09/25: Wie es um die CSRD-Pflicht für Unternehmen steht
In Europa wird die geplante Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen weiter präzisiert, verschoben und zugleich ins Gesetz gegossen. Die Debatte um die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) macht deutlich, dass Brüssel das Kunststück vollbringen will, gleichzeitig Bürokratie abzubauen und für mehr Klarheit zu sorgen – ein Spagat, der schon in anderen Politikfeldern erstaunlich oft an den eigenen Verordnungen gescheitert ist.
24.09.2025
In Deutschland wurde der Gesetzgebungsprozess zur Umsetzung der CSRD nach einer Phase der Blockade erneut in Gang gesetzt. Ein neuer Referentenentwurf aus dem Justizministerium knüpft weitgehend an die Entwürfe von Mitte 2024 an und greift die jüngsten europäischen Entwicklungen auf. Er sieht eine Staffelung der Berichtspflicht ähnlich der europäischen Vorgaben vor. Kapitalmarktorientierte Unternehmen mit über 500 Beschäftigten sollen spätestens ab dem Geschäftsjahr 2027 berichten müssen, sofern sie unter die zweite Welle fallen. Die erste Welle bleibt auch im deutschen Entwurf von den geplanten erleichterten Anforderungen ebenso betroffen wie im europäischen Modell. Kapitalgesellschaften mit bis zu 1.000 Mitarbeitenden werden für zwei Jahre von der Pflicht freigestellt, während kleinere Unternehmen grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich herausfallen könnten.
Der Entwurf regelt darüber hinaus Umfang, Format und Prüfpflicht. Die Nachhaltigkeitsberichte sollen künftig Bestandteil des Lageberichts sein, in das elektronische einheitliche Format ESEF integriert und mit maschinenlesbaren XBRL-Tags versehen werden. Damit soll die Verwertbarkeit der Daten deutlich steigen. Die Prüfungspflicht soll Wirtschaftsprüfern vorbehalten sein, erfolgt mit begrenzter Sicherheit („Limited Assurance“) und wird in einem Prüfungsvermerk dokumentiert.
Viele Unternehmen, besonders aus dem Mittelstand, bereiten sich bereits freiwillig auf eine Berichterstattung vor. Eine Studie zur Nachhaltigkeit im Mittelstand belegt, dass rund 62 Prozent der mittelständischen Firmen bereits eigene Nachhaltigkeitsberichte erstellen, obwohl sie dazu bislang nicht gesetzlich verpflichtet sind. Die EU-Kommission empfiehlt ihnen nun offiziell die Nutzung des sogenannten „VSME-Standards“ – einen freiwilligen Standard, der speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entwickelt wurde. Dieser Standard soll den Mittelstand befähigen, gängige Anforderungen entlang der Wertschöpfungskette strukturierter zu erfüllen und gegenüber Partnern ihre Nachhaltigkeitsleistung verständlich zu machen.
Während Unternehmen sich somit proaktiv auf künftige Verpflichtungen einstellen, verändert sich auch der gesetzliche Rahmen in rascher Folge. Die sogenannte Omnibus-Initiative hat die gesamte Dauer der Umsetzung überarbeitet und beeinflusst, welche Unternehmen nun wann berichten müssen. Mit dem „Quick-Fix“-Delegated-Act wurden Bestimmungen angepasst und Berichtsfristen zeitlich verschoben. Unternehmen der ersten Berichterstattungswelle, gesetzlich erstmalig für das Geschäftsjahr 2024 verpflichtet, dürfen zeitweise zunächst auf bestimmte komplexe Angaben verzichten, etwa zu Biodiversität, Lieferketten, betroffenen Gemeinden und Endnutzern – allerdings nur bis zum Geschäftsjahr 2026 beziehungsweise 2027. Für Themen, die als wesentlich gelten, bleibt die Pflicht zur Berichterstattung über Kernaspekte bestehen.
Kleine und mittlere Unternehmen sind bislang nicht gesetzlich verpflichtet, Berichte zu erstellen. Viele werden im Geschäftsverkehr jedoch schon heute laut DIHK nach Nachhaltigkeitsinformationen gefragt. Für sie stellt der VSME eine praxisnahe Option dar, um Anforderungen in externen Lieferketten einfacher zu beantworten. Der Standard enthält ein Basismodul und ein optionales Zusatzmodul mit Umwelt- und Sozialkennzahlen sowie strategischen Elementen. Der Bericht nach VSME erfolgt idealerweise jährlich zusammen mit dem Jahresabschluss, Vergleichswerte zum Vorjahr gehören ab dem zweiten Jahr dazu. Anzeigen nach dem Basismodul erfolgen gegebenenfalls nach dem „falls zutreffend“-Prinzip, um Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
Der VSME wurde von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt. In einem Konsultationsprozess mit Pilotunternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Regionen wurden Praxistauglichkeit und Verständlichkeit getestet. Unternehmen mit 20 bis 200 Beschäftigten zeigten sich offen für den Standard. Unterstützung durch Excel-Vorlagen, Leitfäden und Erklärvideos flankiert den Normungsprozess. Der Standard soll im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden – rechtlich verbindlich könnte er werden, wenn er aus der Empfehlung in eine delegierte Verordnung überführt wird.
Die Gesamtdynamik zeigt einen klaren Trend: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird für eine Vielzahl von großen Unternehmen verpflichtend. Für kleinere Betriebe ändert sich die Situation dagegen graduell. Viele erteilen dem freiwilligen Standard aus praktischen Gründen den Vorzug, während das Gesetzgebungsverfahren auf nationaler und EU-Ebene weiterläuft. Ob die angestrebte Balance zwischen Transparenz und Entlastung tatsächlich gelingt, hängt davon ab, wie kompatibel Rechtsprechung, Standardsetting und administrative Machbarkeit miteinander verknüpft werden. In dieser Phase ist Beobachtung wichtiger denn je. Fragen, die noch offen sind: Wird der VSME tatsächlich verbindlich? Entstehen zusätzliche Unterstützungsangebote für Unternehmen? Laufen die Verfahren in Deutschland und auf EU-Ebene synchron? Die Antworten werden zeigen, wie tragfähig das Konzept der betrieblichen Nachhaltigkeitspflicht in der Praxis ist.