Industriefischerei bedroht Meeresschutzgebiet in der Nordsee
Rund 250.000 Tonnen Sandaale werden jedes Jahr in der Nordsee gefangen – fast 94.000 Tonnen davon im Meeresschutzgebiet Doggerbank. Eine aktuelle Analyse des BUND deckt auf: Die kleinen Fische landen ausschließlich als Futtermittel in Aquakulturen und Massentierhaltung. Besonders problematisch ist der Einsatz zerstörerischer Grundschleppnetze – obwohl die Fischerei dort als „nachhaltig“ zertifiziert ist.
31.10.2025
Jährlich werden in der Nordsee rund eine Viertelmillion Tonnen Sandaale nur für die Futtermittelproduktion gefischt. Betroffen ist auch das Meeresschutzgebiet Doggerbank, wie eine aktuelle Analyse des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ergeben hat. Zum Einsatz kommen dabei besonders zerstörerische Grundschleppnetze. Die Sandaale werden ausschließlich für die Produktion von Fischmehl und Fischöl gefangen, das in Aquakulturen und in der Massentierhaltung an Land verfüttert wird. Mit einer Petition richtet sich der BUND an den verantwortlichen Bundesfischereiminister Alois Rainer: Darin fordern aktuell fast 60.000 Menschen ein Ende der zerstörerischen Fischerei mit Grundschleppnetzen in dem deutschen Schutzgebiet.
Valeska Diemel, BUND-Expertin für Fischerei: „Unsere Auswertung von Fischereidaten hat ergeben, dass jährlich etwa 250.000 Tonnen Sandaale in der Nordsee ausschließlich für die Futtermittelproduktion gefangen werden. Davon werden 94.000 Tonnen im Gebiet der Doggerbank gefangen – einer geschützten Sandbank, die als das Herz der Nordsee gilt. Diese Umweltzerstörung muss ein Ende haben. Ein Verbot von Grundschleppnetzen in geschützten Gebieten ist längst überfällig.“
Sandaale spielen als Futterfische eine zentrale Rolle im Nahrungsnetz der Nordsee. Im Gebiet der Doggerbank, der größten Sandbank der Nordsee, finden sie optimale Lebensbedingungen und leben dort in großen Schwärmen. Besonders die im Schutzgebiet Doggerbank lebenden Arten wie Minkwale, Schweinswale, Seehunde und Kegelrobben, aber auch Seevögel wie der Papageientaucher, sind auf die Sandaale als nährstoffreiche Nahrungsgrundlage angewiesen.
Diemel: „Die jährlich in der Doggerbank gefischte Menge von Sandaalen könnte 3,4 Millionen Papageientaucher ein Jahr lang ernähren. Die praktizierte Industriefischerei auf den Sandaal bedroht also direkt die Tierwelt vor unserer Haustür.“
Grundschleppnetzfischerei im Schutzgebiet vom MSC als „nachhaltig“ zertifiziert
Sandaale werden ausschließlich mit Grundschleppnetzen gefischt, da die Tiere den Großteil ihres Lebens vergraben im sandigen Meeresboden verbringen. Grundschleppnetze zählen zu den größten Bedrohungen für die marine Artenvielfalt. Im Fall der Industriefischerei auf Sandaal werden große schwere Netze über den Meeresboden gezogen, um Unmengen an Fisch aus dem Meer zu ziehen. Damit die kleinen Sandaale mit einer Körpergröße von 20 bis 40 Millimetern gefangen werden können, haben die Grundschleppnetze besonders kleine Maschen mit einem Durchmesser von weniger als 16 Millimetern.
Diemel: „Die Grundschleppnetze, mit denen auf der Doggerbank nach Sandaalen gefischt wird, gleichen mit ihren engen Maschen eher einem Sieb als einem Netz. So werden alle Lebewesen, die größer als 16 Millimeter sind, als Beifang zum Kollateralschaden der Sandaalfischerei. Gleichzeitig wird der geschützte Lebensraum auf der Doggerbank zerstört. Das alles hindert den MSC jedoch nicht daran, die Grundschleppnetzfischerei auf Sandaal als nachhaltig zu zertifizieren. Das Einzige, was an dieser Fischerei nachhaltig ist, ist die Zerstörung des Ökosystems in der Nordsee.“
Sandaale werden ausschließlich als Futtermittel für Aquakultur und Massentierhaltung gefischt
Die Sandaale in der Nordsee und im Schutzgebiet Doggerbank werden aufgrund ihres hohen Fettgehalts ausschließlich für die Produktion von Fischmehl und Fischöl verwendet. Nur zehn Prozent des weltweit produzierten Fischmehls und Fischöls werden aus Nebenprodukten und Abfällen der Fischverarbeitung hergestellt. Der Hauptanteil besteht mit 90 Prozent aus ganzen Meerestieren, die wie der Sandaal gezielt für die Produktion von Futtermitteln gefangen werden oder als Beifang in den Fischernetzen verenden. Weltweit geht der größte Anteil des Fischmehls (87 Prozent) und Fischöls (74 Prozent) in die Aquakultur. In Europa ist die Lachsaquakultur in Norwegen der größte Abnehmer.
Diemel: „Wir fordern Bundesfischereiminister Alois Rainer auf, Verantwortung zu zeigen und diese zerstörerische Fischereipraxis im Schutzgebiet Doggerbank zu beenden. Als BUND sammeln wir mit einer Petition derzeit Unterschriften, die uns in dieser Forderung den Rücken stärken. Doch trotz der bisher 56.000 Unterschriften hat der Minister die Annahme der Petition abgelehnt. Wir belegen mit unserer Analyse erneut die Missstände im Meeresschutzgebiet Doggerbank und hoffen auf weitere Unterstützung.“