Der Kampf ums Klimageld: Warum Milliarden im Sand versickern
Auf der COP30 in Belém ringen die Staaten um 300 Milliarden Dollar jährlich für den Klimaschutz. Doch während Deutschland weiter zahlen will, ziehen sich andere Industrienationen zurück. Ein neuer brasilianischer Fonds soll nun zeigen, wie Klimafinanzierung tatsächlich wirken könnte.
12.11.2025
Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen offenbart die UN-Klimakonferenz in der brasilianischen Amazonasstadt Belém ein fundamentales Problem der internationalen Klimapolitik: Es mangelt nicht an Zusagen, sondern an deren Umsetzung. Während die Bundesregierung sich verpflichtet sieht, die neue Klimafinanzierungsverpflichtung von mindestens 300 Milliarden US-Dollar jährlich durch die Industrieländer bis 2035 mit Leben zu füllen, wendet sich die Weltgemeinschaft zunehmend ab.
Die Ausgangslage ist ernüchternd. Deutschland bleibt traditionell größter Zahler sogenannter Klimahilfen an ärmere Länder, doch die Bereitschaft anderer westlicher Staaten schwindet rapide. Großbritannien begründet seine Zurückhaltung mit der angespannten Haushaltslage. Premierminister Keir Starmer hatte bereits im Vorfeld der Konferenz deutlich gemacht, dass sein Land das Ziel verfehlen werde, wenn die Kosten für erneuerbare Energien zu hoch würden. Die USA unter Präsident Donald Trump haben sich ohnehin aus dem Pariser Abkommen verabschiedet.
Auch Kanada vollzieht eine bemerkenswerte Kehrtwende. Premierminister Mark Carney, der einst als Gouverneur der Bank of England vor fossilen Brennstoffen warnte, hat die Genehmigung eines neuen Flüssiggas-Exportterminals in British Columbia durchgesetzt und verspricht, das Land in eine Energiesupermacht zu verwandeln. In Australien diagnostizieren Ökonomen, der Höhepunkt der Klimapolitik sei überschritten. Japan hat sich faktisch von seinen Klimazielen verabschiedet und setzt weiterhin auf Kohle und Erdgas.
Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird durch eine simple Zahl verdeutlicht: Nach dem Austritt der USA stammen nur noch etwas mehr als 14 Prozent der globalen Emissionen aus Ländern, die sich in Paris zur Reduktion verpflichtet haben. Die Europäische Union verantwortet lediglich sechs Prozent der weltweiten Emissionen, ist aber die einzige verbliebene Industrieregion mit striktem CO2-Minderungskurs.
Diese Schieflage war von Anfang an im Pariser Abkommen angelegt. China, das als Schwellenland eingestuft wird, hatte darauf bestanden, dass die gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung der Staaten festgeschrieben wird. In der Praxis bedeutete dies, dass sich die reichen Länder zu mehr Klimaschutz verpflichten mussten, während China und andere Schwellenländer lediglich ermutigt werden, Klimaziele vorzulegen. Von milliardenschweren Hilfszahlungen ist China gänzlich entbunden. Die Klimagesandte der französischen Regierung, Laurence Tubiana, berichtete, die chinesische Delegation sei regelrecht besessen davon gewesen, der westlichen Konkurrenz striktere Verpflichtungen aufzubürden.
Das zentrale Problem der Klimafinanzierung liegt jedoch nicht in der Höhe der Zusagen, sondern in ihrer Umsetzung. Dr. Johannes Feist, CEO von Mikro Kapital Management, bringt es auf den Punkt: Internationale Klimafonds und Entwicklungsbanken stellen zwar erhebliche Mittel bereit, doch bis sie vor Ort ankommen, vergehen oft Jahre. Evaluierungen der OECD und des Green Climate Fund zeigen, dass zwischen der formellen Bewilligung der Mittel und der ersten Auszahlung häufig lange Zeit vergeht. In dieser Phase fehlt den Unternehmen das Kapital für dringend notwendige Umrüstungen.
Zentralasien zeigt exemplarisch die Folgen dieser Verzögerungen. Wasserknappheit, schwankende Erträge und eine anfällige Energieversorgung setzen kleinen und mittleren Unternehmen zu. Was sich dort beobachten lässt, steht sinnbildlich für Herausforderungen, die auch Europa zunehmend betreffen. Feist argumentiert, Klimafinanzierung werde wirksam, wenn sie auf der Unternehmensebene ansetzt und sich auf kleine, klar strukturierte Investitionen konzentriert, die sich schnell umsetzen lassen. Beispiele sind effizientere Bewässerung, sparsame Pumpensysteme oder Photovoltaik für den Eigenbedarf.
Vor diesem Hintergrund könnte der neue brasilianische Tropenwaldschutzfonds TFFF zum Testfall für eine wirksamere Klimafinanzierung werden. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva stellte den Fonds vor, der 25 Milliarden Dollar öffentliche Gelder mit 100 Milliarden Dollar von privaten Investoren kombinieren soll. Das Geld wird an Kapitalmärkten angelegt und soll jährlich etwa vier Milliarden Dollar Rendite erwirtschaften. Diese werden an Länder ausgezahlt, deren jährliche Entwaldungsrate unter 0,5 Prozent liegt. Pro Hektar erhaltenen Tropenwalds gibt es vier Dollar Prämie, für jeden zerstörten Hektar drohen 140 Dollar Strafe.
Der Ökonom und Klimawissenschaftler Carlo Carraro vom Euro-Mediterranean Centre on Climate Change sieht darin einen Wendepunkt: Erstmals führe der Globale Süden eine große Klimafinanzierungsinitiative an, was ihre Legitimität und politische Relevanz erhöhe. Der Fonds kehre die wirtschaftliche Logik um, die historisch die Rodung von Wäldern für Landwirtschaft und Holzgewinnung begünstigt habe. Entscheidend sei die Rolle der Weltbank als Fondsmanager, um Transparenz, Rechenschaftspflicht und Anlegervertrauen sicherzustellen.
Brasilien hat bereits eine Milliarde Dollar zugesagt, Norwegen drei Milliarden über zehn Jahre, Frankreich 500 Millionen. Deutschland hält sich bisher zurück und verweist auf ungeklärte technische Umsetzungsfragen. Bundeskanzler Friedrich Merz sollte auf dem Vorbereitungsgipfel in Belém eine Rede halten, doch ob Deutschland finanzielle Zusagen macht, blieb zunächst offen.
Kritiker bemängeln, dass einige Prüfverfahren für die Auszahlung möglicherweise nicht ausreichen und die erhofften vier Dollar pro Hektar zu niedrig sein könnten, um Wälder effektiv zu schützen oder wettbewerbsfähige Renditen für Investoren zu bieten. Greenpeace Deutschland hält den Fonds für noch nicht reif und fürchtet Greenwashing. Die Global Forest Coalition sieht darin lediglich eine Scheinlösung.
Dennoch könnte der TFFF ein Modell für künftige Klimafinanzierung sein, weil er drei zentrale Schwachstellen bisheriger Ansätze adressiert: Er bietet direkte wirtschaftliche Anreize statt bürokratischer Umwege, arbeitet ergebnisorientiert mit messbaren Reduktionen der Entwaldung und sieht vor, dass mindestens 20 Prozent der Mittel direkt an indigene Völker und lokale Gemeinschaften gehen, die eine wesentliche Rolle beim Waldschutz spielen.
Der Kontrast zur deutschen Position könnte kaum größer sein. Bundesumweltminister Carsten Schneider freut sich, dass Deutschland ein starkes Klimaziel für 2040 habe und nun auch Europa eines bekomme. Er sieht die Ziele als ökonomischen Vorteil, weil sie gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen würden. Die Realität sieht anders aus: Deutschland steckt seit drei Jahren in einer Rezession, besonders energieintensive Produktion bricht ein und wandert ab. Das deutsche Klimaschutzgesetz erlaubt nur noch ein Restbudget von 6,7 Gigatonnen CO2, das Anfang der 2030er Jahre verbraucht sein dürfte.
Die globale Entwicklung zeigt, dass keine Energiewende, sondern eher eine Energie-Addition stattfindet: Erneuerbare kommen obendrauf, fossile Energien gehen nicht weg. China, das den Ausbau von Solarenergie vorantreibt, produziert diese Technologie mit fossiler Energie und exportiert sie nach Deutschland, das sich damit in Abhängigkeit begeben hat.
Die Lehre für eine wirksame Klimafinanzierung liegt auf der Hand: Der Maßstab kann nicht die Höhe der Zusagen sein, sondern müssen die sichtbaren Verbesserungen sein, die sie bewirken. Robustere Unternehmen, stabilere lokale Strukturen und eine widerstandsfähigere Wirtschaft insgesamt. Genau daran sollte sich die Debatte in Belém messen lassen.