Simplified ESRS: Weniger Datenpunkte, aber nicht weniger Aufwand
Die vereinfachten Nachhaltigkeitsstandards ESRS 2.0 versprechen 61 Prozent weniger Datenpunkte. Doch Experten warnen: Der Berichtsaufwand sinkt längst nicht im gleichen Maß. Besonders aufwendige Anforderungen wie Treibhausgasemissionen und Energieangaben bleiben bestehen, während der Shift zu prinzipienbasierter Berichterstattung neue Herausforderungen mit sich bringt.
16.12.2025
Als die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) Anfang Dezember 2024 die überarbeiteten European Sustainability Reporting Standards vorstellte, herrschte zunächst Erleichterung bei den berichtspflichtigen Unternehmen. Die Zahlen klingen verlockend: Die Datenpunkte wurden um 61 Prozent reduziert, alle freiwilligen Angaben gestrichen, und die Standards sind nun kürzer und leichter verständlich. Doch die Praxis zeigt ein differenzierteres Bild.
Aus zahlreichen Diskussionen mit Verantwortlichen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird deutlich, dass sich viele der zentralen Aufwandstreiber nicht einfach wegkürzen lassen. Der ESRS E1 zum Klimawandel wurde zwar von fast 40 auf 20 Seiten geschrumpft, doch die wirklich arbeitsintensiven Komponenten bleiben erhalten. Unternehmen müssen nach wie vor detaillierte Angaben zu Treibhausgasemissionen über alle Scopes hinweg machen, ihren Energieverbrauch offenlegen und Maßnahmen zur CO2-Entfernung dokumentieren.
Diese Anforderungen machen ESRS E1 zum umfangreichsten aller Standards, denn anders als bei anderen Themen können Unternehmen den Klimawandel kaum als unwesentlich einstufen. Wer es dennoch versucht, muss eine detaillierte Begründung liefern und aufzeigen, unter welchen künftigen Bedingungen das Thema doch wesentlich werden könnte.
Mehr Freiheit bedeutet mehr Verantwortung
Ein zweischneidiges Schwert ist der Übergang von regelbasierten zu prinzipienbasierten Standards. Während dieser Ansatz in den Diskussionen grundsätzlich begrüßt wird, da er den Unternehmen mehr Spielraum in der Auslegung gibt, birgt er auch neue Herausforderungen. Die Standards sind nicht mehr als Checkliste zu verstehen, sondern erfordern deutlich mehr Ermessensentscheidungen.
Diese Freiheit hat ihren Preis: Jede Entscheidung muss nachvollziehbar dokumentiert werden. Die Berichterstattung muss im Sinne und Zweck der Vorschriften dienlich sein und transparent belegen, wie die Unternehmen zu ihren Schlussfolgerungen gekommen sind. Paradoxerweise kann mehr Ermessensspielraum also durchaus zu einem höheren Dokumentationsaufwand führen.
Zwei Geschwindigkeiten in der Umsetzung
Die Auswirkungen der vereinfachten Standards unterscheiden sich je nachdem, in welcher Phase sich die Unternehmen befinden. Die sogenannten Welle-eins-Unternehmen, die bereits für das Geschäftsjahr 2024 berichtspflichtig waren und nun im zweiten Jahr ihrer CSRD-Berichterstattung stehen, können von den Neuerungen zunächst nur begrenzt profitieren. Abgesehen von einigen Klarstellungen werden sich für sie beim aktuellen Berichtsjahr keine wesentlichen Änderungen ergeben.
Dennoch sollten diese Pioniere die Übergangsphase nutzen, um eine gründliche Analyse des Änderungsbedarfs durchzuführen. Welche Anpassungen sind zwingend erforderlich? Was sollte freiwillig optimiert werden? Besonders wichtig ist dabei der Blick aufs Detail: Selbst kleine Änderungen in den Definitionen können erhebliche Auswirkungen auf die Key-Performance-Indicators haben.
Für Welle-zwei-Unternehmen, die ursprünglich für das Geschäftsjahr 2025 erstmals berichten sollten, hängen die konkreten Empfehlungen stark vom jeweiligen Fortschritt ab. Haben sie bereits eine Double-Materiality-Assessment (DMA) durchgeführt oder stehen sie noch ganz am Anfang ihrer Nachhaltigkeitsreise?
Der richtige Einstieg bleibt entscheidend
Unabhängig vom Stand der Vorbereitungen bleibt die Wesentlichkeitsanalyse der richtige Startpunkt. Unternehmen sollten die DMA nun jedoch bereits vor dem Hintergrund der vereinfachten ESRS durchführen, um sich von Beginn an auf die wirklich wesentlichen Themen zu konzentrieren. Wer seine Wesentlichkeitsanalyse bereits abgeschlossen hat, sollte den gewählten Ansatz kritisch überprüfen: Passt er noch zu den Anforderungen der ESRS 2.0?
Bei der eigentlichen Berichterstattung gilt dann der Grundsatz: Konzentration auf das Wesentliche. Die ESRS 2.0 sind zweifellos kürzer, leichter lesbar und in vielerlei Hinsicht einfacher als ihre Vorgänger. Doch gerade für Unternehmen ohne jahrelange Erfahrung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist Vorsicht geboten. Die Standards sollten keinesfalls unterschätzt werden.
Die vereinfachten ESRS sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein Freifahrtschein. Sie reduzieren die Komplexität, nicht jedoch die Notwendigkeit einer sorgfältigen, strategischen Herangehensweise an die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Unternehmen, die dies von Anfang an berücksichtigen, werden langfristig profitieren – nicht nur im Hinblick auf Compliance, sondern auch bei der Integration von Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsstrategie.