ESG im Logistiksektor
Die europäische Gesetzgebung im Bereich Environmental, Social and Governance (ESG) hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Dynamik entwickelt. Dies ist unter anderem auf den Europäischen Green Deal und die damit verbundenen rechtlichen Verpflichtungen zurückzuführen. In diesem Zusammenhang sieht sich die Logistikbranche als zentrales Element globaler Lieferketten mit steigenden gesetzlichen Anforderungen auf europäischer und nationaler Ebene konfrontiert. Die wichtigsten ESG-Vorgaben für die Transport- und Logistikbranche werden im Folgenden erläutert.
23.04.2025

Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und nationale Umsetzung
Ein zentraler Treiber der Nachhaltigkeitsanforderungen ist die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist. Sie ersetzt die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und soll sicherstellen, dass Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen umfassend, vergleichbar und transparent sind. Obwohl die CSRD aufgrund des hohen Dokumentationsaufwands kritisiert wird, schafft sie in wichtigen Bereichen mehr Klarheit.
Die Berichterstattung folgt dem Doppelten Wesentlichkeitsprinzip („Double Materiality“), das sowohl die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf die Nachhaltigkeit als auch die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen auf das Unternehmen berücksichtigt. Die Berichte müssen den Europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) entsprechen und von unabhängigen Stellen überprüft werden – zunächst mit begrenzter Prüfungssicherheit („limited assurance“) und später mit angemessener Prüfungssicherheit („reasonable assurance“).
Die CSRD wird schrittweise für verschiedene Unternehmensgrößen eingeführt. Die nationale Umsetzungsgesetzgebung ist jedoch noch nicht abgeschlossen, obwohl die Richtlinie bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen. Neben den Berichtspflichten sieht das nationale Umsetzungsgesetz spezifische Sanktionen bei Verstößen vor, darunter Geldbußen sowie persönliche Haftung von Geschäftsleitung und Aufsichtsrat bei fehlerhaften oder unzureichenden Angaben.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten und verpflichtet Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mindestens 1.000 Mitarbeitenden zur Einhaltung umfassender Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstößen entlang der Lieferkette.
Für die Logistikbranche sind insbesondere folgende Vorgaben relevant:
1. Sichere Arbeitsbedingungen
- Lieferanten müssen die Arbeits- und Ruhezeiten für Lkw-Fahrer einhalten.
- Arbeitsschutzvorgaben müssen beachtet werden, z. B. Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz.
2. Angemessene Entlohnung
- Subunternehmer müssen mindestens den gesetzlichen Mindestlohn oder eine vergleichbare Vergütung gemäß den gesetzlichen Vorgaben des Beschäftigungslandes zahlen.
- Dies gilt insbesondere für nicht-europäische Auftragnehmer.
3. Umweltschutz
- Maßnahmen zur Vermeidung von Luft- und Wasserverschmutzung sowie zur Reduzierung von Emissionen sind erforderlich.
- Die Pflicht zum Erwerb von Treibhausgaszertifikaten wird betont.
- Umweltfreundliche Lagerung, Sammlung und Entsorgung von Schadstoffen muss gewährleistet sein.
Zusätzlich schreibt das LkSG allgemeine Risikomanagementmaßnahmen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie die Einrichtung eines Beschwerdemechanismus vor. Unternehmen müssen ihre Maßnahmen laufend dokumentieren und jährlich an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) berichten. Verstöße können zu hohen Geldstrafen und einem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen für bis zu drei Jahre führen
Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
Im Juni 2024 wurde die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) als EU-weite Sorgfaltspflichtenrichtlinie verabschiedet. Die CSDDD unterscheidet sich in mehreren Punkten vom LkSG und wird eine Anpassung des deutschen Lieferkettengesetzes erforderlich machen.
Während das LkSG primär direkte Geschäftsbeziehungen berücksichtigt, kann die CSDDD auch indirekte Geschäftsbeziehungen einbeziehen. Unternehmen im Transport- und Logistiksektor müssen daher im Einzelfall prüfen, ob sie künftig unter die Anforderungen der neuen Richtlinie fallen. Die CSDDD muss bis Mitte 2026 in nationales Recht umgesetzt werden.
Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)
Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ist seit Mai 2023 in Kraft und soll ein CO2-Grenzausgleichssystem schaffen. Seit Januar 2024 gelten für Importeure umfassende Meldepflichten in Bezug auf die CO2-Emissionen, die bei der Produktion von Waren entstehen. Die entsprechenden Daten müssen von den Herstellern oder Lieferanten bereitgestellt werden.
Ab 2026 wird zudem die Pflicht zum Erwerb von CBAM-Zertifikaten eingeführt. Für den Logistik- und Transportsektor erhöhen sich dadurch die regulatorischen Anforderungen beim Import bestimmter Waren, insbesondere von Stahl oder Aluminium.
EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)
Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) wird ab Dezember 2024 für große und mittlere Unternehmen gelten und ab Juni 2025 auch für kleine und Kleinstunternehmen verpflichtend sein. Die Verordnung verbietet den Import, Vertrieb und Export bestimmter Rohstoffe, darunter:
- Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz,
- sowie daraus hergestellte Produkte wie Transportbänder, Reifen oder Dichtungen aus vulkanisiertem Gummi.
Unternehmen, die betroffene Waren exportieren – etwa als Ersatzteile –, müssen nachweisen, dass sie nachhaltig produziert wurden.
EU-Taxonomieverordnung
Unternehmen, die unter die CSRD fallen, sind auch zur Berichterstattung nach der EU-Taxonomieverordnung verpflichtet. Diese ist seit 1. Januar 2022 in Kraft und definiert einheitliche Kriterien für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten.
Ziel ist es, Greenwashing zu verhindern und eine vergleichbare Nachhaltigkeitsberichterstattung zu ermöglichen. Insbesondere Unternehmen aus der Logistikbranche, die sich auf emissionsarme Technologien oder nachhaltige Lieferketten konzentrieren, profitieren von der klaren Unterscheidung zwischen nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Investitionen.
Fazit
Die ESG-Anforderungen – insbesondere durch CSRD und LkSG – stellen die Logistikbranche vor erhebliche Herausforderungen. Die Umsetzung der Maßnahmen erfordert einen hohen administrativen Aufwand und zusätzliche Kosten. Unternehmen, die den Anforderungen nicht nachkommen, riskieren jedoch nicht nur Geldstrafen, sondern auch den Verlust von Geschäftsbeziehungen.
Eine nachhaltige Umsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten erfordert eine umfassende Berücksichtigung von Subunternehmerbeziehungen. Neben der Berichterstattung sind Transport- und Logistikunternehmen dazu verpflichtet, ihre Emissionen in der Lieferkette zu reduzieren, relevante Umweltvorgaben im gesamten Geschäftszyklus einzuhalten und Mitarbeiterschutzmaßnahmen zu stärken.
Da die Branche häufig wegen hoher Emissionen und schwieriger Arbeitsbedingungen kritisiert wird, ist die Einhaltung der ESG-Vorgaben nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.