Wie kann die Plastikproduktion verbindlich gedrosselt werden?
In Genf laufen derzeit die entscheidenden Gespräche über das erste globale Plastikabkommen. Die zweite Phase der fünften Verhandlungsrunde (INC 5.2) bringt bis zum 14. August Delegierte aus mehr als 170 Ländern zusammen, um eine rechtlich verbindliche Vereinbarung gegen Plastikverschmutzung zu erzielen. Der Vertrag soll den gesamten Lebenszyklus von Plastik regulieren – von der Produktion über das Design bis hin zur Entsorgung.
05.08.2025
Der Druck ist enorm. Ohne ein wirksames Abkommen droht sich die weltweite Plastikproduktion bis 2060 zu verdreifachen. Schon heute verschärfen Mikroplastik und chemische Zusätze Umwelt- und Gesundheitsprobleme. Studien warnen, dass die Folgekosten bis Mitte des Jahrhunderts in die Hunderte Milliarden Dollar pro Jahr steigen könnten. Deshalb gilt Genf für viele als letzter realer Moment, um verbindliche Regeln zu beschließen.
In den Verhandlungen zeigt sich jedoch ein tiefer Riss zwischen den Staaten, die klare Produktionslimits fordern, und jenen, die auf freiwillige Maßnahmen setzen. Eine „High Ambition Coalition“ aus mehr als 100 Ländern – darunter die EU-Mitglieder, Großbritannien, Kanada, Japan und zahlreiche kleine Inselstaaten – drängt auf harte Vorgaben. Ihr Ziel: den Verbrauch von Neuplastik bis 2040 deutlich zu reduzieren und gefährliche Chemikalien zu verbieten. Die USA hingegen lehnen verbindliche Produktionsgrenzen ab und setzen auf Recycling, verbessertes Produktdesign und Abfallwirtschaft. Ähnlich argumentieren öl- und gasexportierende Staaten wie Saudi-Arabien, Russland, Iran, China und Indien. Sie warnen vor wirtschaftlichen Einbußen und wollen den Fokus auf Maßnahmen am Ende der Wertschöpfungskette legen.
Kernstreitpunkt: Produktionsbegrenzung vs. Recycling
• Mehr als 100 Länder – darunter EU-Staaten, Großbritannien, Kanada, Japan und viele kleine Inselstaaten – drängen auf verbindliche Obergrenzen und Ambitionen wie die „40x40“-Initiative (40 % Reduktion bis 2040).
• Die USA lehnen Fabrikationsgrenzen ab und favorisieren stattdessen Recycling, Produktdesign und Abfallwirtschaft – eine Haltung, die mit der Umweltderegulierungspolitik unter Trump korrespondiert.
• Saudi-Arabien, Russland, Iran, China und Indien (zahlreiche erdölexportierende Staaten) lehnen ebenfalls Grenzen ab und bestehen auf freiwilligen und downstream-basierten Maßnahmen
Für viele Entwicklungsländer und kleine Inselstaaten, die besonders unter den ökologischen Folgen der Plastikverschmutzung leiden, steht die finanzielle Unterstützung im Zentrum. Sie verlangen nicht nur ehrgeizige Ziele, sondern auch verlässliche Zusagen zur Finanzierung von Umstellung und Abfallmanagement. Parallel dazu mahnen Umweltorganisationen wie Greenpeace und WWF an, dass Recycling allein nicht ausreicht. Sie fordern eine deutliche Reduktion an der Quelle, verbunden mit klaren Verboten problematischer Materialien und verbindlichen Designvorgaben.
Die Rolle der Wissenschaft gewinnt dabei an Gewicht. Die Scientists’ Coalition for an Effective Plastics Treaty, ein Zusammenschluss von mehr als 300 Forschenden aus rund 50 Ländern, liefert unabhängige Analysen und berät Delegationen. Fachleute wie der britische Meeresbiologe Richard Thompson, der den Begriff „Mikroplastik“ prägte, verweisen auf die Dringlichkeit eines wirksamen Vertrags und warnen vor einem Minimalkompromiss, der lediglich auf freiwilligen Recyclingprogrammen basiert.
Neben inhaltlichen Differenzen belastet auch die Verfahrensfrage die Verhandlungen. Während einige Staaten auf das Konsensprinzip pochen, um Beschlüsse nur im Einvernehmen zu fassen, wollen andere die Möglichkeit zu Mehrheitsentscheidungen schaffen, um Blockaden zu vermeiden. Beobachter sehen darin einen entscheidenden Punkt: Scheitert die Einigung am Verfahren, droht der gesamte Vertrag zu scheitern.
Die kommenden Tage in Genf werden zeigen, ob es gelingt, den Spagat zwischen Umweltambition und geopolitischen Interessen zu schaffen. Klar ist schon jetzt: Ein schwacher Vertrag, der sich vor allem auf Recycling stützt, würde das Problem lediglich vertagen. Ein starkes Abkommen hingegen könnte den Wendepunkt markieren – und zum ersten Mal global verbindliche Leitplanken setzen, um die Plastikflut an ihrer Quelle einzudämmen.