EVP stellt sich gegen von der Leyens Anti-Greenwashing-Pläne
Ein Brüsseler Machtkampf um die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Produkte spitzt sich zu – und trifft die Kommissionspräsidentin ins eigene Lager. Die konservative EVP-Fraktion fordert den Stopp der geplanten EU-Richtlinie gegen Greenwashing. Damit gerät Ursula von der Leyens „Green Deal“ auch politisch unter Druck – ausgerechnet aus ihrer eigenen Parteifamilie.
25.06.2025

Mit der sogenannten „Green Claims Directive“ wollte die Europäische Kommission irreführender Umweltwerbung einen Riegel vorschieben. Unternehmen sollten künftig belegen müssen, dass ihre Umweltversprechen – etwa „klimaneutral“, „biologisch abbaubar“ oder „umweltfreundlich“ – wissenschaftlich fundiert sind. Vorgesehen war eine verpflichtende Vorabprüfung durch unabhängige Stellen, ein Verbot nicht zertifizierter Öko-Label und strengere Transparenzanforderungen. Der Entwurf galt als Meilenstein im Kampf gegen Greenwashing – doch jetzt droht das Projekt zu scheitern.
Kritik aus den eigenen Reihen: EVP fordert Stopp
In einem Brief an die EU-Kommission stellt sich nun die Europäische Volkspartei (EVP) offiziell gegen die Green Claims Directive. Die Fraktionsmitglieder – darunter die schwedische Abgeordnete Arba Kokalari und ihre tschechische Kollegin Danuše Nerudová – kritisieren das Gesetz als „überkomplex“, „bürokratisch“ und „wirtschaftsfeindlich“. Die Vorabverifizierung von Umweltbehauptungen sei ein innovationshemmender Eingriff in den Binnenmarkt. Die EVP fordert eine vollständige Folgenabschätzung und warnt vor „regulatorischer Überforderung“ kleiner und mittlerer Unternehmen.
Dabei hatten sich viele Verbraucher- und Umweltorganisationen von der Richtlinie klare Fortschritte erhofft. Studien der Kommission hatten ergeben, dass 53 Prozent aller Umweltversprechen auf Produkten nicht durch Fakten gestützt sind. Private Umweltlabels – mehr als 200 gibt es EU-weit – sind oft undurchsichtig und kaum reguliert. Das geplante Gesetz sollte genau hier ansetzen: Mehr Klarheit, weniger Greenwashing, mehr Verbraucherschutz.
Trilog-Gespräche unter Zeitdruck
Die EVP-Attacke trifft das Projekt zu einem sensiblen Zeitpunkt. In Kürze beginnen die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission, um die finale Gesetzesfassung auszuhandeln. Ohne die Unterstützung der größten Fraktion im Europaparlament, der EVP, ist eine Einigung kaum denkbar. Damit droht dem Gesetz eine spürbare Abschwächung – oder gar das Aus.
Von der Leyen in der Zwickmühle
Für Ursula von der Leyen ist der Vorstoß besonders heikel: Die CDU-Politikerin steht nicht nur an der Spitze der Kommission, sondern stammt selbst aus den Reihen der EVP. Die Forderung ihrer eigenen Fraktion, ein zentrales Vorhaben der europäischen Green-Deal-Agenda zu kippen, ist ein politischer Affront. Besonders pikant: Von der Leyen bewirbt sich gerade um eine zweite Amtszeit – und braucht dazu die Rückendeckung genau jener Fraktion, die ihr nun inhaltlich den Rücken kehrt.
Verbraucherschutz oder Wettbewerbsfalle?
Der Streit wirft eine grundsätzliche Frage auf: Wie lässt sich der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor falschen Umweltversprechen mit der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen vereinbaren? Während die Kommission auf Vertrauen durch Transparenz setzt, warnt die EVP vor einer Überregulierung, die besonders kleinere Anbieter belastet. Auch große Konzerne – insbesondere aus der Textil-, Kosmetik- und Verpackungsindustrie – hatten sich in Brüssel bereits gegen die Richtlinie positioniert.
Fazit: Richtungsentscheidung über Europas Green Deal
Die nächsten Wochen könnten entscheidend sein für die Frage, wie ernst es Europa mit dem Kampf gegen Greenwashing meint. Bleibt es bei freiwilligen Angaben und zahllosen intransparenten Siegeln – oder gelingt ein verbindlicher Ordnungsrahmen für ökologische Produktversprechen? Die „Green Claims Directive“ wäre ein wichtiger Baustein, um Nachhaltigkeit nicht dem Marketing zu überlassen. Dass ausgerechnet die EVP dieses Vorhaben blockiert, zeigt: Der Green Deal wird nicht nur in den Unternehmen, sondern auch im Zentrum der Macht verhandelt.