Soziales

Deutschlands Wohlstand und seine Schattenseiten – 13 Millionen Menschen leben in Armut

Während Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt gilt, leben 15,5 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Der „Paritätische Armutsbericht 2025“ zeigt einen alarmierenden Anstieg der Armutsquote. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, junge Erwachsene und Frauen. Gewerkschaften fordern mehr Verteilungsgerechtigkeit durch höhere Besteuerung von Vermögen und armutsfeste Sozialleistungen.

04.12.2025

Deutschlands Wohlstand und seine Schattenseiten – 13 Millionen Menschen leben in Armut

Die Zahlen des „Paritätischen Armutsberichts 2025“ sind eindeutig: 13 Millionen Menschen in Deutschland müssen mit einem Einkommen auskommen, das nicht ausreicht, um in angemessener Weise am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Das entspricht etwa jedem siebten Einwohner. Besonders alarmierend ist der Anstieg der Armutsquote von 2023 auf 2024 um 1,1 Prozentpunkte auf nunmehr 15,5 Prozent. Für ein reiches Industrieland wie Deutschland ist diese Entwicklung ein sozialpolitisches Armutszeugnis.

Nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes waren 2024 rund 17,6 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Als arm gilt dabei, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Diese Grenze lag 2024 für Alleinstehende bei 1.378 Euro netto im Monat, für eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2.893 Euro. Doch die bloße Betrachtung der nominalen Zahlen verschleiert die Dramatik der Lage.

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Denn die Kaufkraft der Armutsbetroffenen ist in den vergangenen Jahren massiv gesunken. Während das mittlere Einkommen von Personen unterhalb der Armutsgrenze im Jahr 2020 noch bei 981 Euro monatlich lag, sind es 2024 preisbereinigt nur noch 921 Euro. Die Inflation hat also vor allem diejenigen getroffen, die ohnehin am wenigsten haben. Die nominelle Armutsschwelle von 1.381 Euro für 2024 entspricht real nur 1.158 Euro und liegt damit deutlich unter dem Wert von vor vier Jahren. Menschen, die bereits arm sind, werden also noch ärmer.

Die Betroffenengruppen zeichnen ein klares Bild sozialer Ungleichheit. Alleinerziehende tragen mit einer Armutsquote von 27 Prozent ein besonders hohes Risiko, ebenso Alleinlebende mit 29 Prozent. Junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren sind zu fast einem Viertel armutsgefährdet, ältere Menschen ab 65 Jahren zu 19,4 Prozent. Frauen sind durchgängig stärker betroffen als Männer, vor allem junge Frauen und Seniorinnen. Die Gründe dafür liegen in häufigerer Teilzeitarbeit, geringeren Löhnen und niedrigeren Rentenansprüchen, die im Durchschnitt rund 30 Prozent unter denen der Männer liegen.

Besonders problematisch ist die räumliche Konzentration von Armut. Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinen Analysen betont, leben ärmere Menschen häufiger in Quartieren mit schlechterer Infrastruktur. Fehlende Kitas, schlechte Verkehrsanbindung und mangelnde Bildungsangebote schränken die Teilhabechancen zusätzlich ein. Armut ist damit nicht nur eine Frage des Geldbeutels, sondern auch des Wohnorts. Diese räumliche Segregation verfestigt soziale Ungleichheit über Generationen hinweg.

Über die Hälfte der erfassten Arbeitslosen lebt in Armut. 2024 bezogen rund 1,75 Millionen arbeitslose, aber erwerbsfähige Personen Bürgergeld – der höchste Stand seit 2016. Doch nicht alle Bürgergeld-Beziehenden sind arbeitslos. Viele nehmen an Qualifizierungsmaßnahmen teil, pflegen Angehörige oder gehen bereits einer Erwerbstätigkeit nach, deren Einkommen jedoch nicht zum Leben reicht. Diese sogenannten „Aufstocker“ geraten in die Niedriglohnfalle und bleiben trotz Vollzeitarbeit armutsgefährdet.

Ein Blick auf die Vermögensverteilung offenbart das eigentliche Ausmaß der Schieflage. Während 13 Millionen Menschen in Armut leben, gibt es in Deutschland 1,6 Millionen Millionäre. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist zwischen 2005 und 2024 deutlich gestiegen, doch die Armutsquote blieb auf konstant hohem Niveau. Wirtschaftliches Wachstum führt offenbar nicht automatisch zu weniger Armut. Im Gegenteil: Der Wohlstand konzentriert sich zunehmend an der Spitze, während die unteren Einkommensschichten abgehängt werden.

Gewerkschaften und Sozialverbände fordern deshalb eine grundlegende Neuausrichtung der Sozialpolitik. Eine stärkere Besteuerung hoher Vermögen könnte die öffentlichen Kassen füllen und Investitionen in benachteiligte Quartiere ermöglichen. Armutsfeste Sozialleistungen müssten sicherstellen, dass niemand mehr in materieller Entbehrung leben muss. Derzeit können sich 5,2 Millionen Menschen in Deutschland keine warme Wohnung oder ausreichend Kleidung leisten. Die ungleiche Vermögensverteilung untergräbt nicht nur materielle Chancen, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Teilhabe.

Die Politik steht vor der Herausforderung, den Teufelskreis aus Armut, schlechter Infrastruktur und mangelnden Aufstiegschancen zu durchbrechen. Solange wirtschaftlicher Erfolg nicht bei allen ankommt, bleibt die soziale Spaltung eine Gefahr für die Stabilität der Gesellschaft. Die aktuellen Zahlen zeigen eindeutig: Deutschland kann sich seinen Reichtum leisten – aber offenbar nicht dessen gerechte Verteilung.

Quelle: UD
 

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