Umwelt

Wie eine Stadt zur Oase für Insekten wird

Insektenvielfalt gibt es nicht nur auf dem Land – auch Städte wie Frankfurt bieten wichtige Lebensräume. Ein einzigartiges Forschungsprojekt zeigt, wie urbane Grünflächen zur Biodiversität beitragen können – und wie Bürger:innen aktiv mitgestalten.

10.06.2025

Wie eine Stadt zur Oase für Insekten wird

Wenn es um Insektenvielfalt geht, denken viele an Wiesen, Felder und Wälder. Doch auch Städte bieten wertvolle Habitate für Pflanzen und Tiere. Ihre Vielfalt ist zentral für Ökosystemleistungen. Da die Insektenvielfalt weiter abnimmt, ist es von großer Bedeutung, gerade auch den städtischen Lebensraum für Insekten noch besser zu nutzen. Das gilt auch für die Stadt Frankfurt am Main mit ihren vielen Parks, Grünanlagen, Grünstreifen, Gärten und Balkonen, wo Insekten eine Vielfalt an geeigneten Habitaten und Futterangeboten vorfinden. Aber wie genau können städtische Grünflächen zur Förderung der Insektendiversität genutzt werden? Und wie können Kommunen die Bürger motivieren und dafür gewinnen, aktiv zum Schutz von Insekten beizutragen?

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Ein Schlüsselfaktor dafür ist eine Verbesserung der Wertschätzung für Insekten. „Der Beitrag, den Insekten für unsere Ökosysteme leisten, hat in der öffentlichen Wahrnehmung lange eine eher untergeordnete Rolle gespielt“, sagt Biodiversitätsforscherin Marion Mehring vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE). „In den letzten Jahren haben wir zwar gesehen, dass das allgemeine Verständnis ökologischer Zusammenhänge größer geworden ist, doch eine echte Trendumkehr bei Artenverlusten hat bisher nicht eingesetzt.“ Ein Frankfurter Forschungsteam unter Mehrings Leitung wollte deshalb wissen: Wie kann die Wertschätzung von Insekten und deren Artenvielfalt im städtischen Lebensraum gefördert werden?

Frankfurter Forschungsverbund mit ausgewiesener Biodiversitätsexpertise

Hierfür schloss sich 2020 in Frankfurt am Main ein in der Form bislang einzigartiger Verbund aus Wissenschaft, Forschung und Kunst, Zivilgesellschaft und städtischer Verwaltung zusammen. Zu den Institutionen mit ausgewiesener Biodiversitätsexpertise gehörten das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, die Goethe-Universität Frankfurt und der NABU Frankfurt in Kooperation mit dem Palmengarten der Stadt Frankfurt, BioFrankfurt, dem Grünflächenamt, dem Umweltamt der Stadt Frankfurt sowie der Informations- und Begegnungsstätte MainÄppelHaus Lohrberg.

Das inter- und transdisziplinäre Forschungsteam von SLInBio – Städtische Lebensstile und die Inwertsetzung von Biodiversität führte bis Mai 2025 eine Vielzahl an sozial- und naturwissenschaftlichen Untersuchungen in der Mainmetropole durch – Befragungen, Insektenmonitoring und toxikologische Bestandsaufnahmen – und verfolgte vielseitige partizipative Ansätze für Bürgerengagement. Bei der Abschlussveranstaltung des Forschungsprojekts stellte das Forschungsteam im Frankfurter Palmengarten nun die zentralen Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts SLInBio vor.

Klima- und Umweltdezernentin Tina Zapf-Rodríguez: Wegweisende Zusammenarbeit für Biodiversität

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Frankfurts Klima- und Umweltdezernentin Tina Zapf-Rodríguez, die das große Potenzial der Mainmetropole für den Schutz der Insektenvielfalt betonte: „Der deutschlandweit einzigartige Forschungsverbund hat in seiner fünfjährigen Arbeit auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wie man Bürger für den Schutz der Insektenwelt begeistern kann.“ Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Wissenschaft, Stadtbevölkerung und der Stadt Frankfurt sei hierfür wegweisend gewesen. „Ich freue mich sehr darüber, dass ich heute sagen kann: Frankfurt gehört zu den Städten, in denen die Bedeutung von Biodiversität für eine intakte Natur und für unsere Lebensqualität eine wichtige Rolle spielt. Wenn die Vielfalt zurückgeht, bekommen wir das alle zu spüren, das wollen wir auch weiterhin gemeinsam verhindern.“

Für den Erhalt der Artenvielfalt in der Stadt empfiehlt der Forschungsverbund SLInBio, alle verfügbaren Grünflächen konsequent als Schutzräume für Insekten zu nutzen. Die Projektergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschungspartner Senckenberg Forschungsinstitut und Goethe-Universität zeigen deutlich: Jede Fläche zählt. Auf den untersuchten urbanen Wiesen, Gärten und Kleingärten konnte mithilfe eines neuartigen Umwelt-DNS-Monitorings eine Vielzahl von Insektenarten identifiziert werden. Darunter auch gefährdete Arten und solche, die erstmals in Hessen nachgewiesen werden konnten. Gleichzeitig wurden mithilfe von toxikologischen Untersuchungen auch schädliche Stoffe in Kleingärten und Hausgärten nachgewiesen, deren Herkunft jetzt noch weiter untersucht werden muss.

Weil Wissen alleine nicht ausreicht: neue Blickwinkel auf Insektendiversität

Die von dem Journalisten Stephan Hübner moderierte Abschlussveranstaltung richtete sich insbesondere an Vertreter aus Kommunen. Rund 70 Gäste tauschten sich im Frankfurter Palmengarten über die Nutzung von städtischen Grünflächen, über Zielkonflikte und mögliche Lösungsansätze aus. Zentral waren dabei unter anderem die gesellschaftliche Wahrnehmung von Insekten und die Akzeptanz von Insektenschutzmaßnahmen.

Ein Problembewusstsein für das Artensterben allein reiche für ein Bürgerengagement nicht aus, erläuterte Projektleiterin Marion Mehring vom ISOE. „In der Praxis beobachten wir, dass aus dem Wissen um den Biodiversitätsverlust nicht zwingend ein entsprechendes Handeln folgt.“ Das Forschungsprojekt SLInBio habe sehr deutlich gezeigt: „Für ein insektenfreundliches Handeln ist es zentral, dass Menschen neben einem detaillierten Wissen auch ein Verantwortungsgefühl entwickeln. Wir nennen es Inwertsetzung, wenn aus der Wahrnehmung für den Wert der Natur tatsächlich biodiversitätsfreundliches Handeln entsteht“, sagt Mehring.

Damit das in der Praxis gelingt, setzte das Forschungsprojekt stark auf innovative und vor allem interaktive Formate für die Stadtgesellschaft. Nicht nur Ausstellungen, Workshops und Citizen-Science-Angebote, sondern auch künstlerische Interventionen boten Bürger der Stadt Frankfurt Möglichkeiten zum Mitmachen an. Das Projektteam konzipierte Formate zum Nachdenken, Lernen und Erleben, um neue Blickwinkel auf das Thema Insektenvielfalt und seine Bedeutung für eine lebenswerte Stadt zu eröffnen. Dazu gehörten etwa die „Insect Embassy“, das Kunstprojekt „Insectopolis“, die Ausstellung „Verspielt? Roulette mit der Insekten- und Pflanzenwelt“, die Aktion „Lebensräume gestalten im NABU Garten“ oder die Sonderausstellung „Stadtinsekten – Frankfurts kleine Helfer“, die aufgrund des großen Erfolgs bis auf Weiteres verlängert wurde und über die Projektlaufzeit von SLInBio hinaus im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt besucht werden kann.

Quelle: UD/fo
 

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