Green Claims Directive auf Eis – doch der Kampf gegen Greenwashing geht weiter
Die geplante Richtlinie über Green Claims steht auf der Kippe. Die EU-Kommission hat im Juni 2025 die bereits im finalen Verhandlungsstadium befindliche Initiative vorläufig ausgesetzt. Offiziell handelt es sich um eine Pause, doch viele Beobachter sprechen von einem Aspekt der Amtssicherungspolitik. Die Kommission signalisierte, sie könne den Vorschlag vollständig zurückziehen, falls er in seiner bisherigen Form verabschiedet würde.
24.09.2025
Besonders die Einbeziehung von rund 30 Millionen Mikrounternehmen im gesamten Europäischen Binnenmarkt hatte heftige Kritik ausgelöst: Die administrative Belastung sei für diese Unternehmen nicht zu stemmen. Einige Mitgliedsstaaten zogen daraufhin ihre Unterstützung zurück, das bereits für Ende Juni angesetzte Dreigesprächstreffen zwischen Parlament, Kommission und Ratspräsidentschaft wurde abgesagt. Damit geriet dieGreen Claims Directive in einen Schwebezustand.
Auch wenn die Kommission die Möglichkeit eines Rückzugs nicht ausgeschlossen hat, wurde von offizieller Seite mehrfach betont, der Vorschlag sei noch nicht vom Tisch. Der Präsident der Kommission, Ursula von der Leyen, habe sich nach wie vor zur Initiative bekannt. Die eigentliche Debatte dreht sich nun um die Frage, wie der Entwurf angepasst werden kann, ohne sein Ziel zu verfehlen. Vor allem die Anforderungen an externe Überprüfungen und die möglichst breite Abdeckung von Unternehmen werden diskutiert.
Paradoxerweise driftet der Green Claims Vorschlag nur wenige Monate nach dem Inkrafttreten einer anderen wichtigen Regelung, der Empowering-Consumers-Directive, in die Krise. Diese Richtlinie, auch EmpCo genannt (EU-Richtlinie 2024/825), verpflichtet Mitgliedsstaaten dazu, Verbraucherrechte zu stärken. Ab September 2026 gelten in allen EU-Ländern verschärfte Regeln gegen irreführende Umweltwerbung. Allgemeine Begriffe wie „grün“, „nachhaltig“ oder „klimafreundlich“ dürfen nur verwendet werden, wenn sie klar definiert und nachweisbar sind. Kompensationsbehauptungen wie „klimaneutral“ gelten nur, wenn die gesamte Produktlebensdauer betrachtet wird und der Plan zur Umsetzung durch eine externe Stelle verifiziert wurde. Will-die-Zukunft-Leistung-Aussagen wie „Wir sind bis 2050 klimaneutral“ müssen solide, nachvollziehbar und extern bestätigt sein. Auch die Nutzung von selbst geschaffenen Nachhaltigkeitssiegeln wird stark eingeschränkt, sofern sie nicht unabhängiger Dritter unterliegen.
Damit hat die EU bereits begonnen, den Greenwashing-Dschungel zu lichten. Die Empowering-Consumers-Richtlinie liefert klare Regeln für umweltbezogene Werbung und schafft eine Basis, auf der weitere, speziellere Vorschriften aufbauen könnten. Anders als bei dieser bereits verabschiedeten Richtlinie bleibt beim Green Claims Entwurf der Stand unsicher. Sollte er nicht in absehbarer Zeit reformiert und zur Abstimmung gebracht werden, könnte dessen Fehlen Lücken in der europäischen Regulierung entstehen lassen – insbesondere dort, wo sehr spezifische Nachweispflichten und Zertifizierungsstandards erforderlich sind.
Die Diskussion über Green Claims ist nicht nur technisch, sie ist hoch politisch. Wirtschaftslobbyisten warnen vor Kosten, die gerade kleine Betriebe überfordern könnten. Erfahrungsberichte aus der Praxis zeigen, dass die Vorbereitung und Verifizierung von Umweltaussagen teuer und komplex sein kann. Einige Branchenvertreter fordern daher praxisnahe Lösungen, etwa gestaffelte Pflichten je nach Unternehmensgröße oder Unterstützungssysteme wie staatliche Verifizierungsstellen.
Trotz des stockenden Verfahrens bleibt eine zentrale Erkenntnis bestehen: Wer beim Thema Nachhaltigkeit ernstgenommen werden will, braucht klare Regeln. Verbraucher brauchen Vertrauen. Vor allem dann, wenn Begriffe wie „klimaneutral“, „recycelt“ oder „umweltfreundlich“ in der Werbung auftauchen. Bis zum Herbst 2026 greift die Empowering-Consumers-Richtlinie verbindlich. Ohne den Green Claims Entwurf fehlen dann möglicherweise verbindliche Nachweise für Umweltaussagen, was Spielräume für zweifelhafte Werbung offenlässt.
In dieser Situation müssen Politik, Behörden und Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen. Eine Rückkehr zu grober Begriffsverwendung und vagen Werbeversprechen wäre nicht nur ein Rückschritt für den Verbraucherschutz. Sie könnte Europas Kompetenz im globalen Nachhaltigkeitswettbewerb beschädigen. Wenn es gelingt, den Green Claims Entwurf mit Augenmaß zu überarbeiten und den administrativen Aufwand zu reduzieren, könnte die EU einen ausgewogenen Weg finden: effektiv gegen Greenwashing, ohne Unternehmen zu lähmen.