Zwischen Krisen und Klimafolgen: Umweltbewusstsein in Deutschland unter Druck
Trotz anhaltender Krisen halten viele Menschen in Deutschland Umwelt- und Klimaschutz weiterhin für wichtig – doch die Zuversicht schwindet. Die neue UBA-Studie zeigt: Während globale Ziele wie das Zwei-Grad-Ziel an Rückhalt verlieren, wächst das Bedürfnis nach lokalen Lösungen und gesundheitlichem Hitzeschutz. Ein ambivalentes Stimmungsbild in Zeiten multipler Herausforderungen.
23.05.2025

Der Schutz von Umwelt und Klima bleibt für viele Menschen in Deutschland wichtig – verliert aber an Priorität. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der neuen Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes (UBA). Angesichts multipler Krisen – von Krieg über Inflation bis zu Engpässen im Gesundheits- und Bildungssystem – rückt das Thema Klima zunehmend in den Hintergrund gesellschaftlicher Wahrnehmung. Die Bereitschaft, Klimaschutzmaßnahmen mitzutragen, bleibt zwar grundsätzlich hoch, wird aber vom wachsenden Eindruck getrübt, dass sich zentrale Klimaziele kaum noch erreichen lassen.
Weniger Zuversicht beim Zwei-Grad-Ziel
Laut der repräsentativen Befragung von über 2.500 Bürgerinnen und Bürgern halten derzeit 54 Prozent den Umwelt- und Klimaschutz für „sehr wichtig“. Das sind weniger als in den Vorjahren: 2022 waren es noch 57 Prozent, 2020 sogar 65 Prozent. Auch das international verankerte Ziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, verliert an Rückhalt. Nur noch 57 Prozent messen diesem Ziel höchste Bedeutung bei – ein Rückgang um fünf Prozentpunkte seit der letzten Erhebung.
UBA-Präsident Dirk Messner warnt vor den Folgen dieser Entwicklung: „Klimaschutz ist auch eine Strategie zur Wohlstandssicherung und zur Erhaltung unserer Lebensqualität. Wenn wir jetzt nicht handeln, hinterlassen wir künftigen Generationen immense Kosten und Risiken.“
Konkret bleibt Umweltschutz relevant
Trotz sinkender Relevanz des Klimaschutzes im Gesamtkontext bleiben konkrete Umweltprobleme für viele Menschen wichtig – teils sogar wichtiger als früher. Der Schutz von Wäldern, Mooren und Ökosystemen, der Kampf gegen Plastikmüll und Artensterben sowie die sichere Lagerung von Atommüll werden heute als besonders dringlich wahrgenommen. Hier zeigt sich eine wachsende Sensibilität für Umweltaspekte mit direktem Bezug zum Alltag.
Klimaanpassung gewinnt an Bedeutung – vor allem aus Gesundheitsgründen
Die Sorgen über die Folgen des Klimawandels nehmen zu – insbesondere im Hinblick auf die eigene Gesundheit. Zwei Drittel der Befragten fühlen sich durch häufigere und intensivere Hitzewellen gesundheitlich belastet. Ein Viertel sieht in seinem Wohnumfeld keinen ausreichenden Hitzeschutz. Insgesamt fordern 85 Prozent, diesen Schutz auszubauen – etwa durch Begrünung, Beschattung oder kühlende Infrastrukturen in Städten.
Dabei sinkt der Glaube daran, dass Deutschland den Klimawandel bewältigen kann. Nur knapp ein Drittel ist noch überzeugt, dass die Klimafolgen erfolgreich gemanagt werden können – der niedrigste Wert seit Beginn der Langzeitstudie im Jahr 2002.
Grüne Lebensqualität vor Ort – globale Umweltlage kritisch bewertet
Erfreulich ist, dass viele Menschen mit der Umweltqualität an ihrem Wohnort zufrieden sind. Mehr als 80 Prozent loben den Zugang zu Grünflächen, die Trinkwasserqualität und die Sauberkeit ihrer Umgebung. Doch der Blick auf die globale Lage ist ernüchternd: Nur sieben Prozent bewerten den Zustand der Umwelt weltweit als gut.
Aus Sicht der Befragten ließe sich die Lebensqualität weiter verbessern, etwa durch sauberere Luft, besseren öffentlichen Nahverkehr und vor allem durch bezahlbaren, klimafreundlichen Wohnraum. Letzteren sehen 87 Prozent als besonders wichtig an.
Wissenschaftliche Risiken im Bewusstsein unterbelichtet
Die Studie weist auch auf eine Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Risikoeinschätzung und öffentlicher Wahrnehmung hin. So werden Gefahren durch den Verlust der Biodiversität und dessen Auswirkungen auf Ernährung und Landwirtschaft von den meisten Befragten unterschätzt. Komplexe Wechselwirkungen wie jene zwischen Artenvielfalt, Klimakrise und Ökosystemleistungen scheinen im Bewusstsein vieler Menschen noch nicht ausreichend verankert zu sein.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen ein ambivalentes Bild: Das Thema Umwelt bleibt relevant, wird aber zunehmend überlagert von anderen gesellschaftlichen Herausforderungen. Gleichzeitig steigt das Bewusstsein für gesundheitliche Klimarisiken – und die Forderung nach konkreter Anpassung vor Ort. Umso dringlicher erscheint es, Klima- und Umweltschutz wieder stärker ins Zentrum politischer und gesellschaftlicher Debatten zu rücken.
