Politik

Ölkatastrophe gefährdet 600.000 Südsudanesen

Über 600.000 Menschen sind von der durch den Ölkonzern Petronas mitverursachten Ölkatastrophe im Südsudan bedroht – wie neue Zahlen der Konstanzer Menschenrechts- und Hilfsorganisation Hoffnungszeichen belegen. Nach einem Treffen mit Petronas und der Daimler AG in Zürich am vergangenen Montag berichten Umweltschützer aus dem Südsudan von den gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt.

26.04.2018

Neue Zahlen der Konstanzer Menschenrechts- und Hilfsorganisation Hoffnungszeichen Sign of Hope e.V. belegen: Mehr als 600.000 Menschen und das Ökosystem Sudd sind von der Ölkatastrophe im Südsudan bedroht. Mitverantwortlicher für diese Umwelt- und humanitäre Katastrophe ist der malaysische Mineralölkonzern Petronas, zugleich Hauptsponsor des Mercedes-Formel-1-Teams. Durch die unsachgemäße Förderung und Weiterverarbeitung von Rohöl hat der Staatskonzern das Trinkwasser etwa jedes 20. Südsudanesen verseucht.

„Unsere Zahlen zeigen das volle Ausmaß der Umweltkatastrophe im Südsudan und den dringenden Handlungsbedarf der Verantwortlichen. Würde man die Betroffenenzahl auf Deutschland übertragen, so müsste nahezu ganz Stuttgart, die Heimatstadt von Petronas-Partner Mercedes, mit Barium und Blei verseuchtes Wasser trinken“, veranschaulicht Reimund Reubelt, Erster Vorstand von Hoffnungszeichen, die Dimension des Ölskandals. In den Berechnungen bezieht die NGO alle Ölfelder der Unternehmen im Südsudan ein, an denen Mercedes-Sponsor Petronas beteiligt ist. Für SPOC (Sudd Petroleum Operating Company), im Ölgebiet Thar Jath, kommt Hoffnungszeichen auf etwa 238.000 Betroffene. Im Ölgebiet GPOC (Greater Nile Petroleum Operating Company), nördlich von Bentiu, ermittelten die Menschenrechtler eine Betroffenenzahl von circa 182.000 Südsudanesen und für das Gebiet DPOC (Dar Petroleum Operating Company) bei Melut errechnete Hoffnungszeichen rund 184.000 Betroffene. „Die Zeit eine Lösung für die Betroffenen zu finden drängt, Zeit bedeutet Leben im Südsudan“, betont Reubelt.

Kosten für eine Trinkwasserversorgung ermittelt

Erstmals präsentiert die Organisation die Kosten für eine langfristige Trinkwasserversorgung der Betroffenen. Nach Einschätzungen von Hoffnungszeichen kostet es rund 250 Euro, um einer Person in einem ölverseuchten Gebiet im Südsudan über zehn Jahre hinweg wieder Zugang zu unbedenklichem Trinkwasser zu ermöglichen. Für alle Betroffenen müsste Petronas damit 150 Millionen Euro aufbringen. Diese Zahlen hatte Hoffnungszeichen Petronas und der Daimler AG am vergangenen Montag an einem von Petronas und Daimler initiierten Treffen vorgestellt „Wir danken Petronas und Daimler für die Gesprächsaufnahme. Die Reaktion von Petronas auf unsere Forderungen ist für uns jedoch eher ernüchternd. In Anbetracht des Ausmaßes der Ölkatastrophe im Südsudan, ist uns die Handlungsbereitschaft von Petronas nicht weitreichend genug. Für eine Politik der kleinen Schritte ist es zu spät. Unbeantwortet blieb unter anderem bisher unsere Forderung nach einer umfassenden medizinischen Studie über den Gesundheitszustand der betroffenen Bevölkerung“, gibt Klaus Stieglitz, Menschenrechtsexperte und Zweiter Vorstand von Hoffnungszeichen zu bedenken.

Bereits 2017 konnte die Organisation in 96 Haarproben nachweisen, dass Menschen im Ölgebiet Thar Jath durch den Konsum des kontaminierten Wassers mit schwer gesundheitsschädigenden Giftstoffen wie Barium und Blei belastet sind. Von ähnlich gravierenden Ergebnissen geht die Organisation auch in den beiden anderen Ölgebieten aus. Gemeinsam mit einem Team aus Wissenschaftlern hat Stieglitz die Sachlage im Gebiet von GPOC dokumentiert und Proben aus Bohrspülgruben, Prozesswasserbecken und Trinkwasserbrunnen analysiert: „Auch wenn die Probenanzahl geringer als im SPOC-Gebiet ist, konnten wir vergleichbare Muster erkennen und gehen davon aus, dass die Folgen der Ölförderung hier mindestens so groß sind wie im Ölgebiet Thar Jath“, versichert Stieglitz.

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Ölförderung auf Kosten von Menschenleben

Der renommierte Umweltaktivist und Träger des Alternativen Nobelpreises, Nnimmo Bassey, betreibt mit seiner Organisation Oilwatch Aufklärungsarbeit im Südsudan über die verheerenden Auswirkungen der Ölförderung auf Mensch und Umwelt. Er geht mit den Verantwortlichen hart ins Gericht: „Das Ausmaß der Katastrophe im Südsudan ist mit dem im Nigerdelta zu vergleichen. Was hier geschieht, ist ein Skandal. Täglich trinken Menschen verseuchtes Wasser und die Verantwortlichen schauen tatenlos zu. Was muss noch passieren, bis sie die Verantwortung übernehmen?“, mahnt er an. Bassey bedauert es, dass die Ölindustrie sich weltweit auf Kosten von Menschenleben bereichert.

Dr. Bior K. Bior, Mikrobiologe und Leiter des Nile Institute for Environmental Health mit Sitz in Juba, unterstützte die von Hoffnungszeichen vorgestellten Zahlen mit einem aktuellen Erfahrungsbericht aus dem Feld. Auf mehreren Forschungsreisen ins Gebiet DPOC hat der gebürtige Südsudanese die Auswirkungen der Kontamination dokumentiert. Trotz der anhaltenden Auseinandersetzungen im jüngsten Staat der Welt, kann Petronas hier gegenwärtig Öl fördern. In seiner Arbeit mit Betroffenen vor Ort macht Dr. Bior auf die Problematiken der Ölindustrie im Südsudan aufmerksam.

Recht auf sauberes Trinkwasser

Das wachsende Engagement der südsudanesischen Zivilbevölkerung macht Menschenrechtsexperte Stieglitz trotz der verheerenden Lage im Südsudan Mut: „Uns ging es von Anfang an um das Wohl der Menschen im Südsudan. Ganz modern würde man wohl von Empowerment sprechen. Wir wollen die südsudanesische Bevölkerung bestärken und den Betroffenen so die Möglichkeit geben, für ihr Recht auf sauberes Trinkwasser selbst einzustehen“, betont er.

Hoffnungszeichen unterstützt die Umweltaktivisten bei ihrer Arbeit mit den Betroffenen im Südsudan und setzt sich seit 2008 für die Menschen im Südsudan und ihr Recht auf sauberes Trinkwasser ein. Seit 2010 steht Hoffnungszeichen mit der Daimler AG als auch Petronas im Austausch und macht in einer Kampagne auf die Trinkwasserverseuchung im Südsudan aufmerksam.

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Quelle: UD/pm
 

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