Umwelt

Wozu gibt es die COP?

Zwei Wochen verhandeln, 20 Stunden am Stück durchhalten, am Ende ein Minimalkonsens: Die UN-Klimakonferenzen offenbaren ein grundlegendes Problem. Während reiche Nationen mit großen Delegationen aufwarten, müssen Entwicklungsländer mit Einzelkämpfern antreten. Das Ergebnis sind Kompromisse, die der Klimakrise kaum gerecht werden.

12.11.2025

Wozu gibt es die COP?
COP30 Belém – Runder Tisch der Staats- und Regierungschefs.

Jedes Jahr das gleiche Ritual: Zehntausende Delegierte, Wissenschaftler, Lobbyisten und Journalisten strömen für zwei Wochen zu einer der wichtigsten Veranstaltungen der Weltpolitik. Die UN-Klimakonferenz, kurz COP, vereint seit 1995 alle Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention, um über die Zukunft unseres Planeten zu verhandeln. 197 Länder diskutieren darüber, wie die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzt werden kann. Was nach einem demokratischen Vorzeigeprojekt klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als zutiefst ungleiches Verfahren, das strukturell benachteiligte Staaten systematisch überfordert.

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Die COP gilt als einziges Forum weltweit, in dem sämtliche Nationen gemeinsam über Klimaschutz debattieren. Anders als in der EU oder der G20 haben hier theoretisch alle eine Stimme. Doch die Realität sieht anders aus. Die Konferenz folgt einem straffen Ablauf: In der ersten Woche treffen sich Arbeitsgruppen zu technischen Details, in der zweiten Woche verhandeln Minister und Staatschefs über die Abschlusserklärung. Was in dieser nüchternen Beschreibung fehlt, ist die physische und mentale Belastung, der die Delegierten ausgesetzt sind.

Besonders dramatisch zeigt sich die Ungleichheit zwischen den Nationen in der Größe der Delegationen. Länder wie Deutschland, die USA oder Brasilien entsenden Teams mit dutzenden Fachleuten, die sich während der Verhandlungen abwechseln können. Entwicklungsländer hingegen müssen oft mit einer Handvoll Vertreter auskommen, manchmal sogar mit einem einzigen Verhandlungsführer. Die Folgen sind gravierend: Während wohlhabende Nationen ausgeruhte Experten in die Gespräche schicken können, sind Delegierte aus ärmeren Ländern gezwungen, bis zu 20 Stunden am Stück zu verhandeln.

Kulthoum Omari-Motsumi aus Botswana, die für 54 afrikanische Länder verhandelt, bringt das Problem auf den Punkt: Die Delegierten der Entwicklungsländer müssen sich gleichzeitig um viele Themen kümmern und Entscheidungen unter enormem Zeitdruck treffen. Eine Strategie dagegen ist, die schwierigen Diskussionen möglichst früh zu führen, solange die Konzentration noch hoch ist. Doch das gelingt längst nicht immer. Oft werden die heikelsten Punkte auf das Ende der Konferenz verschoben, wenn alle erschöpft sind. In diesem Zustand stimmen Delegierte manchmal einfach zu, obwohl sie mit den Ergebnissen nicht zufrieden sind.

Die Verhandlungsführer aus kleinen Inselstaaten und Afrika haben Strategien entwickelt, um mit dieser Überlastung umzugehen. Sie brechen Sitzungen ab, wenn sie merken, dass faire Verhandlungen nicht mehr möglich sind. Schließlich darf laut COP-Regeln nichts beschlossen werden, solange nicht alle Parteien vertreten sind. Doch solche Unterbrechungen bleiben die Ausnahme, denn niemand will als Bremser dastehen. Eine andere Taktik ist profaner: Die Delegationen decken sich mit Nüssen ein, um die langen Nächte durchzuhalten. Über diese Nussvorräte wird übrigens nicht verhandelt, sie werden geteilt.

COP30 in Brasilien Roundtable

Ein weiteres strukturelles Problem der COP ist das Konsensprinzip. Alle 197 Vertragsstaaten müssen einem Beschluss zustimmen, sonst scheitert er. Das bedeutet: Ein einziges Land kann hunderte andere als Geiseln nehmen und ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen blockieren. Das ist in der Vergangenheit mehrfach geschehen. Kritiker bemängeln, dass dieses Verfahren zwangsläufig zum kleinsten gemeinsamen Nenner führt, zu Ergebnissen, die weniger ehrgeizig und weniger effektiv sind als nötig.

Doch das Konsensprinzip hat auch Befürworter. Michai Robertson, der für die kleinen Inselstaaten verhandelt, argumentiert, dass ohne diese Regel die mächtigen Staaten Gruppen bilden und Entscheidungen über die Köpfe der Schwächeren hinweg treffen könnten. Das Konsensprinzip gibt der COP eine Legitimität, die kein anderes Klimaforum besitzt. Auch die kleinsten Staaten werden gehört, ihre Positionen müssen ernst genommen werden.

Die Beschlüsse der COP sind grundsätzlich nicht völkerrechtlich verbindlich, es sei denn, das Rahmenabkommen ermächtigt die Konferenz ausdrücklich dazu. Das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 sieht zwar einen umfassenden Rückgriff auf COP-Beschlüsse vor, doch rechtlich bindend sind diese meist nicht. Trotzdem haben sie großen Einfluss auf das Verhalten der Staaten. Die Beschlusspraxis der COP hat sich einer legislativen Funktion angenähert, da die im Konsens angenommenen Texte sofort für alle Parteien wirksam werden, ohne dass sie nachträglich ratifiziert werden müssen.

Das zentrale Ziel des Pariser Abkommens lautet, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, möglichst auf 1,5 Grad. Die Klimaforschung sagt, dass bei einer Erwärmung von 1,5 Grad die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent liegt, dass der Planet in seiner jetzigen Form bewohnbar bleibt. Dieses Ziel ist zwar nicht rechtsverbindlich, doch es beeinflusst die nationalen Klimabeiträge der Staaten. Jedes Land muss größtmögliche Ambitionen zeigen, und jeder neue Klimabeitrag muss besser sein als der vorherige.

Ein Dauerbrenner auf jeder COP ist die Klimafinanzierung. Entwicklungsländer benötigen finanzielle Unterstützung, um ihre Klimaziele umzusetzen und sich an die bereits eingetretenen Folgen der Erderwärmung anzupassen. Die wohlhabenden Nationen hatten versprochen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bereitzustellen. Dieses Ziel wurde in den ersten Jahren verfehlt, erst 2021 könnte die Marke erreicht worden sein. Doch die Diskussionen um Geld gehen weit darüber hinaus. Seit 2022 wird intensiv über einen Fonds für klimabedingte Verluste und Schäden debattiert. Wer zahlt für überflutete Inseln, vertrocknete Ernten, zerstörte Häuser? Diese Frage ist bis heute nicht abschließend geklärt.

COP30 Belém: Aufruf des FRLD zur Einreichung von Finanzierungsanträgen für die Durchführungsmodalitäten von Barbados.
COP30 Belém: Aufruf des FRLD zur Einreichung von Finanzierungsanträgen für die Durchführungsmodalitäten von Barbados.

Die Verhandlungen auf der COP sind emotional aufgeladen. Menschen berichten davon, wie Fluten ihre Häuser unbewohnbar machen, wie Dürren ihre Ernten vernichten. Delegierte von Ländern, die Krieg gegeneinander führen, müssen am Verhandlungstisch zusammensitzen. Die Kunst besteht darin, die eigene Botschaft auf die passende Art zu vermitteln. Manchmal bedeutet das, ein vorbereitetes Skript zu verwerfen und aus dem Herzen zu sprechen. Kulthoum Omari-Motsumi aus Botswana, einem Land, das stark von Dürren betroffen ist, fragt: Warum soll ich einem Skript folgen, wenn ich die Klimakrise täglich erlebe?

Hinter verschlossenen und offenen Türen wird hitzig diskutiert, besonders wenn es um Kernfragen geht. Beim Pariser Abkommen 2015 knallte es gewaltig, weil es um Entscheidungen ging, die wirklich den Kern berührten. Doch meist dominieren erfahrene Diplomaten das Geschehen, die unterschiedlichste Verhandlungsstile mitbringen. Manche sind laut und fordernd, andere ruhig und gelassen. Unter den Verhandlungsführern der kleinen Inselstaaten finden sich großartige Geschichtenerzähler, die mit persönlichen Berichten den Fokus zurück auf die Realität lenken, wenn sich die Diskussion in technischen Details verliert.

Wichtig sind auch die informellen Treffen außerhalb der Verhandlungsräume. Die sogenannte Flurstrategie funktioniert gut: Man trifft sich mit einem Verhandler der Gegenseite, spricht bei einem Kaffee weiter. Manchmal hilft es, wenn man sich gerade nicht wie in einer offiziellen Verhandlung fühlt. Doch all diese Strategien ändern nichts an der grundlegenden Asymmetrie: Während große Delegationen ihre Kräfte einteilen können, kämpfen kleine Teams ums Überleben.

Die COP ist seit drei Jahrzehnten das zentrale Forum für internationale Klimapolitik. Organisationen wie Germanwatch begleiten die Konferenzen seit der ersten Ausgabe 1995 in Berlin. Damals ging es noch darum, konstruktive Unternehmensvertreter zu unterstützen, die sich der Öllobby entgegenstellten. Seitdem hat sich das Aktionsspektrum massiv erweitert, Netzwerke wie das Climate Action Network sind entstanden. Die COP hat Erfolge vorzuweisen, allen voran das Pariser Abkommen. Doch die Kritik wächst, dass das Format nicht mehr zeitgemäß ist, dass die Ergebnisse hinter den wissenschaftlichen Notwendigkeiten zurückbleiben.

Am Ende bleibt die Frage: Ist die COP trotz all ihrer Schwächen das beste Instrument im Kampf gegen die Klimakrise? Michai Robertson meint ja. Bei allem Streit, bei aller Kritik sei die COP vermutlich das beste Format, um die Klimakrise global anzugehen. Die Alternative wäre eine Welt, in der die Mächtigen unter sich bleiben und die Schwachen außen vor. Das Konsensprinzip mag mühsam sein, aber es garantiert, dass jede Stimme zählt. Die Frage ist nur, wie lange sich die am stärksten betroffenen Länder noch mit erschöpfenden Marathonverhandlungen und mageren Ergebnissen zufriedengeben.

Quelle: UD
 

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