Kinderrechte im Blindspot der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Trotz wachsender ESG-Transparenz bleiben Kinderrechte in der Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich unterrepräsentiert. Das zeigt eine aktuelle Analyse von UNICEF, die mithilfe eines KI-gestützten Tools über 850 Nachhaltigkeitsberichte von Großunternehmen auswertete. Fazit: Während fast alle Unternehmen über Umwelt- und Governance-Themen berichten, spielen spezifische Risiken und Chancen im Hinblick auf Kinder kaum eine Rolle – mit Ausnahme des Themas Kinderarbeit.
17.06.2025

Laut UNICEF-Studie werden Kinder nach wie vor als Stakeholdergruppe weitgehend übersehen. Nur 13 Prozent der untersuchten Unternehmen geben an, Kinder in ihren Stakeholder-Analysen zu berücksichtigen. Noch seltener – in lediglich sechs Prozent der Fälle – werden Kinder explizit als Zielgruppe von Beschwerdemechanismen genannt. Dabei hätten gerade sie in vielen Geschäftsmodellen eine direkte oder indirekte Betroffenheit: als Konsumentinnen und Konsumenten, Angehörige von Mitarbeitenden oder Mitglieder betroffener Gemeinschaften.
Zwar bekennen sich 41 Prozent der Unternehmen in übergeordneten Menschenrechtserklärungen zur Achtung von Kinderrechten. Doch dieser Anspruch spiegelt sich kaum in konkreten Maßnahmen wider: Nur 19 Prozent berichten über Produktsicherheit für Kinder, lediglich 3 Prozent berücksichtigen Risiken für schwangere Frauen und Kinder bei Umweltwirkungen. Die am häufigsten genannte Kinderrechtsproblematik bleibt die Kinderarbeit – eine gesetzlich stärker regulierte Thematik, die insbesondere in Lieferkettenrisikoprüfungen auftaucht.
Die Unterschiede zwischen den Branchen sind erheblich. Während die Elektronik-, Textil- und Chemieindustrie Kinderrechte häufiger thematisieren – oft bedingt durch globale Lieferketten und öffentlichen Druck – schneiden Banken, Bauunternehmen und Pensionsfonds besonders schlecht ab. Auch regional zeigen sich Unterschiede: In Ostasien sowie Lateinamerika und der Karibik liegt der Anteil entsprechender Berichterstattung bei rund 20 Prozent, in Nordamerika und Europa hingegen deutlich darunter. In Regionen mit schwächer ausgeprägten Regulierungen, etwa Sub-Sahara-Afrika oder Nordafrika, fällt die Berichtsdichte am geringsten aus.
UNICEF sieht in diesen Ergebnissen eine verpasste Chance. Kinderrechte sollten als Querschnittsthema in der Wesentlichkeitsanalyse von Unternehmen verankert werden, fordert der Bericht. Er empfiehlt, bestehende Berichtsstandards wie die der Global Reporting Initiative (GRI) um kinderrechtsbezogene Kriterien zu erweitern. Zudem sollen Unternehmen gezielt sensibilisiert werden, welche direkten und indirekten Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeit auf Kinder haben kann – über das Thema Kinderarbeit hinaus.
Ziel der Analyse ist es, mittelfristig zu belastbaren Offenlegungsstandards für Kinderrechte in der Unternehmensberichterstattung beizutragen. Für UNICEF ist klar: Nur wer Kinderrechte systematisch in seine Berichterstattung integriert, kann langfristig glaubwürdig für soziale Nachhaltigkeit einstehen.