Wenn die Hitze bleibt: Ein Handbuch für die neue Normalität

Die Zahlen sind eindeutig, die Konsequenzen spürbar: Seit Beginn der Industrialisierung ist die weltweite Durchschnittstemperatur bereits um etwa 1,3 Grad Celsius gestiegen, in Deutschland sind es sogar 2,5 Grad Celsius. Das Jahr 2024 markierte mit einer Erwärmung von 1,55 Grad Celsius einen traurigen Rekord. Diese Entwicklung bringt Hitzewellen, Starkregen, Überschwemmungen und die Ausbreitung bisher unbekannter Krankheitsüberträger wie der Tigermücke mit sich. Die Autoren Christian Serrer, Karoline Möller, Lukas Neuwirth und Franziska Koert haben mit Unterstützung von über 70 Wissenschaftlern ein umfassendes Werk geschaffen, das einen pragmatischen Weg durch diese neue Realität weist.

Das Besondere an dieser Publikation ist ihr konsequent praxisorientierter Ansatz. Während die politische Debatte oft bei abstrakten Klimazielen stehen bleibt, konzentriert sich das Buch auf das, was der Einzelne heute tun kann. Die Botschaft lautet nicht „ob“, sondern „wie“ – denn die Anpassung an die Klimafolgen ist keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Die Autoren verstehen Anpassung dabei als Teil eines umfassenden Systems, in dem jeder Bürger eine aktive Rolle spielt.

Ein zentrales Kapitel widmet sich den Maßnahmen auf persönlicher Ebene. Hier wird deutlich, wie vielfältig die Handlungsmöglichkeiten sind. Von der Nutzung moderner Warnsysteme über das richtige Verhalten bei Extremwetterereignissen bis hin zum Schutz vor neuen Gesundheitsgefahren reicht das Spektrum. Besonders instruktiv sind die Verhaltensregeln für konkrete Krisensituationen. Bei Überschwemmungen beispielsweise gilt: Ruhe bewahren, Keller und Tiefgaragen unbedingt meiden, denn bereits 10 bis 20 Zentimeter Wasserstand können Türen blockieren und Menschen einschließen.

Auch die Hitzevorsorge nimmt breiten Raum ein. Die Empfehlungen reichen von der richtigen Kleidung über ausreichende Flüssigkeitszufuhr bis zur intelligenten Kühlung von Wohnräumen. Dabei wird auch auf vulnerable Gruppen wie ältere Menschen und Kinder eingegangen, die besonders gefährdet sind. Die Autoren zeigen auf, wie der städtische Wärmeinseleffekt die Temperaturen in Ballungsräumen um mehr als 10 Grad Celsius gegenüber dem Umland erhöhen kann und welche Konsequenzen das für die Gesundheit hat.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der bauliche Schutz vor Naturgefahren. Das Buch erklärt detailliert, wie Gebäude gegen Überschwemmungen, Sturm und Hagel geschützt werden können. Von mobilen Hochwasserschutzausrüstungen über die richtige Gebäudeabdichtung bis zur Anlage von Rückstauklappen werden konkrete technische Lösungen vorgestellt. Dabei wird auch die oft vernachlässigte Frage der Versicherung behandelt – denn eine Elementarschadenversicherung ist nicht automatisch in Standard-Policen enthalten.

Bemerkenswert ist die Aufmerksamkeit, die das Buch der psychischen Gesundheit widmet. Die Konfrontation mit Klimafolgen kann Ängste, Sorgen und Überforderung auslösen. Das Werk bietet konkrete Strategien zur mentalen Stärkung und gibt Hinweise auf Hilfsangebote. Auch die Bedeutung von Nachbarschaftshilfe und ehrenamtlichem Engagement im Bevölkerungsschutz wird hervorgehoben. Aktuell engagieren sich etwa 1,8 Millionen Menschen in Deutschland im Katastrophenschutz – angesichts zunehmender Extremereignisse wird dieses Engagement immer wichtiger.

Die Publikation besticht durch ihre visuelle Aufbereitung mit zahlreichen Grafiken und Illustrationen, die komplexe Zusammenhänge verständlich machen. Ein digitales Literaturverzeichnis ermöglicht die Überprüfung aller Quellen. Die Texte sind so gestaltet, dass sie unabhängig voneinander gelesen werden können – ein praktischer Ansatz für ein Nachschlagewerk, das im Ernstfall schnell zur Hand sein muss.