Omnibus-Verordnung schwächt Europas Klimavorreiterrolle
PRIMAKLIMA kritisiert die geplante Omnibus-Verordnung, da sie zentrale Berichtspflichten der CSRD um zwei Jahre verschiebt und viele Unternehmen ganz herausnimmt. Das sende ein falsches Signal, schwäche Europas Vorreiterrolle im Klimaschutz und gefährde Wettbewerbsvorteile. Viele Unternehmen seien bereits vorbereitet – ein Rückschritt schade Klima, Biodiversität und sozialen Zielen.
23.04.2025

Wir sprechen mit Lars Forjahn (Vorstand) und Katharina Widemann (Unternehmenskooperationen) von PRIMAKLIMA über regulatorische Entwicklungen und warum Unternehmen jetzt nicht nachlassen sollten, freiwillig etwas für den Klimaschutz zu tun.
PRIMAKLIMA ist vielen als gemeinnützige Organisation bekannt, die seit Jahrzehnten Bäume pflanzt. Was genau machen Sie – und warum beschäftigen Sie sich intensiv mit CSRD, Green Claims und Co.?


Lars: Wir setzen uns seit über 30 Jahren für Wälder und den Erhalt der Biodiversität ein – konkret mit vielfältigen Projekten in Ländern wie Nicaragua, Uganda oder auch bei uns in Deutschland. Im Rahmen unseres Spendenangebots legen wir unter anderem CO2-Zertifikate aus Aufforstungs- und Waldschutzprojekten für unsere Spender:innen still. Damit spielt auch der freiwillige CO2-Markt eine zentrale Rolle in unserer Arbeit.
Katharina: Viele unserer Partnerunternehmen nutzen diese Zertifikate als Baustein ihrer Klimastrategie – etwa, um ihren CO2-Fußabdruck auszugleichen. Doch in Zeiten von CSRD, Green Claims Directive und EmpCo-Richtlinie („Empowering Consumer For The Green Transition“) steht dieser Markt vor großen Veränderungen – oder besser, ist schon mittendrin. Deshalb verfolgen wir die regulatorischen Entwicklungen sehr genau. Denn sie verändern massiv, wie Unternehmen über Klimaschutz sprechen dürfen – und damit auch, wie wir unser Spendenangebot gestalten und die Unternehmen beraten, die sich engagieren wollen.
Die CSRD ist aktuell wegen der „Omnibus-Verordnung“ wieder ein großes Thema. Der Vorstoß, hier sowie bei der EU-Taxonomie und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) Bürokratie abzubauen, wird von Kritikern als Verwässerung des Green Deals angekreidet. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Veränderungen für Unternehmen?
Lars: Die CSRD bringt eine tiefgreifende Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – und zwar sehr konkret und datengestützt. Unternehmen müssen zeigen, wie sich ihr Geschäftsmodell auf Umwelt, Gesellschaft und Governance auswirkt und umgekehrt. Durch die geplante Omnibus-Verordnung, angestoßen durch die EU-Kommission, werden sich nun voraussichtlich Berichtspflichten um zwei Jahre nach hinten verschieben und ein Großteil der Unternehmen allein angesichts des Schwellenwertes von 1.000 Mitarbeitenden ganz aus der Berichtspflicht genommen. Aus meiner Sicht ist dies das falsche Signal an die Wirtschaft, auch wenn wir eine Vereinfachung und Zusammenführung der unterschiedlichen Verordnungen grundsätzlich unterstützen.
Katharina: Die meisten betroffenen Unternehmen sind längst mitten in den Vorbereitungen und haben Kapazitäten aufgebaut. Das verschafft ihnen nicht zuletzt Wettbewerbsvorteile, da die Berichterstattung immer auch einen Blick in die Risiken von Geschäftsmodellen ermöglicht – sowie einen rechtzeitigen strategischen Umgang mit diesen Risiken. Zudem nimmt sich die EU unnötigerweise den Vorteil des bereits aus der Vergangenheit bekannten „Brüssel-Effekts“: Die EU setzt Normen, die auf globaler Ebene übernommen werden. Dabei haben europäische Firmen den Vorteil, sich als Erstes um die Einhaltung dieser Normen gekümmert zu haben, während andere Unternehmen erst noch nachziehen müssen. Man kann das konkret bei der Umsetzung des chinesischen Nachhaltigkeits-Reportings CSDS („Chinese Sustainability Disclosure Standards“) beobachten. Am Ende riskieren wir, dass europäische Unternehmen sich an die Anforderungen anderer Länder anpassen müssen, obwohl diese eigentlich in großen Teilen dem Konzept der ESRS der EU gefolgt sind. So wird ein Standortvorteil leichtfertig aus der Hand gegeben zum Nachteil aller, vor allem natürlich von Klima, Biodiversität und Sozialem. Das letzte Wort ist hier allerdings noch nicht gesprochen. Es bleibt abzuwarten, was das EU-Parlament im Sommer entscheidet.
Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist es eine große Herausforderung, sich mit immer wieder neuen Vorgaben auseinandersetzen zu müssen. Was bekommen Sie da von Ihren Spenderunternehmen mit?
Lars: Wir stehen mit vielen Unternehmen im direkten Austausch und spüren viel Unsicherheit. Zwar werden KMUs formal teilweise aus der CSRD herausgenommen, doch die Themen Nachhaltigkeit und Berichterstattung verschwinden damit nicht. Viele Konzerne erwarten von ihren Zulieferern eine Berichterstattung, ob diese nun verpflichtend ist oder nicht. Gleiches gilt für die Erwartungen anderer Stakeholder wie Kapitalgeber, Versicherungen, Kunden und Mitarbeitende.
Katharina: Standards wie der „Voluntary SME Standard“ (VSME) rücken daher gerade mehr in den Fokus. Im Vergleich zu dem ESRS-Standard gibt der VSME im Basismodul ein niederschwelliges Niveau vor, auf welchem berichtet wird. Für manche KMUs führen die neuen Vorgaben also eher zu einer Verschiebung und Vereinfachung der Berichterstattung, andere ziehen sich vielleicht ganz zurück. Gerade jetzt ist es entscheidend, dass Unternehmen nicht in eine Wartestellung verfallen – nicht nur für den eigenen Wettbewerbsvorteil, sondern auch zur Risikoabwehr. Die meisten Unternehmen sind schließlich irgendwo von Ökosystemdienstleistungen abhängig.