Kosmetik „Made in Germany“ und seine Herausforderungen
Das Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ genießt im Ausland hohes Vertrauen, während es im Inland teils weniger wahrgenommen wird. Dabei verbirgt sich hinter dem Gütesiegel weit mehr als nur ein Herkunftsstempel: Strenge gesetzliche Vorgaben, hohe ethische Standards und tiefgreifendes Know-how zeichnen beispielsweise Kosmetik „Made in Germany“ aus. Gleichzeitig entstehen Herausforderungen – von globalem Wettbewerbsdruck bis hin zu regulatorischen Hürden. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, wie komplex, aber auch leistungsfähig der Standort Deutschland in der Kosmetikproduktion ist.
24.09.2025
Von Miriam Hempel, Inhaberin NELE Kosmetik GmbH
Der Begriff „Made in Germany“ steht im Kosmetiksektor vor allem für Transparenz, Sicherheit und Vertrauen. Produkte, die in Deutschland hergestellt werden, unterliegen der EU-Kosmetikverordnung, einem der strengsten Regelwerke weltweit. Diese Vorschriften stellen sicher, dass alle Inhaltsstoffe gesundheitlich unbedenklich, tierversuchsfrei und entsprechend deklariert sind. In Kombination mit zusätzlichen Standards wie GMP (Good Manufacturing Practice) oder der DIN EN ISO 9001 ergibt sich ein hohes Maß an Verbraucherschutz und Produktqualität.
Doch „Made in Germany“ bedeutet nicht nur, dass die Herstellung in Deutschland stattfindet. Es schließt eine ethisch und qualitativ abgesicherte Lieferkette ebenso ein wie die Verpflichtung zur sorgfältigen Dokumentation, Sicherheitsbewertung und – im Zweifelsfall – Rückverfolgbarkeit jeder Charge.
Herausforderung 1: Globaler Wettbewerbsdruck und mangelnde Kontrolle
Ein zentrales Problem für deutsche Kosmetikhersteller ist der ungleiche Wettbewerb auf dem globalen Markt – insbesondere im Vergleich zu Anbietern aus den USA oder China. Während europäische Produzenten strengen gesetzlichen Vorgaben unterliegen und deren Einhaltung umfassend dokumentieren müssen, gelangen Produkte aus Drittländern häufig über den Onlinehandel auf den deutschen Markt, ohne einer vergleichbaren Kontrolle zu unterliegen. Zwar gelten theoretisch für alle Produkte im europäischen Raum die gleichen Regulierungen, doch in der Praxis mangelt es an wirksamen Prüfmechanismen. So können Kosmetika mit in der EU nicht zugelassenen Inhaltsstoffen – etwa bestimmten Aluminiumverbindungen oder zu großen Pigmentpartikeln – ungehindert über Plattformen wie Temu vertrieben werden. Für in Deutschland produzierende Unternehmen bedeutet dies einen deutlichen Wettbewerbsnachteil: Sie stehen für geprüfte Qualität und Produktsicherheit ein, während importierte Ware nicht immer den gleichen Standards gerecht wird.
Herausforderung 2: Komplexe und sich ständig ändernde Regulatorik
Ein weiteres Merkmal der deutschen und europäischen Kosmetikbranche ist die hohe regulatorische Dichte. Änderungen in der Gesetzgebung – etwa neue Verpackungsrichtlinien oder Verbote bestimmter Stoffe – bedeuten für Hersteller teils erhebliche Investitionen:
- Neue Rezepturen müssen entwickelt, getestet und neu zugelassen werden.
- Bestehende Produkte müssen überprüft, angepasst und neu registriert werden.
- Ganze Chargen und Verpackungslösungen können obsolet werden.
Diese Prozesse kosten nicht nur Geld, sondern erfordern auch ein hohes Maß an Flexibilität und Fachwissen. Gleichzeitig bringen sie aber auch einen strategischen Vorteil: Die Auseinandersetzung mit diesen Vorgaben führt zu tieferem Know-how, gerade in spezialisierten Bereichen wie Naturkosmetik, Clean Beauty oder veganer Kosmetik.
Herausforderung 3: Rohstoffherkunft und Lieferkettengesetz
Zwar legt die Industrie zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit und ethische Beschaffung, doch die Umsetzung ist mitunter schwierig. Die meisten Rohstoffe – insbesondere Pigmente und exotische Pflanzenextrakte – stammen aus dem Ausland. Die vollständige Rückverfolgbarkeit, etwa im Sinne des deutschen Lieferkettengesetzes, ist besonders bei kleinen Chargen kaum zu gewährleisten. Die Realität: Kleine europäische Betriebe stoßen bei Rohstofflieferanten oft auf Ablehnung, wenn sie detaillierte Nachweise zu Produktionsbedingungen fordern. Die Forderung nach vollständiger Transparenz sollte daher nicht allein auf europäische Hersteller abgewälzt werden, sondern weltweit gelten – insbesondere bei Importware.
Stärke: Expertise durch Regulatorik
Trotz aller Herausforderungen entwickeln sich Unternehmen durch den permanenten Umgang mit der EU-Regulatorik zu hoch spezialisierten Anbietern. Die Entwicklung von Formulierungen, die gleichzeitig wirksam, stabil, tierversuchsfrei und gesetzeskonform sind, verlangt tiefgehendes Wissen – nicht nur in der Chemie, sondern ebenso in den Bereichen Verpackung, Verarbeitung und Qualitätssicherung. Die ständige Auseinandersetzung mit neuen Vorgaben und Einschränkungen fördert dabei eine besondere Stärke des Standorts Deutschland: Im Sinne von „Not macht erfinderisch“ entstehen innovative Lösungen, die für Präzision, Verantwortung und langfristiges Vertrauen stehen.
Schwäche: Fehlendes Marketing – ein unterschätzter Wettbewerbsfaktor
Ein wesentlicher Nachteil von „Made in Germany“ liegt weniger in der Produktqualität als im Marketing. Während amerikanische und asiatische Marken ihre Produkte emotional und trendbewusst positionieren, tut sich die deutsche Branche – oder die deutsche Politik – oft schwer damit, die eigenen Stärken zu kommunizieren. Das Qualitätsversprechen „Made in Germany“ wird im internationalen Raum zwar geschätzt – doch es fehlt an sichtbarer Kommunikation dessen, was dieses Label tatsächlich bedeutet: Nachhaltigkeit, Transparenz, Sicherheit und ethische Verantwortung.
Fazit: Qualität braucht Rückendeckung
Kosmetik „Made in Germany“ steht für verantwortungsvolle Herstellung, höchste Standards und fundiertes Fachwissen. Doch um im globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es mehr als nur gute Produkte:
Die EU und deutsche Politik müssen bessere Kontrollmechanismen für Importe schaffen und durchsetzen.
- Die Branche selbst sollte ihre Kommunikation stärken und das Label „Made in Germany“ emotional aufladen.
- Der Konsument ist gefordert, Qualität über Preis zu stellen – und Vertrauen in die strengen Standards Europas zu entwickeln.
Solange die gesetzlichen Vorgaben weiterhin einseitig greifen und internationale Wettbewerber weniger streng geprüft werden, droht „Made in Germany“ nicht an Wert, sondern an Sichtbarkeit zu verlieren. Dabei wäre es an der Zeit, stolz auf diese Qualität zu sein – und sie als Verkaufsargument wieder neu zu positionieren.