Jane Goodalls Vermächtnis für eine nachhaltige Zukunft
Jane Goodall ist im Alter von 91 Jahren verstorben. Die britische Verhaltensforscherin revolutionierte nicht nur die Primatologie, sondern wurde zur weltweiten Symbolfigur für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Ihr Lebenswerk zeigt, dass jeder Einzelne die Welt zum Besseren verändern kann – eine Botschaft, die heute dringlicher ist denn je.
02.10.2025
Als Jane Goodall 1960 als 26-jährige Frau ohne akademischen Abschluss in den Gombe-Stream-Nationalpark in Tansania reiste, ahnte niemand, dass sie die Wissenschaft grundlegend verändern würde. Dort, im dichten Urwald am Ufer des Tanganjikasees, begann sie ihre bahnbrechenden Beobachtungen von Schimpansen in freier Wildbahn. Was sie entdeckte, erschütterte das damalige Selbstverständnis der Menschheit: Schimpansen nutzen Werkzeuge, führen komplexe soziale Beziehungen und zeigen Emotionen, die den unseren verblüffend ähnlich sind. Die scharfe Trennlinie zwischen Mensch und Tier verschwamm unter ihrem geduldigen, respektvollen Blick.
Doch Goodall blieb nicht bei der reinen Forschung stehen. Je länger sie mit den Schimpansen lebte, desto klarer wurde ihr, dass ihre Studienobjekte vom Aussterben bedroht waren. Abholzung, Wilderei und Krankheiten dezimierten die Bestände dramatisch. Diese Erkenntnis verwandelte die zurückhaltende Wissenschaftlerin in eine leidenschaftliche Aktivistin. 1977 gründete sie das Jane Goodall Institut, das bis heute weltweit tätig ist und einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt: Artenschutz funktioniert nur, wenn auch die Menschen vor Ort profitieren.
Dieser Gedanke wurde zum Kern von Goodalls Nachhaltigkeitsphilosophie. Sie verstand früh, was heute als Binsenweisheit gilt: Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit sind untrennbar verbunden. In den Gemeinden rund um Gombe initiierte ihr Institut Projekte, die Aufforstung mit Bildung und wirtschaftlicher Entwicklung verknüpften. Frauen erhielten Mikrokredite, Kinder Zugang zu Schulen, und die Wälder begannen sich zu erholen. Es war ein Modell, das zeigte, dass Naturschutz kein Luxus reicher Nationen ist, sondern eine Chance für alle.
Besonders am Herzen lag Goodall die Jugend. 1991 rief sie das Programm „Roots & Shoots“ ins Leben, das heute in über 60 Ländern aktiv ist und junge Menschen ermutigt, selbst Projekte für Mensch, Tier und Umwelt zu entwickeln. Sie glaubte fest daran, dass Veränderung von unten wachsen muss – durch individuelle Entscheidungen, die sich zu einer Welle des Wandels summieren. Jede Kaufentscheidung, jeder gesparte Tropfen Wasser, jeder gepflanzte Baum zählt. Diese Botschaft trug sie unermüdlich um die Welt.
Bis ins hohe Alter war Goodall fast 300 Tage im Jahr unterwegs, hielt Vorträge, traf Staatsoberhäupter und sprach vor Schulklassen. Als UN-Friedensbotschafterin nutzte sie ihre globale Bekanntheit, um auf die Klimakrise und das Artensterben aufmerksam zu machen. Dabei blieb sie stets eine Optimistin – nicht aus Naivität, sondern aus Überzeugung. „Wir haben noch ein Zeitfenster“, betonte sie immer wieder, „aber wir müssen jetzt handeln.“ Ihre Hoffnung speiste sich aus der Widerstandsfähigkeit der Natur, dem menschlichen Intellekt, der unerschöpflichen Energie junger Menschen und dem unbezwingbaren menschlichen Geist.
Für ihr Lebenswerk erhielt Goodall zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2018 den Ehrenpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Doch wichtiger als jede Ehrung war ihr das konkrete Tun. Sie lebte, was sie predigte: vegetarisch, bewusst konsumierend, stets auf der Suche nach dem respektvollen Miteinander zwischen allen Lebewesen.
Jane Goodall starb während einer Vortragsreise in den USA eines natürlichen Todes. Sie hinterlässt ein Vermächtnis, das weit über wissenschaftliche Erkenntnisse hinausreicht. Sie hat gezeigt, dass Nachhaltigkeit kein abstraktes Konzept ist, sondern eine Haltung – eine Mischung aus Respekt, Empathie und der festen Überzeugung, dass jeder von uns etwas bewirken kann. In einer Zeit, in der Umweltprobleme überwältigend erscheinen, war Jane Goodall ein Leuchtfeuer der Hoffnung. Und diese Hoffnung, das ist ihr größtes Geschenk an uns, muss weiterleben.