Schifffahrt setzt auf technische Lösungen für die Klimawende
Die maritime Wirtschaft hält Kurs auf Nachhaltigkeit – trotz anhaltender Skepsis gegenüber den globalen Klimazielen. Das zeigt der aktuelle SMM Maritime Industry Report (MIR). Auf der SMM 2026, der Weltleitmesse der Branche im kommenden September, präsentieren Unternehmen die Technologien, mit denen sie die Transformation der globalen Schifffahrt vorantreiben.
13.11.2025
Es war ein Paukenschlag: Die Mitgliedstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) sind vergangene Woche dabei gescheitert, sich auf globale Klimaschutzregelungen zu einigen. Die Entscheidung wurde aufs kommende Jahr vertagt. Konkret ging es auf der Sitzung des Marine Environment Protection Committee (MEPC) um wirksame Maßnahmen zur Umsetzung der IMO-Klimaziele, darunter ein globaler Treibstoffstandard und eine Emissionsabgabe für Schiffe, die bestimmte Grenzwerte überschreiten.
Bei den Praktikerinnen und Praktikern der maritimen Wirtschaft überwiegt die Skepsis, was die ehrgeizigen Klimaziele der IMO betrifft. Das zeigt der aktuelle SMM Maritime Industry Report 2025 (MIR), für den der SMM-Veranstalter Hamburg Messe und Congress (HMC) rund 1.500 Branchenverantwortliche befragt hat.
Die Hälfte der Verantwortlichen von Reedereien und Zulieferunternehmen (51 Prozent) bezweifelt, dass das Net-Zero-Ziel bis 2050 erreichbar ist. Auch 46 Prozent aus den Reihen der Werften teilen diese Einschätzung. Nur knapp ein Drittel der Befragten zeigt sich optimistisch (29 Prozent der Reedereien, 26 Prozent der Werften). Für Marktkenner wie den Werftmanager und SMM-Beiratsvorsitzenden Dr. Klaus Borgschulte ist das keine Überraschung: „Schließlich geht es weltweit um rund 90.000 Schiffe – ein gewaltiger Kraftakt, der kaum im vorgegebenen Zeitrahmen zu schaffen ist.“
Investitionen in die Zukunft
Trotz dieser Zweifel bleibt Nachhaltigkeit für die Branche oberste Priorität: So gehen 78 Prozent der Teilnehmenden aus dem Segment Zulieferer davon aus, dass das Thema in den kommenden Jahren noch wichtiger wird. Neun von zehn Unternehmen setzen bereits konkrete Maßnahmen um, ein deutlicher Anstieg gegenüber der letzten Befragung (plus acht Prozent).
„Das ‚Net-Zero Framework‘ der IMO beeinflusst bereits Investitionsentscheidungen, operative Weichenstellungen und Treibstoffstrategien in der gesamten Branche“, bestätigt Knut Ørbeck-Nilssen, CEO von DNV Maritime. Laut dem „Maritime Forecast to 2050“ der Klassifikationsgesellschaft wächst die Zahl klimafreundlicher Schiffe stetig – doch der notwendige Treibstoff bleibt knapp. In den nächsten zehn Jahren erwarten die MIR-Teilnehmenden den größten Bedarf an LNG, Biofuels, Methanol und anderen wasserstoffbasierten Kraftstoffen. Auch hybride Antriebslösungen könnten eine zentrale Rolle spielen.
Effizienz ist das neue Kapital
„Am Ende werden Preis und Verfügbarkeit die entscheidenden Faktoren sein“, sagt Richard von Berlepsch, langjähriger Flottenchef bei der Reederei Hapag-Lloyd. Klar ist: Alternative Treibstoffe werden teurer sein als konventionelle. Effizienz im Schiffsbetrieb wird damit zum zentralen Erfolgsfaktor – das gilt für Neubauten, aber auch für die Bestandsflotte.
Deswegen stehen Retrofit-Maßnahmen – etwa Upgrades von Propellern, Energiesystemen oder der Abgasnachbehandlung – besonders im Fokus: Laut MIR planen 78 Prozent der Reedereien entsprechende Investitionen, vor allem in Antriebssysteme (66 Prozent) und digitale Lösungen (58 Prozent). „Die Reeder sind bereit, Geld in die Hand zu nehmen“, sagt von Berlepsch.
Erfolgsrezept Kooperation
„Es herrscht Zuversicht, und die Bereitschaft zu investieren ist groß“, sagt Hauke Schlegel, Geschäftsführer beim VDMA Marine Equipment and Systems. „Unsere Industrie hat die passenden Technologien, um die Schifffahrt in eine klimafreundliche Zukunft zu führen.“ Er sieht in der Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren den entscheidenden Schlüssel, um die Branche auf das nächste Level zu heben.
Auch Claus Ulrich Selbach, Vice President Exhibitions Maritime & Energy bei der Hamburg Messe und Congress, betont: „Im Grunde ist allen Beteiligten klar, dass es nicht die EINE technologische Lösung geben wird, um das IMO Ziel Zero Emission 2050 zu erreichen, weder bei der Antriebstechnik noch bei den Antriebsmitteln. Es wird eine Kombination aus mehreren Technologien sein, die im Zusenspiel mit Effizienzsteigerungen im Schiffsbetrieb unter anderem durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz die Klimaneutralität der Schifffahrt herstellen werden. Auf der SMM finden die Entscheiderinnen und Entscheider die gesamte Vielfalt an diesen technologischen Lösungen.“
Mit Spannung dürften die Teilnehmenden auch die Diskussionen auf den Fachkonferenzen im Rahmen der SMM erwarten. „Die Weltleitmesse ist die perfekte Plattform, um die Zukunft der maritimen Wirtschaft zu gestalten“, sagt SMM-Direktor Christoph Lücke. „Hier treffen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammen – das ist gelebte Transformation.“ Das gemeinsame Ziel ist zugleich das Motto der SMM 2026: „Driving the maritime transition“.