Produktion

Studie: Schoko-Industrie noch weit von Nachhaltigkeit entfernt

Rund neun Kilogramm Schokolade isst ein deutscher Normalverbraucher im Jahr, manche Tafeln sind im Handel schon für 35 Cent zu haben. Für die Kakaobauern im Süden der Welt bleibt da nicht viel übrig. Fair gehandelter Schokolade, die ihnen ein ausreichendes Einkommen sichern würde, zeigen die meisten deutschen Verbraucher die kalte Schulter. Was die Schleuderpreise für die Menschen im westafrikanischen Ghana, dem nach der Elfenbeinküste zweitgrößten Kakaoproduzenten der Welt, bedeuten, hat das von Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmen getragene Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene aus Siegburg untersucht.

27.04.2011

Foto: iwona golczyk/pixelio.de
Foto: iwona golczyk/pixelio.de
Die im März veröffentlichte Länderstudie deckt schwere Missstände auf: Viele ghanaische Kakaobauern fristen demnach ein Leben unter der Armutsgrenze. Häufig müssen Kinder auf den Kakaofeldern mitarbeiten. Deutschen Kakaoverarbeitern, Schokoladenherstellern und Einzelhändlern wirft das Institut Mitschuld daran vor.  Die deutsche Schoko-Industrie und internationale Kakaokonzerne übten einen „enormen Preisdruck“ auf die Kakaobauern in Ghana und anderen Anbauländern aus, sagt der Autor der Studie, Friedel Hütz-Adams. Die Weltmarktpreise für Kakao liegen nach seinen Angaben derzeit inflationsbereinigt unter dem Niveau der 1970er Jahre.

Die Kakaobauern seien dem Preisdruck schutzlos ausgesetzt und könnten kaum ausweichen: Ein Kakaobauer hege seine Pflanzen sehr lange, bevor sie optimale Erträge liefere. Ein Umstieg auf andere Anbauprodukte mache diese Investition zunichte. Hütz-Adams sagt, deutsche Kakaohersteller, -verarbeiter und -händler wüssten darum, täten aber nicht genug zur Verbesserung der Lebensumstände ihrer Rohstofflieferanten: „Handel und Hersteller schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu und begründen ihre Kampfpreise mit entsprechender Kundennachfrage“. Den Anteil von Kakao am Preis einer Tafel Schokolade veranschlagt der Wissenschaftler auf fünf bis sechs Prozent. Davon fließe ein „minimaler Beitrag“ an die Bauern.

Mit einem Anteil von rund zwölf Prozent am globalen Verbrauch ist Deutschland einer der größten Kakaomärkte der Welt. Thorben Erbrath, Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI), sagt, die Branche nehme ihre Verantwortung für die Nachhaltigkeit ernst. Er verweist auf eine Reihe Projekte, mit denen Unternehmen der deutschen und der internationalen Kakaoindustrie für bessere Arbeitsbedingungen eintreten. So sei die Stiftung der Deutschen Kakao- und Schokoladenwirtschaft zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gegen Kinderarbeit in der Kakaowirtschaft der Elfenbeinküste vorgegangen. Auch für die Internationale Kakaoorganisation, sagt Erbrath, sei „Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema“. Den Anteil nachhaltig zertifizierten Kakaos in Deutschland veranschlagt der Verbandssprecher auf unter ein Prozent. Er erwartet „schnell wachsende Marktanteile“.

Noch hält sich die Nachfrage deutscher Konsumenten nach Schokoprodukten mit dem Fair-Trade- oder Bio-Siegel in Grenzen. Die Fair-Trade Company GEPA, die Schokolade aus fair gehandeltem Kakao verkauft, veranschlagt den Marktanteil ihrer Produkte auf unter ein Prozent. Das Bio-Unternehmen Rapunzel aus dem schwäbischen Legau, das auch faire Bio-Schokolade anbietet, geht sogar nur von Promilleanteilen der Bio-Anbieter am deutschen Schokoladenmarkt aus. Aus dem Familienunternehmen Ritter, das Schokolade mit Bio-Siegel im Sortiment hat, heißt es, Verbraucher seien oft nicht bereit, für Bio-Schokolade mehr zu zahlen. Ritter verkauft eine 65-Gramm-Tafel mit Bio-Siegel für 99 Cent.

Von den großen, in Deutschland tätigen Süßwarenkonzernen hat sich bislang einzig Mars Chocolate öffentlich zur Umstellung auf Kakao aus zertifizierter und nachhaltiger Produktion verpflichtet. Bis zum Jahr 2020 soll der Umbau nach Unternehmensangaben abgeschlossen sein. Bei Schokoriegeln hält der Konzern derzeit einen Marktanteil von 30 Prozent. Südwind-Forscher Hütz-Adams sagt, der Mars-Vorstoß gehe in die richtige Richtung, wenn auch zu langsam.

Ein ungelöstes Problem der Branche ist die Nachhaltigkeitszertifizierung von Kakao. In Ghana wird der Südwind-Studie zufolge zwar zunehmend zertifiziert. Es sei aber nicht abzusehen, wann „ein großer Teil des Kakaoanbaus ökologisch und sozial nachhaltig sein wird“. Laut Thorben Erbrath vom Süßwarenverband erschwert vor allem die hohe Zahl der Kleinbauern die Zertifizierung. Man erreiche sie nur über ihre Kooperativen. Hütz-Adams räumt ein, dass es schwierig ist, die Kleinbauern zu erreichen. Gerade deswegen müsse aber mehr in die Zertifizierung investiert werden - wozu jedoch nur ein kleiner Teil der deutschen Unternehmen bereit sei.

Unterschiedlichen Zertifizierungssysteme mit unterschiedlichen Ansprüchen an die Arbeitsweisen und Produkte der Bauern komplizieren die Lage zusätzlich. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) schult deshalb seit März 2010 Kleinbauern in Ghana, Nigeria und der Elfenbeinküste über die unterschiedlichen Label, ihre Ansprüche und Nutzen. Die GIZ arbeitet unter anderem mit Mars, den Siegelanbietern UTZ Certified, Fair Trade und Rainforest Alliance zusammen. BDSI-Sprecher Erbrath sagt, die deutsche Schokoindustrie wolle zu einem späteren Zeitpunkt in das Projekt einsteigen.

Südwind-Forscher Hütz-Adams will Unternehmen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen an einem Runden Tisch versammeln, damit sie nachprüfbare sozial-ökologische Mindeststandards für die Branche entwickeln. In den Niederlanden sei ein solches Verfahren erfolgreich gewesen. Dort soll bis zum Jahr 2015 die Hälfte der eingeführten Kakaoprodukte nachhaltig produzierte Ware sein, 2025 alle Kakaoimporte. Thorben Erbrath vom Süßwarenverband warnt vor solchen „nationalen Alleingängen“. In wichtigen Anbauländern wie Ghana müssten erst Strukturen für Nachhaltigkeitszertifizierungen aufgebaut werden. Sei das geschafft, könnten bis zum Jahr 2020 rund 40 Prozent der heutigen Weltkakaomenge nachhaltig zertifiziert sein. Eine Prognose über den Anteil nachhaltigen Kakaos in Deutschland im Jahr 2020 möchte Erbrath nicht abgeben.
Quelle: UD / na
 
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