Tchibo steigt auf Biobaumwolle um

Der Textilsektor ist für verantwortungsbewusste Unternehmen eine schwierige Branche. Neben Beschwerden über die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Asien gilt auch der intensive Anbau von Baumwolle als Problem für Mensch und Umwelt. Das Hamburger Handelshaus Tchibo will Textilien daher zukünftig verstärkt aus Biobaumwolle fertigen lassen. Anlässlich der Präsentation einer Wäschekollektion intensiviert Tchibo jetzt auch die Aufklärung für Verbraucher. UmweltDialog sprach mit Stefan Dierks, Category Leader Unternehmensverantwortung, über die Schwierigkeiten der Baumwollindustrie und die Verantwortung des eigenen Unternehmens.

24.07.2013

Stefan Dierks, Category Leader Unternehmensverantwortung bei Tchibo: „Unser Ziel: 100 Prozent Baumwolle aus umwelt- und sozialverträglichem Anbau.“ Foto: Tchibo
Stefan Dierks, Category Leader Unternehmensverantwortung bei Tchibo: „Unser Ziel: 100 Prozent Baumwolle aus umwelt- und sozialverträglichem Anbau.“ Foto: Tchibo

UmweltDialog: Viele Verbraucher kennen Tchibo vor allem als Hersteller von qualitativ hochwertigem Kaffee. In Ihren Shops und im Supermarkt bieten Sie aber auch Alltagsprodukte und Textilien an. Können Sie uns sagen, welche Bedeutung der Vertrieb von Textilien für das Unternehmen Tchibo hat?

Stefan Dierks: Das in den letzten Jahrzehnten entstandene Geschäftsmodell von Tchibo beinhaltet neben Röstkaffee unter anderem auch Gebrauchsartikel aus den verschiedensten Produktgruppen. Für unsere Kunden macht gerade diese Vielfalt unser Unternehmen so einzigartig. In diesem Zusammenhang sind Textilien eine wichtige Produktgruppe, die auch gerne nachgefragt wird: Nicht umsonst sind wir seit mehreren Jahren bei den Auswertungen der Textilwirtschaft immer unter den ersten zehn Textilhändlern in Deutschland.

UD: Tchibo hat angekündigt, Textilien in Zukunft nur noch aus nachhaltig produzierter Bio-Baumwolle anbieten zu wollen. Gibt es einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung? Wie ist der Stand der Dinge?

Dierks: Im vergangenen Jahr bestanden etwa 25 Prozent aller von uns angebotenen Baumwolltextilien zumindest anteilig aus Biobaumwolle, die verantwortungsvoll angebaut wurde. Für dieses Jahr haben wir noch keine genauen Zahlen, erwarten aber eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr.

Für die kommenden Jahre haben wir uns ein ambitioniertes Ziel gesetzt: So schnell wie möglich 100 Prozent unserer Baumwolltextilien aus verantwortlich angebauter Baumwolle produzieren zu lassen. Die Umsetzbarkeit dieser ambitionierten Zielvorgabe können wir allerdings nicht alleine beeinflussen, sondern sind auch von externen Faktoren abhängig. Da niemand Verfügbarkeiten, Markt- oder Preisentwicklung auf dem Baumwollmarkt exakt vorhersagen kann, kann ich Ihnen hier keine genaue Jahreszahl nennen. Momentan sind wir aber schon auf einem guten Weg.

UD: Bei der Durchführung arbeiten Sie auch mit Partnern - wie etwa Textil Exchange - zusammen. Welche Kriterien waren Ihnen bei der Auswahl wichtig?

Dierks: Tchibo arbeitet grundsätzlich nur mit Organisationen und Standards zusammen, die im Multistakeholderverfahren entwickelt wurden und auch kontinuierlich weiterentwickelt werden. Gerade in unserer Position ist es wichtig, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen mit einzubeziehen. Im Baumwollbereich hat Tchibo momentan drei Partner: Textil Exchange, die sich insbesondere beim Biobaumwollanbau engagieren, Cotton made in Africa, die sich um die Wettbewerbschancen der afrikanischen Baumwollfarmer kümmern und die Better Cotton Initiative, die sich weltweit für einen verantwortungsvollen Anbau von Baumwolle einsetzt.

UD: Aktuell bieten Sie eine Wäschekollektion aus nachhaltiger Baumwolle an. Dabei nutzen Sie zwei verschiedene Siegel: unter anderem den OE 100 Standard, der von der unabhängigen Organisation Textil Exchange vergeben wird. Es ist für Textilien gedacht, die aus mehr als 95 Prozent nachhaltiger Baumwolle hergestellt wurden. Wie kommt es zu diesem Wert und warum bieten Sie nicht Produkte aus 100 Prozent nachhaltiger Baumwolle an?

Dierks: Es ist natürlich auch möglich, Produkte aus 100 Prozent nachhaltiger Baumwolle anzubieten. Allerdings kann es abhängig vom Anwendungsbereich sinnvoll sein, auch andere Fasern beizumischen. In diesem speziellen Fall geht es um eine Wäschekollektion, bei der der Tragekomfort für die Kunden natürlich eine besondere Rolle spielt. Deshalb macht es in vielen Fällen Sinn, andere Stoffe wie zum Beispiel Elasthan beizumischen.

UD: Das zweite Siegel, auf das Sie bei der aktuellen Kollektion verweisen, ist der OE Blended Standard. Es gilt für Produkte, die aus mehr als fünf Prozent und weniger als 95 Prozent ökologisch produzierte Baumwolle bestehen. Wie nachhaltig ist Kleidung, die mit dem OE Blended gekennzeichnet ist?

Dierks: Der OE Blended Standard wird vor allem aus zwei Gründen verwendet: Zum einen, wenn bei einem Produkt zur Sicherstellung bestimmter Trageeigenschaften mehr als fünf Prozent andere Fasern als Baumwolle - wie zum Beispiel das bereits erwähnte Elasthan - beigemischt werden müssen. Zum anderen ermöglicht er es Unternehmen, auch bei schwieriger Verfügbarkeit oder Marktlage zumindest einen gewissen Anteil an Biobaumwolle an Produkten zu verwenden. Denn: Der Anteil der konventionell angebauten Baumwolle an der weltweiten Produktion liegt noch bei mehr als 95 Prozent, so dass die Verfügbarkeit von Biobaumwolle nicht immer in gleichem Maße gegeben ist. Wir bei Tchibo haben uns entschieden, für Produkte mit dem OE Blended Standard immer mindestens 50 Prozent Biobaumwolle zu verwenden.

UD: Welche Indikatoren werden während des Zertifizierungsprozesses überprüft?

Dierks: Für Biobaumwolle gelten sehr spezifische Vorschriften - wie sie in der EG Öko-Verordnung oder ähnlichen Regelungen festgehalten sind. Wesentliche Anforderungen für den kontrolliert biologischen Anbau sind etwa die ausschließliche Verwendung von organischem Dünger, biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln oder der Ausschluss von genmodifizierten Pflanzen.

Die Einhaltung der Kriterien wird durch zertifizierte und unabhängige Auditoren auf den Farmen vor Ort überwacht. In der Folge wird die Baumwolle sowie die daraus gefertigte Textilie über die Zulieferer, Produzenten und auch Händler begleitet. So wird im Rahmen dieser Zertifizierungskette geprüft, ob ein Unternehmen - wie etwa Tchibo - tatsächlich nur Produkte kennzeichnet, die mit Bio-Baumwolle hergestellt wurden.

Momentan stammen nicht mehr als vier Prozent der Baumwolle aus verantwortungsvollem Anbau - auch weil der Umstieg teuer ist und Zeit kostet. Foto: Tchibo
Momentan stammen nicht mehr als vier Prozent der Baumwolle aus verantwortungsvollem Anbau - auch weil der Umstieg teuer ist und Zeit kostet. Foto: Tchibo

UD: Deckt das Siegel nur ökologische Faktoren ab, oder werden auch soziale Kriterien, wie Arbeitsrechte oder etwa das Verbot von Kinderarbeit, berücksichtigt?

Dierks: Das Siegel selbst ist auf ökologische Faktoren fokussiert. Im Rahmen der Umstellung auf Biolandbau erfolgt allerdings eine Reihe von Qualifizierungsmaßnahmen, die insgesamt zu einer Lebensverbesserung der Baumwollbauern führen. Bei unterstützenden Projekten z.B. von Textile Exchange werden auch soziale Standards berücksichtigt.

UD: Sie haben es bereits angesprochen: Der Markt für Biobaumwolle ist momentan noch relativ klein. Können Sie unseren Lesern sagen, wo die größten Hindernisse für verantwortungsvoll produzierte Baumwolle sind?

Dierks: Der Anteil an biologisch nachhaltig produzierter Baumwolle bewegt sich momentan bei etwa 1,5 Prozent. Wenn man dann noch die anderen Initiativen, wie etwa Cotton made in Africa und Better Cotton Initiative hinzuzählt, liegt der Marktanteil zwischen drei und vier Prozent. Daher ist es wichtig, Bedingungen zu schaffen, die einen größtmöglichen Anreiz für den verantwortlichen Anbau von Baumwolle schaffen. Nur wenn die Farmer langfristig eine Perspektive im Umstieg auf nachhaltigen Baumwollanbau sehen, kann der Anteil der Produzenten steigen.

Die Herausforderung liegt darin, dass die Umstellung auf ökologischen Anbau bei Baumwolle relativ schwierig ist. Wir sprechen hier von einem Zeitraum von etwa drei Jahren, der auch gesetzlich vorgegeben ist. Daneben erfordert der Umstellungsprozess ein hohes Maß an Wissen, das vor Ort nicht immer gegeben ist. Um den Transfer von Know-how und die Weitergabe guter landwirtschaftlicher Praxis an dieser Stelle zu unterstützen, engagieren wir uns mit unseren Partnern ganz bewusst in den Anbauländern.

UD: Welche Faktoren sind sonst noch wichtig?

Dierks: Jedes Unternehmen ist natürlich auf eine entsprechende Nachfrage seiner Kunden angewiesen. Deshalb hat sich Tchibo für die aktuelle Wäschekollektion ganz bewusst dazu entschieden, die Biobaumwolle auch in den Fokus der Vermarktung zu stellen. Nur wenn die Kunden bereit sind, Produkte aus Biobaumwolle zu kaufen, können wir diese auch im großen Stil nachfragen und den Farmern eine stabile und langfristige Perspektive bieten.

UD: Ist Biobaumwolle denn grundsätzlich teurer als herkömmliche Baumwolle?

Dierks: Prinzipiell ist Biobaumwolle teurer. Das liegt unter Anderem an dem höheren Aufwand, den die Bauern haben, um vergleichbare Mengen und Qualitäten anbieten zu können. Wie groß die Preisdifferenz zu konventionell angebauter Baumwolle ist, hängt aber auch immer mit der aktuellen Marktlage zusammen.     

UD: Die Verwendung von nachhaltiger Baumwolle deckt nur einen Teil der Probleme innerhalb des Textilsektors ab. Der Einsturz einer Fabrik in Bangladesh im April 2013 hat dabei wieder einmal gezeigt, dass niedrige Preise in Europa zulasten der Sicherheit von ArbeiterInnen in Asien verwirklicht werden. Welche Anstrengungen unternimmt Tchibo, um auch diesen Bereich nachhaltig auszurichten?

Dierks: Generell engagiert sich Tchibo überall da, wo unsere Geschäftstätigkeit Auswirkungen auf die gesellschaftliche und ökologische Entwicklung hat. Neben dem Baumwollanbau ist auch die Fertigung unserer Konsumgüter, u.a. Textilien, eine wichtige Station in unseren Wertschöpfungsketten. Daher setzen wir seit mehreren Jahren das Qualifizierungsprogramm „WE“ (Worldwide Enhancement of Social Quality) für unsere Produktionsstätten um, bei dem Sozialstandards und Menschenrechte über einen dialogorientierten Ansatz an den einzelnen Standorten verbessert werden. Das WE Konzept ist im Rahmen eines Pilotprojekts gemeinsam mit der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) entwickelt worden.  Heute läuft das Programm weltweit bei 225 Fabriken.

Es gibt auch Fragen, die sich nicht auf der Ebene einzelner Fabriken lösen lassen und die Zusammenarbeit der Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und Regierungsorganisationen in den Produktions- und Absatzmärkten erfordert. Daher haben wir z.B. als eines der ersten Unternehmen weltweit das Brandschutz- und Gebäudesicherheitsabkommen für Bangladesh unterzeichnet und bei der Schaffung einer breiten Unterstützung im Textilsektor intensiv mitgewirkt.

UD: Herr Dierks, wir bedanken uns für das informative Interview.

Quelle: UD
 

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