festigkeit und Querschnittseigenschaften der Fasern.
Aktueller Stand
Im ersten Jahr konzentrierte sich das Projekt auf grundlegende Forschungsarbeiten. Erfolgversprechende Ergebnisse wurden insbesondere bei neuen lösungsmittelbasierten Trennverfahren zur Gewinnung von Keratin erzielt. Am Institut für Textiltechnik gelang es zudem, eine Mischfaser mit fünfzig Prozent recyceltem Wollanteil und einem Biopolymer herzustellen. Auch in Bezug auf die Entwicklung einer Proteinfaser sieht sich das Forschungsteam auf einem guten Weg. Weitere Forschungsprojekte sollen darauf aufbauen und zeitnah umgesetzt werden. Das übergeordnete Ziel bleibt: Wolle in einen zirkulären Prozess der Textilwirtschaft zu integrieren – ein Anliegen, das der industrielle Projektpartner Ortovox mit großem Engagement unterstützt.
Das Team des Center Textillogistik an der Hochschule Niederrhein untersucht derzeit die Warenströme von Wollabfällen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass aus Sammelstellen des klassischen Textilrecyclings nur geringe Mengen reiner Wolle anfallen, die zudem meist in Mischgeweben vorliegen. Ein weiterer untersuchter Materialstrom ist die Schurwolle aus regionalen Schäfereien. Die stark verschmutzte Oberwolle verursacht hohe Reinigungskosten und ist wirtschaftlich bislang unattraktiv. Auch die Unterwolle wird bislang primär deponiert oder verbrannt.
Im Rahmen des TransitionLabs analysiert das soziologische Forschungsteam am Institut für Textiltechnik derzeit, wie Verbraucherinnen und Verbraucher recycelte Wollprodukte wahrnehmen und welche Erwartungen sie an diese richten.