Produktion

Total Zero: Interview über weniger Emissionen und sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen

Mit „Total Zero“ hat DPD gemeinsam mit dem französischen Mehrheitsgesellschafter GeoPost eine Initiative gestartet, die im Transportsektor bisher einmalig ist: Ohne zusätzlichen Aufpreis will der Logistikdienstleister zukünftig alle Sendungen klimaneutral zustellen. Dass dies nicht nur durch den Ausgleich anfallender Emissionen funktionieren kann, sondern auch Teil der Konzernstrategie zur generellen Senkung des CO2-Ausstoßes ist, erklärt Gerd Seber, Sustainable Development Manager von DPD GeoPost (Deutschland), im Gespräch mit UmweltDialog.

11.04.2012

Gerd Seber, Sustainable Development Manager von DPD GeoPost. Foto: DPD
Gerd Seber, Sustainable Development Manager von DPD GeoPost. Foto: DPD

Herr Seber, mit der Initiative „Total Zero“ hat DPD als erstes deutsche Unternehmen aus der Logistikbranche beschlossen, alle Sendungen klimaneutral auszuliefern - und das ohne zusätzlichen Aufpreis für die Kunden. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Gerd Seber: Für uns ist das die Konsequenz unserer bisherigen Nachhaltigkeitsstrategie. Wir berechnen unsere Emissionen schon seit sechs Jahren und wissen, dass wir bereits jetzt eine sehr gute Bilanz haben.

„Total Zero“ ist für uns der nächste logische Schritt auf diesem Weg. Das ist nicht einfach ein Verkaufsargument für unsere Kunden, sondern wir sind damit gewissermaßen auch eine zusätzliche Selbstverpflichtung eingegangen: Denn Emissionen, die gar nicht erst entstehen, müssen von uns zukünftig auch nicht klimaneutral gestellt werden.

UmweltDialog: Die Logistikbranche ist ein sehr CO2-intensiver Geschäftszweig. DPD hat versprochen, die anfallenden Mehrkosten nicht an die Kunden weiterzugeben: Damit haben Sie eine Vorreiterrolle in der Logistikbranche eingenommen. Erhoffen Sie sich von Ihrer Initiative auch eine Signalwirkung für den Transportsektor?

Seber: Grundsätzlich denke ich schon, dass andere Wettbewerber unserem Beispiel folgen werden. Es muss aber auch gesagt werden, dass Transport nicht ohne Emissionen möglich ist. Nur wollen wir an diesem Punkt nicht stehen bleiben: Es ist unsere Pflicht, an der Senkung von anfallenden Emissionen zu arbeiten.

Die Frage dabei ist doch, warum wir zwischen umweltfreundlichen und weniger umweltfreundlichen Paketen unterscheiden sollten. Für uns war es daher logisch, mit „Total Zero“ weiterzudenken und die Emissionen für alle Pakete nicht nur zu messen, sondern auch zu kompensieren. Dass die notwendigen Kosten von unserem Mehrheitsgesellschafter GeoPost übernommen werden, ist für Kunden sicherlich ein gutes Argument.

UmweltDialog: Eine wichtige Säule für den CO2-neutralen Versand ist die Berechnung der anfallenden Emissionen. Zu diesem Zweck hat DPD gemeinsam mit GeoPost einen CO2-Rechner entwickelt, der die Emissionen für jede Sendung erfasst und zentral ausweist. Können Sie uns die Funktionsweise des CO2-Rechners kurz erläutern?

Seber: Der neue Rechner ist eine Weiterentwicklung des bereits vorhandenen Reportings. Wir haben ja schon eine große Menge an Informationen rund um die einzelne Sendung. Wenn Sie ein Paket bekommen, können Sie nachvollziehen, welchen Weg das Paket genommen hat. Anhand dieser Scans in den Umschlagpunkten können wir den Weg innerhalb unseres Netzwerkes natürlich sehr genau nachvollziehen. In der Regel sind das die Abholung, der Umschlag im Depot, der Transport im Fernverkehr zum Zieldepot, dort der erneute Umschlag und schließlich die Zustellung.

Für jeden dieser Schritte berechnet der CO2-Rechner die anfallenden Emissionen und ordnet diese dem konkreten Paket zu. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, wie groß und wie schwer die einzelne Sendung ist - ein großes Paket nimmt im Fernverkehr einfach mehr Platz ein und hat somit natürlich auch einen größeren Anteil an den Emissionen. Desweiteren muss man natürlich auch jeden einzelnen Depotumschlag einbeziehen. Der große Vorteil des neuen CO2-Rechners ist, dass wir den tatsächlichen Ausstoß bei Transport, Lagerung und Zustellung bis auf das einzelne Paket ausweisen können.

UmweltDialog: Gerade für Firmenkunden, die große Versandmengen haben, klingt das natürlich einleuchtend. Welche Vorteile hat aber der Privatkunde von den neuen Möglichkeiten?

Seber: Unabhängig, ob wir von Privat- oder Firmenkunden sprechen, bietet der CO2-Rechner uns den Vorteil, eine nachprüfbare Bilanz für das einzelne Paket zu erstellen. Unsere Großkunden haben damit die notwendige Transparenz, um ihrerseits an ihren Umweltbilanzen zu arbeiten und zum Beispiel über andere Packungsgrößen oder ein anderes Bestellverhalten nachzudenken.

Die Kleinkunden erhalten durch diese Technik natürlich auch ganz neue Vergleichsmöglichkeiten. Durch unseren Rechner ist es für die Kunden überhaupt erst möglich, darüber nachzudenken, was an den eigenen Bestellstrukturen verändert werden kann um den persönlichen CO2-Fußabdruck zu verkleinern.

UmweltDialog: Neben der exakten Messung ist die Senkung des CO2-Ausstoßes ein wichtiger Baustein Ihrer Strategie. Welche Maßnahmen haben sich dabei als besonders erfolgreich erwiesen?

Seber: Wenn man sich die Zahlen unserer Umweltbilanz einmal anschaut, ist es sicherlich nicht überraschend, dass über 80 Prozent unserer Emissionen beim Transport entstehen. An dieser Stelle können natürlich die wirkungsvollsten Maßnahmen entwickelt werden. Wir transportieren innerhalb Europas schon heute fast ausschließlich auf der Straße und nicht im Luftverkehr - das bedeutet wesentlich geringere Emissionen.

Darüber hinaus beschäftigen wir uns intensiv mit der Auslastung und den Strecken unserer Transporte. Wir befördern einen großen Anteil unserer Pakete im direkten Verkehr, was Umwege und überflüssige Umschläge über unsere Logistikzentren vermeidet. Auch die Schiene spielt in unseren Planungen eine Rolle. Wo es geht, zum Beispiel bei unserer Nord-Süd-Verbindung zwischen Hamburg und Nürnberg, transportieren wir bereits heute mit der Bahn.

UmweltDialog: Stichwort Schiene: Gibt es konkrete Planungen diese Beförderungsart gerade im europäischen Rahmen weiter auszubauen?

Seber: Sicherlich würden wir das gerne erweitern, aber in einer so zeitgebundenen Branche wie unserer ist das nicht einfach. Gerade im europäischen Raum sind wir darauf angewiesen, dass es direkte Verbindungen gibt. Auf EU-Ebene wird nun schon seit Jahren über eine Harmonisierung des Schienenwesens nachgedacht: Bis jetzt ist es aber häufig so, dass es keine vernünftigen Übergänge gibt oder die Anschlüsse einfach nicht passen. Von daher ist das momentan nicht wirklich eine Option.

Die zweite Schwierigkeit ist, dass Frachtzüge gegenüber dem Personenverkehr bei der Bahn eine geringere Priorität haben und somit häufig warten müssen. Wir haben das im Rahmen einer Studie mal untersucht: Diese Praxis macht den Vorteil der schnelleren Beförderung oftmals schon wieder zunichte. Für Deutschland haben wir neben der bereits existierenden nicht viele weitere Verbindungen gefunden, bei denen ein Umstieg Sinn ergeben würde. Das zeigt, dass es entgegen der Diskussion die immer wieder geführt wird, nicht ganz so einfach ist, das Straßen- und Schienennetz zusammenzubringen.

Das Konzept hinter "Total Zero": Emissionen ausgleichen und gleichzeitig den CO2-Ausstoß senken.
Das Konzept hinter "Total Zero": Emissionen ausgleichen und gleichzeitig den CO2-Ausstoß senken.

UmweltDialog: Sprechen wir über Einsparpotenziale für die Zukunft. Stichwort Elektromobilität: Welche Möglichkeiten ergeben sich hier aus Ihrer Sicht?

Seber: Der Umbau der Fahrzeugflotte in diese Richtung ist leider nicht immer so möglich, wie wir das gerne hätten. Das liegt auch daran, dass es bis heute keine ökonomisch und ökologisch gleichermaßen sinnvolle Alternativen zu herkömmlichen Antrieben gibt. Hier ist auch die Fahrzugindustrie gefragt. Wir sind da in Gesprächen und testen gemeinsam mit einem Hersteller den Einsatz von reinen Elektrofahrzeugen im langfristigen Praxisbetrieb im Großraum Stuttgart und Hamburg. Derzeit können wir diese Fahrzeuge, die ja auch eine geringere Reichweite und auch eine geringere Zuladungskapazität haben, effizient nur für bestimmte Zwecke einsetzen.

Ich möchte das Thema hier aber auch gar nicht so eng fassen. Wir versuchen, auch andere Zustellkonzepte, wie etwa Lastenfahrräder oder Fahrräder mit Elektrounterstützung, in unsere Logistikkette zu integrieren. Hier müssen wir aber immer im Einzelfall schauen, von welcher Stadt und welcher Beförderungsmenge reden wir, und wo ist ein Einsatz wirklich sinnvoll. Ich denke, ein Fahrzeughersteller, der es schafft, ein Elektromobil mit derselben Reichweite und derselben Belastbarkeit wie ein konventionelles Lieferfahrzeug zu entwickeln, hat in unserem Sektor sicherlich enormes Zukunftspotenzial - bis jetzt kenne ich hier aber noch keinen.

UmweltDialog: Wenn wir vom direkten Transport absehen, wo kann DPD zukünftig noch signifikante Mengen an CO2 einsparen?

Seber: Sicherlich im Gebäudemanagement: 20 Prozent unserer Emissionen entstehen innerhalb unseres Gebäudeparks. Da gibt es ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um den CO2-Austoß zu reduzieren. Momentan bauen wir in Erftstadt und Nürnberg zwei neue, sehr große Depots. Da bauen wir bereits anders, als wir das noch vor zehn Jahren gemacht haben. Ich spreche hier von Tageslichtbändern, um Beleuchtung zu sparen; wir setzen, wo es geht, Erdwärme ein und arbeiten auch konsequent an der Reduzierung unseres Papierverbrauches. Gerade die erfolgreiche ISO-Zertifizierung aus dem letzten Jahr hat uns einige Punkte aufgezeigt, bei denen es weiteres Einsparpotenzial gibt.

UmweltDialog: Trotzdem werden sich Emissionen nicht gänzlich vermeiden lassen. Um diese komplett klimaneutral zu stellen, arbeitet GeoPost mit der renommierten französischen Umweltorganisation CDC Climat zusammen. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Seber: Die Total Zero-Initiative ist ja nicht auf Deutschland beschränkt. Damit reden wir von zu kompensierenden Emissionen von derzeit noch knapp 500.000 Tonnen pro Jahr. Da braucht es natürlich einen starken Partner, der auch in der Lage ist, Projekte in dieser Größenordnung umzusetzen und für die Qualität der Maßnahmen zu garantieren. Als renommiertes französisches Unternehmen ist CDC Climat daher auch durch die räumliche Nähe zu unserem Mehrheitsgesellschafter GeoPost ein idealer Partner.

UmweltDialog: Können Sie uns sagen, welche Projekte unterstützt werden sollen und wie die Auswahl konkret aussieht?

Seber: Zu den finalen Projekten kann ich Ihnen noch nichts sagen, da wir uns momentan noch im Auswahlprozess befinden. Grundsätzlich sind bei der Auswahl aber zwei Dinge wichtig: Einerseits sollen es Projekte sein, die nicht nur den Umweltaspekt berücksichtigen, sondern auch eine gesellschaftliche Komponente haben. Wenn wir entsprechende Maßnahmen zum Beispiel in Entwicklungsländern fördern, dann bewirken wir damit meistens auch eine Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung.

Andererseits ist es natürlich wichtig, dass die Projekte Hand und Fuß haben. Hier gibt es schon existierende internationale Standards, und wir werden auch nur Projekte fördern, die dem Gold-Standard entsprechen. Damit stellen wir sicher, dass unseren Emissionen nicht nur Einsparungen auf dem Papier entgegen stehen, sondern dass diese auch wirklich stattfinden.

Um sicher zu gehen, dass diese Projekte dann auch zu uns als Unternehmen passen, werden alle Maßnahmen von gemischten Teams aus unseren fünf Hauptmärkten - Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Belux - abschließend begutachtet. Wenn dieser Auswahlprozess abgeschlossen ist, werden drei bis vier Großprojekte übrig bleiben, über die wir dann natürlich auch transparent berichten werden.

Herr Seber, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Quelle: UD
 

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