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Lebensqualität und Arbeitskraft pflegender Angehöriger

Rund sechs Prozent aller Berufstätigen in Deutschland sind die Hauptpflegeperson für einen Angehörigen - Tendenz steigend. Nun hat der deinNachbar e. V. ein Modell für Unternehmen zur Entlastung ihrer pflegenden Arbeitnehmer erarbeitet. Dabei werden Beratungen sowie Schulungen angeboten und vor allem Netzwerke aus geschulten ehrenamtlichen Helfern aufgebaut.

25.03.2019

Lebensqualität und Arbeitskraft pflegender Angehöriger

Angehörige sind der größte Pflegedienst der Nation

Dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zufolge gibt es in Deutschland aktuell 3,5 Millionen pflegebedürftige Menschen. Davon werden nur 24 Prozent stationär versorgt, 2,7 Millionen Pflegebedürftige hingegen zuhause von pflegenden Angehörigen betreut. Lediglich 23 Prozent von ihnen werden bei dieser Tätigkeit durch einen Pflegedienst unterstützt. Der Großteil der Versorgung lastet also auf den Schultern der pflegenden Familienmitglieder. Aufgrund des demografischen Wandels wird die Anzahl der Pflegebedürftigen hierzulande zwischen den Jahren 2014 und 2030 um 64 Prozent auf 4,3 Millionen Menschen ansteigen. Zugleich stehen immer weniger junge Menschen zur Pflege älterer zur Verfügung.

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Erkrankungen und Leistungsabfall pflegender Angehöriger belasten Arbeitgeber

Laut Barmer Pflegereport 2018 sind die pflegenden Angehörigen aber längst an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. Die meisten sind psychisch und körperlich überlastet, leiden an Schlafmangel und Existenzängsten. Jede vierte Pflegeperson arbeitet bereits verkürzt oder hat ihren Beruf aufgegeben. Dementsprechend verursacht die wachsende Doppelbelastung pflegender Angehöriger auch im Arbeitsalltag deutliche Probleme und war schon im Jahr 2011 mit durchschnittlichen betrieblichen Folgekosten für jeden betroffenen Arbeitnehmer in Höhe von 14.156 Euro pro Jahr verbunden.

Meist tritt ein Pflegefall in der Familie relativ plötzlich auf und nachdem die wenigsten Menschen mit pflegerischen Tätigkeiten vertraut sind und die Organisation einer Pflegesituation sehr komplex ist, sind die meisten Arbeitnehmer damit völlig überfordert. Leider sind die wenigsten Mitarbeiter bereit, offen über die Gründe ihres Präsentismus und Absentismus zu sprechen und so wissen viele Arbeitgeber gar nichts von der Doppelbelastung ihrer Angestellten, die neben ihrem Arbeitseinsatz noch die Angehörigen pflegen. 

Unterstützungsnetzwerk für soziales Unternehmertum

Durch den interdisziplinären Lösungsansatz aus Pflege, modernem Ehrenamt, exakt funktionierender Logistik und einen hohen Grad der Digitalisierung hat der gemeinnützige Verein deinNachbar e.V. ein Konzept entwickelt, das es Unternehmen ermöglicht, ihren pflegenden Mitarbeitern ein soziales Unterstützungsnetzwerk zu offerieren, das diesen eine signifikante Entlastung beschert.

Der Vereinsgründer und Logistiker Thomas Oeben erläutert seine Motivation: „Wir können die stetig wachsende Zahl der Pflegebedürftigen in Zeiten des Fachkräftemangels nur dann menschenwürdig versorgen, wenn wir alle Verantwortung übernehmen. Konkret müssen die Pflegefachkräfte sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und wir Betreuungs- und Unterstützungsleistungen gut geschulten Laienhelfern übertragen, die unter der Anleitung von Fachkräften die Versorgung in der Nachbarschaft sicherstellen.“

Um das Problem der prekären Versorgungssituation von älteren Menschen zu lösen, verknüpft deinNachbar e. V. vier Disziplinen miteinander: die Kompetenz aus dem Bereich der Pflege, das Management von ehrenamtlichen Helfern, die Logistik und die IT mit einem hohen Grad der Digitalisierung. Die Prozesse sind schlank aufgesetzt, logistisch optimiert, in einem Qualitätsmanagementsystem hinterlegt und werden durch eine leistungsstarke IT unterstützt. Die aufwändige Helfersuche und die Disposition verlaufen digitalisiert mithilfe einer eigens entwickelten Software, um schnell einen passenden Helfer zu finden. Das Konzept basiert außerdem darauf, dass die engagierten Alltagshelfer nur Einsatzanfragen bekommen, die exakt auf ihr Helferprofil passen. Die Helfer können die Anfragen bequem digital zu- oder absagen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Auf diese Art wird die Last der pflegenden Mitarbeiter auf viele verschiedenen Schultern verteilt und das Helfen dank des ausgeklügelten Konzepts nicht zu einer Belastung, sondern zur Bereicherung der engagierten Helfer.

Angebot für Unternehmen

Der Verein bietet Unternehmen Vorträge und Informationsveranstaltungen an. Pflegefachkräfte beraten die betroffenen Mitarbeiter rund um das Thema Pflege und schulen sie, basierend auf dem individuellen Krankheitsbild und der häuslichen Situation, auch zuhause. Sie helfen bei der Organisation der Pflegesituation, informieren über Leistungsansprüche und Unterstützungsmöglichkeiten. Das Helfernetzwerk sorgt für die notwendige Entlastung der pflegenden Mitarbeiter.

Qualität und Kompetenz

Für Pflegebedürftige werden nur Alltagshelfer eingesetzt, die eine 40-stündige Schulung bei vereinseigenen Pflegefachkräften absolviert haben und regelmäßig Fortbildungen besuchen. Auch werden die Helfer bei einem Erstbesuch immer von einer hauptamtlichen Kraft beim Hilfesuchenden vorgestellt und für die zu erbringenden Tätigkeiten angeleitet. Zur Überwachung der Qualität der erbrachten Dienstleistung werden Key Performance Indikatoren ausgewertet.

Versorgung als Herausforderung

Vereinsgründer Thomas Oeben erläutert: „Natürlich können und wollen wir durch unseren Ansatz keine Pflegedienste ersetzen. Nachdem aber schon heute nur 23 Prozent der zuhause lebenden pflegebedürftigen Menschen und fast keiner der circa sechs Millionen Hilfsbedürftigen, die (noch) keinen Pflegegrad haben, einen Pflegedienst zur Unterstützung haben, geht es uns in erster Linie um die Unterstützung pflegender Angehöriger und hilfsbedürftiger Menschen, die nicht auf ein eigenes Netzwerk zurückgreifen können.“

Preisgekröntes Konzept

In Politik und Gesellschaft erfährt das zukunftweisende Modell von deinNachbar e.V. große Anerkennung und ist bereits mehrfach ausgezeichnet worden. So wurde der Verein vom ehemaligen Bundesminister Wolfgang Clement im Januar 2019 mit dem Deutschen Exzellenz-Preis prämiert, erhielt den vdek-Zukunftspreis 2018 vom Verband der Ersatzkassen, den German Stevie Award 2017 als „Startup des Jahres“ und wurde vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck im Rahmen der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ bereits im September 2016 als zukunftsweisendes Projekt ausgezeichnet.

Visionär sucht Mitstreiter

Der erfahrene Logistiker und ehemalige Rettungssanitäter Thomas Oeben zur Zielsetzung des Vereins: „Unser erklärtes Ziel ist der Aufbau eines kostengünstigen, deutschlandweiten Versorgungsnetzwerks mit geschulten ehrenamtlichen Helfern. Das sollte so engmaschig geknüpft sein, dass hilfsbedürftige- und pflegebedürftige Menschen landesweit innerhalb von 24 Stunden qualifiziert und zuverlässig versorgt werden und pflegende Angehörige die dringend notwendige Entlastung finden. Längst wären wir in der Lage, unser soziales Unterstützungsnetzwerk, das wir in München bereits erfolgreich implementiert haben, zu skalieren und in Kooperation mit anderen Organisationen und Unternehmen in den nächsten Jahren auf ganz Deutschland auszudehnen. Um das realisieren zu können, bedürfen wir allerdings der Unterstützung eines sozialen Unternehmertums, das sich mit der gebotenen Weitsicht auch der Gesunderhaltung seiner Mitarbeiter verpflichtet sieht.“

Quelle: UD/pm
 

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