Business Case

Teilen heißt nicht immer Teilhaben

Bei Teilen spricht man heutzutage gern von „Sharing“. Und das gilt in vielen Bereichen: Auto, Wohnung, Kleidung, Musik, allerlei Geräte. Praktisch alles, was besessen werden kann, kann man auch sharen. Doch ist das ökologisch und sozial auch immer sinnvoll? Wir sprachen darüber mit dem Nachhaltigkeitsexperten Dr. Gerd Scholl.

24.07.2018

Teilen heißt nicht immer Teilhaben

UmweltDialog: Hallo Herr Scholl, Sharing Economy ist derzeit absolut in. Finden Sie das gut?

Dr. Gerd Scholl: Ja. Denn die Idee der Sharing Economy ist ja die geteilte Nutzung. Und wenn das tatsächlich gelingt, brauchen wir weniger Güter zur Befriedigung unserer Bedürfnisse und damit weniger Ressourcen als ohne Sharing.

Teilen heißt nicht immer Teilhaben. können Sie uns kurz und knapp sagen, was gutes und was schlechtes Sharing ausmacht?

Scholl: Bei gutem Sharing findet echtes Teilen statt, das heißt bereits angeschaffte Güter oder vorhandene Kapazitäten werden intensiver genutzt als vorher. So kann die Umwelt entlastet werden. Werden hingegen Güter extra für den Zweck des Teilens angeschafft oder vorgehalten, würde ich das als schlechtes Sharing bezeichnen, denn dann ist ökologisch nichts gewonnen. Hinzu kommen teils unerwünschte soziale Wirkungen der Sharing Economy: Wenn sie einkommensschwachen oder sozial benachteiligten Gruppen Zugang zu Gütern verschafft, den diese andernfalls nicht gehabt hätten, ist das positiv. Wenn Sharing aber dazu führt, das Gruppen von der Güternutzung ausgeschlossen werden, ist das negativ. So konkurrieren beispielsweise immer häufiger Kurzzeitvermietungen à la Airbnb mit Langzeitvermietungen von knappem Wohnraum in Großstädten.

Sie haben gerade mit anderen Forschungseinrichtungen eine Studie vorgestellt unter dem Titel "Ökologie des Teilens – Bilanzierung der Umweltwirkungen des Peer-to-Peer Sharing". Welche Branchen haben Sie dort analysiert? Und warum gerade die?


Scholl: In unserem Projekt haben wir die Bereiche privates Carsharing und privat vermittelte Mitfahrgelegenheiten, privates Apartment-Sharing und den Online-Handel mit gebrauchter Bekleidung zwischen Privatpersonen untersucht. Wir haben jeweils mit Betreibern von Online-Plattformen zusammengearbeitet. Das Teilen von Privat zu Privat stand im Vordergrund, weil hier vor einigen Jahren völlig neue Märkte entstanden sind, die es vorher so nicht gab.

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Reden wir über die Einzelergebnisse. Was kam bei der Bekleidungsindustrie heraus?

Scholl: Am Beispiel eines T-Shirts haben wir eine Verringerung des Treibhauspotenzials durch Gebrauchtkauf im Vergleich zum Neukauf in Höhe von 40 Prozent der Jahresbilanz im Bereich Kleiderkonsum errechnet. Wird das T-Shirt zudem über eine Onlineplattform wie etwa Kleiderkreisel erworben, erreicht die Senkung des Treibhauspotenzials 47 Prozent – gemessen an einer durchschnittlichen Nutzerin. Der durch die Plattformnutzung erzielte zusätzliche ökologische Gewinn fällt also eher moderat aus. Das liegt daran, dass die Sharing-Plattform den Neuwarenkonsum nicht nur verringern hilft, sondern durch niedrige Preise und erhöhte Markttransparenz den Kleiderkauf auch steigert.

Bunte Kleidung in einem Shop

Sogenanntes "Fast Fashion", ein Eupehmismus für Wegwerf-Mode, ist sehr angesagt. Primark ist hier an erster Stelle zu nennen. Das kann man schlimm finden, aber andererseits wollen die Kids für wenig Taschengeld viel Abwechslung haben und Mode ist nun einmal ein wichtiger Ausdruck von Identität. Wie durchschlagen Sie diesen gordischen Knoten aus dem Anrecht auf Persönlichkeitsentfaltung und der Notwendigkeit von Suffizienz?

Scholl: Gute Frage. Ich denke, das können wir bei den Verbrauchern nur durch Information und Aufklärung erreichen – über die ökologischen und sozialen Folgen von Fast Fashion. Klar ist dabei, wer einen Bewusstseinswandel herbeiführen will, braucht einen langen Atem. Anders ist es mit den globalen Lieferketten. Hier sind Hersteller und Handel in der Pflicht. Es braucht ökologische und soziale Mindeststandards und mehr Transparenz. Die CSR-Berichtspflicht ist ein Ansatz, der in diese Richtung weist.

Ähnlich gelagert ist die Diskussion bei Mobiltät und Reisen. Was haben Sie hier rausgefunden?

Scholl: Bei der geteilten Mobilität entstehen positive Effekte durch die höhere Besetzungszahl von Autos beziehungsweise dadurch, dass Nutzer ihr Auto abschaffen und neben Carsharing verstärkt öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Der ökologische Vorteil von Apartment-Sharing ist, dass die Übernachtung in einer Privatwohnung geringere Umweltlasten erzeugt als die Übernachtung in einem Hotel. Allerdings entsteht hier der Großteil der ökologischen Lasten durch die An- und Abreise, und da haben wir festgestellt, dass Sharing zu mehr Reisen, vor allem mit dem Flugzeug, führt. Insgesamt haben wir aber festgestellt, dass die Nutzung von Sharing-Plattformen leichte ökologische Vorteile hat. Allerdings ist da noch Luft nach oben.

Arm Reich Hochhaeuser Slum Stadt Gebäude Haus

Gerade bei den sogenannten Ferienwohnungen in den Großstädten gibt es jede Menge Kollateralschäden. Sie stellen wir sicher, das wir mit Sharing wirklich Positives bewirken, und nicht am Ende die Welt verschlimm-bessern?

Scholl: Da komme ich auf meine Unterscheidung von echtem und falschem Teilen zurück. Echtes Teilen von Privat zu Privat muss gefördert und falsches Teilen wie eine gewerbliche Aktivität behandelt werden. Bei Wohnungen heißt das beispielsweise, Obergrenzen für die private Kurzzeitvermietung von Wohnungen zu setzen. Darüber hinaus müssen sich auch Konsumstile ändern. Und zwar so, dass das gemeinsame Teilen die alleinige Nutzung wirklich ersetzt und nicht bloß ergänzt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: UmweltDialog
 

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