Bausektor würde Klimaziel allein sprengen – selbst wenn alle anderen Branchen CO2-neutral wären
Eine aktuelle Studie zeigt: Selbst wenn sämtliche Wirtschaftszweige heute klimaneutral würden, reichen die Emissionen aus dem Bausektor allein aus, um das „1,5-Grad-Ziel“ des Pariser Abkommens bis 2050 zu verfehlen. Die Branche ist für rund ein Drittel der globalen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Wissenschaftler fordern eine Materialrevolution, doch Energieeffizienz-Experten warnen: Selbst klimaneutral errichtete Gebäude verschwenden im Betrieb weiterhin Energie.
24.11.2025
Die in „Nature Communications“ veröffentlichte Untersuchung beziffert die Bauemissionen für 2022 auf 12,2 Gigatonnen Kohlendioxid. Den größten Anteil daran haben Zement, Klinker, Ziegel und Ton mit 40 Prozent, gefolgt von Metallen mit 15 Prozent. Besonders alarmierend: Diese Materialien sind im Laufe der Zeit deutlich Kohlendioxid-intensiver geworden. Ihr kombinierter Anteil an den Bauemissionen stieg seit 1995 von 39 auf 57 Prozent.
Die Studienautoren schlagen einen globalen Umbau vor. Biobasierte, kreislauffähige und wiederverwendete Materialien sollen Beton und Stahl ersetzen. Doch dieser Ansatz greift für Donatas Karčiauskas, Chef des auf KI-basierte Gebäudeoptimierung spezialisierten Unternehmens „Exergio“, zu kurz. Die Umstellung des weltweiten Gebäudebestands auf neue Materialien würde Jahrzehnte dauern und Billionen kosten. Selbst dann würden Gebäude weiterhin 40 Prozent der globalen Energie verschwenden.
Karčiauskas sieht das eigentliche Problem im laufenden Betrieb: Heizungs- und Kühlsysteme arbeiten gegeneinander, Sensoren liefern ungenaue Daten, Räume werden klimatisiert, obwohl niemand mehr da ist. Diese stillen Verluste summieren sich. Sein Unternehmen setzt auf digitale Nachrüstung ohne Gerätetausch. Die KI-Plattform dockt an bestehende Gebäudemanagementsysteme an und justiert Heizung, Kühlung und Lüftung kontinuierlich nach. Durch die Analyse von Echtzeitdaten wie Belegung, Außenwetter und Temperaturschwankungen korrigiert das System Sollwerte automatisch, bevor Verschwendung entsteht. So lassen sich laut Karčiauskas bis zu 30 Prozent des Energieverbrauchs sofort einsparen.
Auch umfassende Renovierungen, oft als klimafreundliche Alternative dargestellt, sieht er kritisch. Der Austausch von Fassaden, Fenstern oder Klimaanlagen erfordert in großem Maßstab genau jene Kohlendioxid-intensiven Materialien, die laut Studie für steigende Emissionen verantwortlich sind. Zwar verbessern solche Maßnahmen langfristig die Effizienz, verursachen aber heute zusätzliche Emissionen.
Besonders dringlich ist die Lage in Asien, das mittlerweile über 70 Prozent der baubedingten Kohlendioxid-Emissionen produziert. China allein emittiert etwa sechs Gigatonnen, Indien gut eine weitere Gigatonne. Nordamerika und Europa bauen weniger, setzen aber weiter auf Beton und Stahl. Afrika und der Nahe Osten expandieren rasant. Die Studie kommt zum Schluss, dass Schwellenländer weniger Material verwenden müssen, während entwickelte Regionen ihre Bestandsgebäude intelligenter betreiben sollten.