Lieferkettengesetze: Keine ökonomischen Nachteile laut Langzeitstudie
Behauptete Wirtschaftsschäden bleiben aus: Eine Studie der Universitäten Zürich und Glasgow zu über 11.000 französischen Unternehmen zeigt, dass Gesetze zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten keine langfristigen ökonomischen Nachteile verursachen.
30.07.2025
Internationale NGOs drängen Unternehmen dazu, ihre Lieferketten auf Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu prüfen. Ziel ist es, auszuschließen, dass Zulieferer Kinder- oder Zwangsarbeit einsetzen, Umweltverstöße begehen oder Sicherheitsvorschriften missachten. Der Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch im Jahr 2013, bei dem über tausend Menschen ums Leben kamen, verdeutlichte die Risiken – betroffen waren auch europäische Modeunternehmen wie Mango, C&A, Primark oder KIK. Als Reaktion darauf führten Länder wie Frankreich und Deutschland gesetzliche Regelungen zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht ein. Die EU verabschiedete 2024 eine entsprechende Richtlinie, in der Schweiz gilt seit 2022 eine Verordnung zu Sorgfaltspflichten und Transparenz bei Mineralien aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit.
Frankreich: Lieferkettengesetz seit 2017 in Kraft
Gesetze zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht sollen grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards sichern, stoßen jedoch auf Kritik. Aus Wirtschaftskreisen wird häufig moniert, sie verursache zu viel Bürokratie und hohe Kosten. Ob diese Bedenken berechtigt sind, haben Christoph Steinert (Universität Zürich) und Bernhard Reinsberg (Universität Glasgow) untersucht.
Ihre Studie nimmt das französische Lieferkettengesetz aus dem Jahr 2017 unter die Lupe – das einzige Gesetz dieser Art, das lange genug in Kraft ist, um langfristige Auswirkungen zu bewerten. Betroffen sind Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden in Frankreich oder mehr als 10.000 weltweit. Sie sind verpflichtet, einen Sorgfaltsplan zu erstellen, der sämtliche Aktivitäten – einschließlich Tochterfirmen, Subunternehmen und Zulieferer – in Bezug auf Menschenrechte, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt abdeckt.
Keine Einbußen bei Gewinn und Umsatz
Die Auswertung von Daten aus mehr als 11.000 französischen Unternehmen zeigt: Das Lieferkettengesetz hat keine negativen Auswirkungen auf Gewinn oder Umsatz. Untersucht wurden vor allem Unternehmen knapp oberhalb und unterhalb der gesetzlichen Schwellenwerte von 5.000 beziehungsweise 10.000 Mitarbeitenden im Zeitverlauf. „Die vom Gesetz betroffenen Unternehmen haben im Durchschnitt genauso häufig Profite erzielt, wie solche, die keine unternehmerische Sorgfaltspflicht einführen mussten“, erklärt Christoph Steinert vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich. Einzig in der Phase vor dem Inkrafttreten des Gesetzes seien zum Teil höhere Unternehmenskosten erkennbar gewesen, weil gewisse Anpassungen gemacht werden mussten. „Es gibt jedoch keine Evidenz für langfristige und weitreichende negative ökonomische Effekte“, so Steinert.
Ergebnisse stellen Kritik der Wirtschaftslobby infrage
Die Studienergebnisse widersprechen der häufig geäußerten Annahme aus Wirtschaftskreisen, wonach Gesetze zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten zwangsläufig wirtschaftlich schaden. „So hat etwa auch der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz die baldige Abschaffung des deutschen und des europäischen Lieferkettengesetzes angekündigt“, so Steinert. Das Beispiel des französischen Gesetzes zeige jedoch, dass es möglich sei, wirtschaftlichen Erfolg mit dem Schutz grundlegender Menschenrechte und Umweltstandards zu vereinen.
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Originalpublikation:
Bernhard Reinsberg, Christoph Valentin Steinert. The French duty of vigilance law: reconciling human rights and firm profitability. Review of International Political Economy, 17 Jul 2025. DOI: 10.1080/09692290.2025.2519189