Umwelt

UN-Klimaabkommen für Schifffahrt ausgebremst – Welche Alternativen gibt es?

Nach jahrelanger Verhandlung blockieren die Vereinigten Staaten von Amerika ein wegweisendes Klimaschutzpaket für die internationale Seeschifffahrt. Die Entscheidung über eine Kohlenstoffdioxid-Bepreisung wurde um ein Jahr vertagt. Deutsche Reeder und Umweltverbände zeigen sich enttäuscht.

30.10.2025

UN-Klimaabkommen für Schifffahrt ausgebremst – Welche Alternativen gibt es?

Die internationale Seeschifffahrt steht vor einem Rückschlag auf dem Weg zur Klimaneutralität. Mitte Oktober scheiterte bei der UN-Sonderorganisation für Seeschifffahrt (IMO) in London die Verabschiedung eines umfassenden Klimaschutzpakets. Nach massivem Druck der Vereinigten Staaten wurde die Entscheidung um mindestens ein Jahr verschoben. US-Präsident Donald Trump hatte sich unmittelbar vor der finalen Verhandlungsrunde gegen das geplante Abkommen ausgesprochen und betitelte es auf seinem Social-Media-Kanal Truth Social als „betrügerisch“. Der Antrag zur Vertagung kam formell aus Saudi-Arabien, einem der weltgrößten Ölproduzenten, doch der diplomatische Druck ging eindeutig von Washington aus.

Das gescheiterte Paket hätte erstmals ein System zur Bepreisung von Kohlenstoffdioxid-Emissionen im Schiffsverkehr etabliert und war bereits im April 2025 von einer Mehrheit der IMO-Mitgliedstaaten grundsätzlich befürwortet worden. Die Einnahmen aus diesem Mechanismus wurden auf rund zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. Das Geld sollte in einen Fonds fließen, der die Entwicklung und Einführung emissionsarmer Technologien fördern und Entwicklungsländern beim Übergang zu sauberen Energien helfen sollte. Neben einem globalen Kraftstoffstandard sollte das Abkommen ab März 2027 in Kraft treten und erstmals das Verursacherprinzip weltweit im maritimen Sektor zur Anwendung bringen.

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Die Gegnerschaft gegen das Klimaschutzabkommen ist international breit aufgestellt. Neben den Vereinigten Staaten lehnen auch große Ölproduzenten wie Saudi-Arabien, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate eine Kohlenstoffdioxid-Bepreisung ab. Unterstützung für das Vorhaben kam hingegen von Ländern wie China, Brasilien, Großbritannien und der gesamten Europäischen Union. Für viele vom Klimawandel besonders betroffene Staaten, insbesondere die pazifischen Inselstaaten, gehen die vereinbarten Regeln ohnehin nicht weit genug. Sie würden sich deutlich ambitioniertere Ziele wünschen, doch selbst dieses Minimalpaket scheiterte nun am Widerstand der Gegner.

Die Reaktionen aus Deutschland fallen deutlich aus. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder äußerte erhebliche Zweifel daran, dass im kommenden Jahr ein Konsens gelingen könne. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) zeigte sich bitter enttäuscht. In einem Schreiben kritisierte die Umweltorganisation, dass nach jahrelangen Verhandlungen kein Ergebnis vorliege, obwohl ein konkretes Maßnahmenpaket bereits auf dem Tisch liege. In Zeiten geopolitischer Unsicherheiten hätte die Verabschiedung ein starkes Signal für den globalen Klimaschutz und den Multilateralismus sein können, so der NABU.

Die Bedeutung der Schifffahrt für den Klimawandel wird oft unterschätzt. Die internationale Seeschifffahrt ist für etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das klingt auf den ersten Blick moderat, doch die Dimension wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass dieser Sektor damit größer ist als die meisten nationalen Emittenten. Wäre die Schifffahrt ein Land, stünde sie an sechster Stelle aller Kohlenstoffdioxid-Emittenten weltweit, noch vor Deutschland. Im Jahr 2023 stieß die internationale Schifffahrt rund 706 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid aus, was einen Anstieg von etwa 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Diese Zahlen liegen nahe an den Rekordwerten von 2017 und 2018.

Besonders problematisch ist die Prognose für die Zukunft. Alle Vorhersagen gehen von einer drastischen Zunahme des Schiffsverkehrs aus. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation rechnet mit einer Steigerung von 50 bis 250 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 2012. Ohne einen tiefgreifenden Wandel bei Antriebstechnologien, Treibstoffen und der Energieeffizienz wird der Anteil der Schifffahrt an den weltweiten Kohlenstoffdioxid-Emissionen bis zur Jahrhundertmitte auf etwa 17 Prozent ansteigen. Das macht deutlich, wie dringend wirksame Klimaschutzmaßnahmen in diesem Sektor sind.

Seit 1990 haben sich die jährlichen Kohlenstoffdioxid-Emissionen der internationalen Schifffahrt fast verdoppelt. Das liegt am überproportionalen Anstieg der Passagierzahlen und des Handelsvolumens. 90 Prozent des internationalen Warenhandels werden per Schiff transportiert. Die Branche fährt überwiegend mit fossilem Schweröl, das als Rückstandsöl aus Raffinerien besonders umweltbelastend ist. Neben Kohlenstoffdioxid stoßen Schiffe auch erhebliche Mengen an Schwefeloxiden, Stickoxiden, Ruß und Feinstaub aus. Die Schifffahrt verursacht etwa 15 Prozent der globalen Stickoxidemissionen und 13 Prozent der Schwefeldioxidemissionen.

Trotz des aktuellen Rückschlags gibt es technologische Fortschritte bei alternativen Antrieben. Weltweit erproben Forschungsprojekte verschiedene Energieträger als Ersatz für Schweröl und Diesel. Dabei hat sich noch kein Treibstoff als klar überlegen herauskristallisiert; eine Koexistenz verschiedener Lösungen erscheint wahrscheinlich. Zu den vielversprechendsten Alternativen gehören Wasserstoff, Ammoniak und Methanol.

Wasserstoff gilt als saubere Energiequelle, da bei seiner Verbrennung nur Wasser entsteht. Allerdings ist die Lagerung problematisch. Flüssiger Wasserstoff muss bei minus 253 Grad Celsius gelagert werden, alternativ als Gas bei einem Druck von 700 Bar. Das erfordert voluminöse und schwere Spezialbehälter, was insbesondere auf langen Routen zum Problem wird. Für Fähren auf kurzen Strecken könnte Wasserstoff jedoch bereits in naher Zukunft eine praktikable Lösung darstellen. Erste Projekte in Norwegen zeigen vielversprechende Ergebnisse. Das Land plant, bis 2030 seine gesamte Fährenflotte auf Brennstoffzellen-Antriebe mit grünem Wasserstoff umzustellen.

Ammoniak entwickelt sich zu einem besonders interessanten Kandidaten. Das Gas besteht zu 75 Prozent aus Wasserstoff, ist aber deutlich einfacher zu transportieren und zu lagern. Bei minus 33 Grad Celsius und Normaldruck oder bei 20 Grad Celsius und einem Druck von 9 Bar bleibt Ammoniak flüssig. Die volumetrische Energiedichte liegt etwa 50 Prozent höher als bei Wasserstoff. Bei der Verbrennung entsteht kein Kohlenstoffdioxid, da Ammoniak kein Kohlenstoffatom enthält. Allerdings ist das Gas in hoher Konzentration giftig und brennbar, was besondere Sicherheitsvorkehrungen erfordert. Im November 2023 brach das weltweit erste Containerschiff mit sauberem Ammoniakantrieb zu seiner Jungfernfahrt auf. Es verkehrt zwischen Norwegen und Deutschland auf Routen nach Oslo, Porsgrunn, Hamburg und Bremerhaven.

Methanol bietet den Vorteil, dass bestehende Motoren vergleichsweise leicht auf diesen Treibstoff umgerüstet werden können. Allerdings muss zwischen verschiedenen Produktionsformen unterschieden werden. Graues und braunes Methanol werden aus fossilen Rohstoffen hergestellt und bringen daher kaum Klimavorteile. Blaues und kohlenstoffdioxid-neutrales Methanol hingegen wird aus abgeschiedenem Kohlenstoff, erneuerbarem Strom oder grünem Wasserstoff hergestellt. Die Energiekosten sind allerdings deutlich höher als bei konventionellen Treibstoffen, da perspektivisch Kohlenstoffdioxid aus der Luft gewonnen werden muss. Forschende des Fraunhofer-Instituts haben ein Antriebskonzept entwickelt, bei dem Wasserstoff aus Methanol gewonnen wird, was die Technik sicherer macht.

Neben dem Wechsel auf klimafreundliche Treibstoffe gibt es weitere Klimaschutzpotenziale in der Schifffahrt. Größere Schiffe verbrauchen pro transportierter Tonne weniger Energie. Auch eine langsamere Reisegeschwindigkeit senkt den Kraftstoffverbrauch erheblich. Mit einer etwa 10 Prozent geringeren Geschwindigkeit sinkt der Leistungsbedarf um circa 27 Prozent. Aufgrund der längeren Fahrzeit beträgt die Verringerung des Energiebedarfs pro Streckeneinheit immerhin noch 19 Prozent. Viele Reedereien nutzen dieses Konzept des langsamen Fahrens bereits heute, um Kosten zu sparen, da Kraftstoff meist 30 bis 60 Prozent der gesamten Betriebskosten ausmacht.

Die IMO-Mitgliedstaaten hatten sich 2023 nach langen Debatten grundsätzlich darauf geeinigt, Klimaneutralität in der Schifffahrt bis etwa 2050 zu erreichen. Die Formulierung mit dem Zusatz „etwa“ gilt als Formelkompromiss, der eine Einigung überhaupt erst möglich machte. Bis 2030 sollen die jährlichen Emissionen um mindestens 20 Prozent, bis 2040 um mindestens 70 Prozent reduziert werden, jeweils im Vergleich zu 2008. Diese Ziele werden allerdings von Umweltverbänden als unzureichend kritisiert, da sie nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens kompatibel seien.

Die Frage, wie diese ambitionierten Ziele ohne ein verbindliches Klimaschutzpaket und eine Kohlenstoffdioxid-Bepreisung erreicht werden sollen, bleibt offen. Die Schifffahrtsbranche steht vor der Herausforderung, massive Investitionen in neue Technologien zu tätigen, ohne dass verbindliche Rahmenbedingungen existieren. Reeder fordern Planungssicherheit darüber, wie eine Emissions-Bepreisung im Detail aussehen wird und wie bereits existierende Bepreisungsmodelle wie das EU-Emissionshandelssystem in eine internationale Maßnahme integriert werden können. Ein Flickenteppich regionaler Sonderwege wäre für die weltweit fahrende Schifffahrt kontraproduktiv.

Ob im kommenden Jahr bei der IMO eine Einigung gelingt, erscheint nach der jetzigen Entwicklung mehr als fraglich. Die Kombination aus wirtschaftlichen Interessen der Ölproduzenten, der grundsätzlichen Ablehnung von Kohlenstoffdioxid-Bepreisungen durch einflussreiche Staaten und der schwierigen geopolitischen Lage lässt einen schnellen Durchbruch unwahrscheinlich erscheinen. Die internationale Schifffahrt bleibt damit einer der wenigen großen Sektoren ohne wirksame Klimaschutzinstrumente. Die Zeit drängt jedoch, denn mit jedem Jahr des Stillstands steigen die Emissionen weiter, während die Klimaziele in immer weitere Ferne rücken.

Quelle: UD
 

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