Wenn Salzwiesen zu Klimahelden werden
Während die Welt über Windräder und Solarparks diskutiert, rückten auf der COP30 die stillen Helden der Küsten ins Rampenlicht: Mangroven und Salzwiesen. Mit insgesamt 9 Milliarden Dollar an Finanzierungszielen und dem Versprechen, eine halbe Million Hektar wiederherzustellen, zeigte die Klimakonferenz, dass die Natur selbst oft die beste Technologie ist. Doch die Zeit drängt – Salzwiesen verschwinden dreimal schneller als Wälder.
28.11.2025
Auf den ersten Blick wirken Salzwiesen unscheinbar: schlammige Flächen an der Küste, überwuchert von Gräsern, bei Flut überschwemmt, bei Ebbe modrig riechend. Kaum jemand würde sie als Klimaretter bezeichnen. Doch genau das sind sie. Salzwiesen speichern Kohlenstoff bis zu 40-mal schneller als Wälder, schützen Küstengemeinden vor Stürmen und Überschwemmungen, und wenn sie verschwinden, wird aus der Kohlenstoffsenke eine Emissionsquelle. Zwischen 2000 und 2019 wurden durch den Verlust von Salzwiesen 326 Millionen Tonnen CO₂ freigesetzt – so viel wie 70 Millionen Autos in einem Jahr ausstoßen.
Auf der COP30 in Belém hat die Blue Marine Foundation gemeinsam mit dem UK Center for Ecology & Hydrology und WWF den Saltmarsh Breakthrough vorgestellt. Das Ziel: 5 Milliarden Dollar Finanzierung bis 2030 und die Wiederherstellung von 500.000 Hektar Salzwiesen weltweit. Die Initiative wurde am Oceans Day der Klimakonferenz angekündigt und reiht sich ein in eine Reihe ambitionierter Küstenschutzprojekte, die zeigen sollen, dass Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel Hand in Hand gehen können.
Salzwiesen sind Feuchtgebiete der gemäßigten Zonen, die sich von der Nordostküste der USA über Europa bis nach China erstrecken. Jahrhundertelang wurden sie trockengelegt, bebaut, in Ackerland verwandelt oder für Häfen und Straßen geopfert. Das Ergebnis: Sie verschwinden dreimal schneller als Wälder. Dabei sind sie nicht nur Kohlenstoffspeicher, sondern auch natürliche Kläranlagen, Fischbrutstätten und Wellenbrecher. Jeder Hektar, der verschwindet, bedeutet den Verlust einer natürlichen Klimainfrastruktur, die unter steigenden Meeresspiegeln und häufigeren Stürmen immer wertvoller wird.
Parallel dazu kündigte die Mangrove Catalytic Facility auf der COP30 einen ersten Fonds von 80 Millionen Dollar an. Dieser soll den Mangrove Breakthrough unterstützen, der bereits auf der COP27 lanciert wurde und bis 2030 insgesamt 4 Milliarden Dollar an Investitionen mobilisieren will. Der Ansatz ist dabei bewusst anders gewählt als bei klassischen Aufforstungsprojekten: Statt einzelne Wiederherstellungsprojekte zu finanzieren, arbeitet die Fazilität mit lokalen Finanzinstituten zusammen, um Küstenrisiken neu zu bewerten und Mangrovenschutz wirtschaftlich nachhaltig zu machen. Banken bekommen technische Unterstützung, Investitionsrahmen werden entwickelt, und es entstehen Mechanismen, die den Schutz von Mangroven über einen einzelnen Förderzyklus hinaus finanziell tragfähig machen.
Seit dem Start des Mangrove Breakthrough wurden über 750 Millionen Dollar in mehr als 40 großangelegte Projekte investiert. 46 Regierungen, die zusammen 40 Prozent der weltweiten Mangrovenflächen repräsentieren, haben die Initiative unterstützt. Länder wie Jamaika haben den Mangrovenschutz in ihre nationalen Klimapläne aufgenommen und sich verpflichtet, bis 2033 zwei Drittel ihrer Mangroven zu schützen und bis 2027 7.000 Hektar wiederherzustellen.
Mangroven und Salzwiesen mögen auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben – die einen wachsen in tropischen und subtropischen Regionen von Indonesien bis Mexiko, die anderen in gemäßigten Klimazonen. Doch beide Ökosysteme liefern, was Klimaschutz dringend braucht: Sie bekämpfen die Ursachen und die Folgen der Klimakrise gleichzeitig. Sie speichern Kohlenstoff schneller als Wälder, schützen Gemeinden vor Stürmen und steigendem Meeresspiegel, unterstützen Fischereien und filtern Schadstoffe aus dem Wasser. Gehen sie verloren, verliert der Planet kritische Infrastruktur für Klimaresilienz. Werden sie geschützt, gewinnt die Welt natürliche Systeme, die mit zunehmenden Klimafolgen immer wertvoller werden.
Die COP30 zeigte mit diesen Initiativen, dass Küstenschutz mehr ist als eine Fußnote in der Klimadebatte. Mit der One Ocean Partnership wurde zudem ein globales Netzwerk von „Regenerativen Meereslandschaften“ angekündigt, das bis 2030 20 Milliarden Dollar mobilisieren, 20 Millionen Quadratkilometer unter regeneratives Management stellen und 20 Millionen Arbeitsplätze schaffen will. Das Wort „regenerativ“ ist dabei Programm: Nicht nur Schaden vermeiden, sondern aktiv Meeresgesundheit wiederherstellen, während gleichzeitig wirtschaftliche Chancen für die Menschen geschaffen werden, die vom Ozean abhängig sind.
Ein neues Ocean Breakthroughs Dashboard macht es künftig einfacher nachzuvollziehen, ob Versprechen auch eingehalten werden. Es verfolgt fünf kritische Ozeansektoren – Meeresschutz, Schifffahrt, Küstentourismus, erneuerbare Meeresenergie und Fischereisysteme – und macht die Daten öffentlich zugänglich. Diese fünf Sektoren könnten zusammen bis zu 35 Prozent der bis 2050 notwendigen Emissionsreduktionen liefern, um die Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten.
Die Ozean-Offensive auf der COP30 sendete eine klare Botschaft: Die Natur hat Lösungen parat, die längst überfällig sind. Salzwiesen, Mangroven und regenerative Meereslandschaften sind keine Nischenprojekte mehr, sondern zentrale Bausteine einer Klimastrategie, die funktioniert – wenn man sie lässt.