Warum Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen längst mehr ist als nur regulatorische Anforderung
Nachhaltigkeitsberichterstattung wandelt sich vom Bürokratie-Vorwurf zum strategischen Wettbewerbsvorteil. Experten beim Nachhaltigkeitskongress 2025 zeigen: Unternehmen, die mehr machen als vorgeschrieben, sichern sich entscheidende Vorteile bei Banken und Investoren. Integration ins Geschäftsmodell ist der Schlüssel zum Erfolg.
30.09.2025
Beim Nachhaltigkeitskongress 2025 des Verlags Dr. Otto Schmidt diskutierten Experten über die Transformation der ESG-Berichterstattung vom vermeintlichen Bürokratie-Monster zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Prof. Dr. Frank Ebinger vom Mittelstand-Digital Zentrum Franken, Sebastian Fischer von greenfield The Consulting Company und Prof. Dr. Henning Zülch von der HHL Leipzig Graduate School of Management beleuchteten dabei die praktischen Herausforderungen und strategischen Chancen moderner Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Integration statt Isolation
„Nachhaltigkeit darf kein Anhängsel sein“, betonte Ebinger zu Beginn der Diskussion. Viele Unternehmen behandelten das Thema noch immer als separaten Bereich, dabei müsse es integraler Bestandteil des Geschäftsmodells werden. „Wenn Sie sich ein kapitalmarktorientiertes Unternehmen anschauen, dann müssen Sie das in Ihrer Strategie, in Ihrer Kommunikation und auch in der wertorientierten Unternehmenssteuerung verankern“, so der Nürnberger Professor vom Mittelstand-Digital Zentrum Franken.
Besonders wichtig sei dabei die Kohärenz über alle Berichterstattungskanäle hinweg. „Mittlerweile sind wir im Zeitalter von LinkedIn und digitalen Geschäftsberichten angekommen. Kohärent mit einer Stimme, mit einer Message über alle Berichte hinweg – das zeichnet gute Unternehmen aus“, bestätigte auch Henning Zülch von der HHL Leipzig. Als Positivbeispiel führte er die Deutsche Telekom an, die das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich als Teil des Geschäfts verstehe und nicht als isoliertes Projekt behandle.
Managementbuy-in als Erfolgsfaktor
Sebastian Fischer von greenfield The Consulting Company machte deutlich, dass ohne Rückendeckung des Managements keine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie möglich sei. „Ohne das Management Buy-in müssen Sie sich über keine Datenquellen Gedanken machen, weil am Ende haben Sie auch eher eine Enttäuschung“, warnte der Senior Manager. Stattdessen empfahl er, in den ersten einhundert Tagen eines Nachhaltigkeitsprojekts zunächst zu klären, was das Management tatsächlich benötige.
Die Herangehensweise unterscheide sich dabei stark je nach Branche und Geschäftsmodell. „Wenn ich mir die Stahlproduktion anschaue, dann habe ich relativ lange bei Kohlendioxid-Emissionen zu kämpfen. Wenn ich dagegen in der Logistikbranche unterwegs bin, schaue ich vielleicht eher auf den Fuhrpark“, erläuterte Fischer die branchenspezifischen Ansätze.
Von der Compliance zur Transformation
Besonders interessant gestaltete sich die Diskussion über die aktuellen politischen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung. „Wir erleben momentan unterschiedliche Verhaltensweisen“, beobachtete Fischer. „Wir haben teilweise Aussagen von Unternehmen, die erhebliche Widerstände gegen die CSRD geleistet haben und dann kurz danach sagen: Na ja, aber wir machen das trotzdem weiter.“
Diese Entwicklung zeige, dass viele Unternehmen den langfristigen Wert einer systematischen Nachhaltigkeitsberichterstattung erkannt hätten. „Es geht vor allem um die Frage: Wie kann ich mein Geschäftsmodell resilienter machen? Wie kann ich meine Lieferketten sicherer gestalten? Wie schaffe ich es, dass Nachhaltigkeit mein Geschäftsmodell zukunftssicher macht, unabhängig von politischen Entscheidungen?“, so Fischer.
Kennzahlen mit Geschäftsbezug
Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Verknüpfung von ESG-Kennzahlen mit konkreten Managemententscheidungen. „Wenn man etwas Nachhaltiges machen und als Nachhaltigkeitsmanager durchsetzen will, muss man auch immer an die Zahlen denken“, mahnte Zülch. Nachhaltigkeitsmanager müssten verstehen, wie sich ihre Maßnahmen im Geschäftsmodell niederschlagen und welche finanziellen Auswirkungen sie haben.
Dabei seien sowohl kurz- als auch langfristige Perspektiven zu berücksichtigen. Während manche Nachhaltigkeitsinvestitionen erst langfristig Rendite brächten, könnten andere sofort Effizienzgewinne generieren. „Wenn Sie in der Produktion tätig sind und es geht darum, Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern, damit sich Unternehmen Mitarbeiter behalten können, dann haben Sie sofort eine quantifizierbare finanzielle Auswirkung“, erklärte der Leipziger Professor für Rechnungswesen, Controlling und Wirtschaftsprüfung.
Strukturierte Daten als Steuerungsinstrument
Während die externe Berichterstattung wichtig für Transparenz und Stakeholder-Kommunikation sei, liege der eigentliche Wert in der internen Nutzung der erhobenen Daten. „Ein strukturierter Output, mit dem man steuern kann, den man gut ableiten und auf verschiedenen Ebenen automatisieren kann – das ist die wirkliche Arbeit der Transformation“, betonte wiederum Ebinger.
Viele deutsche Unternehmen hätten noch nicht begriffen, dass sie ihre Geschäftsmodelle grundlegend transformieren müssten. „Schaffe ich es, meine Energie zu sichern? Schaffe ich es, meine Produktionskapazitäten effizienter aufzustellen, beispielsweise indem ich regenerative Energien nutze? Das sind die Fragen, die nachhaltige Manager beantworten müssen.“
Finanzmarkt als Treiber
Besonders deutlich wurde der Einfluss des Finanzmarkts auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Banken und Versicherungen entwickelten zunehmend eigene Standards und übten entsprechenden Druck auf ihre Kunden aus. „Die haben Standards, die machen so einen Druck, das können Sie sich gar nicht vorstellen“, schilderte Zülch seine Erfahrungen.
Gleichzeitig böten sich dadurch neue Chancen für Unternehmen mit einer proaktiven Nachhaltigkeitsstrategie. „Wenn ich proaktiv auf die Kreditinstitute und Versicherungen zugehe und mehr Informationen liefere, als sie erwarten, dann bin ich transparenter und mache es den Instituten einfacher, eine Entscheidung zu treffen“, erklärte Zülch das Prinzip der freiwilligen Zusatzinformationen.
Mehr machen als vorgeschrieben
Die zentrale Empfehlung des Panels lautete daher: „Machen Sie mehr, als Sie machen müssen.“ Unternehmen, die über die regulatorischen Mindestanforderungen hinausgingen, könnten sich deutliche Vorteile verschaffen. „Unabhängig von allen regulatorischen Anforderungen sollten Sie mehr machen“, riet Zülch den Teilnehmern. „Es sollten nicht 20.000 Kennzahlen sein, sondern für wesentliche Bereiche 35, die Sie im Griff haben und mit denen Sie steuern können.“
Diese erweiterte Berichterstattung ermögliche es Unternehmen, ihre finanzielle Stabilität und Zukunftsfähigkeit überzeugend darzustellen. Dabei gehe es nicht nur um Compliance, sondern um die Fähigkeit, das eigene Geschäftsmodell resilient und wettbewerbsfähig zu gestalten.
Die Diskussion machte deutlich, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung längst mehr ist als eine regulatorische Pflichtübung. Sie wird zunehmend zu einem strategischen Instrument, mit dem Unternehmen ihre Zukunftsfähigkeit unter Beweis stellen und sich Wettbewerbsvorteile sichern können.