Mazars: Unternehmenskultur ist messbar - Teil 1

Mit der Methodik des Kultur-Kompasses hat Hubertus Eichler, Direktor der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars, Unternehmenskultur messbar und steuerbar gemacht. Seit 20 Jahren ist er in der Wirtschaftsprüfung und -beratung tätig und hat es sich zum Anliegen gemacht, die Bedeutung einer guten Unternehmenskultur im Bewusstsein der Verantwortlichen zu steigern. Im Gespräch mit UmweltDialog erläutert Eichler, warum eine gute Kultur so entscheidend für den Erfolg am Markt ist und welche Unternehmen sich durch eine gute kulturelle Ausrichtung auszeichnen. Außerdem erläutert er die wichtigsten Voraussetzungen zur Durchführung eines Kultur-Audits und wie sich Unternehmenskultur überhaupt messen lässt.

12.11.2012

Hubertus Eichler, Direktor der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars. Foto: Mazars
Hubertus Eichler, Direktor der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars. Foto: Mazars

UmweltDialog: Laut einer Studie im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums trägt die Unternehmenskultur mit einem Drittel zum Unternehmenserfolg bei. Wie erklären Sie diesen starken Einfluss?

Hubertus Eichler: Es gibt dazu noch viele weitere, interessante Studien. Aus ihnen geht hervor, dass die Unternehmen mit einer guten Kultur auch einen höheren Anteil motivierter Mitarbeiter aufweisen. Und je mehr motivierte Mitarbeiter ein Unternehmen beschäftigt, desto größer das Erfolgspotential. Der Gallup-Engagement-Index zum Beispiel untersucht regelmäßig den Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeitern zu dem Unternehmen, in dem sie tätig sind, und wie hoch dementsprechend ihre Motivation bei der Arbeit ist. Laut den repräsentativen Ergebnissen aus 2011 sind nur 14 Prozent der Mitarbeiter topmotiviert und „ziehen den Karren voran“. 63 Prozent machen Dienst nach Vorschrift und 23 Prozent haben bereits innerlich gekündigt. Diese generieren für das Unternehmen eigentlich nur noch Kosten und bringen keinen Nutzen mehr. Wenn man von den 86 Prozent, die ihren Dienst nach Vorschrift machen oder schon innerlich gekündigt haben, einen Teil dazu bewegen könnte mit mehr Begeisterung für das Unternehmen zu arbeiten, dann würde das in unserer Wirtschaft eine Menge ausmachen.

UD: Gibt es bei Unternehmen mit vielen hochmotivierten Mitarbeitern eindeutige Gemeinsamkeiten bezüglich des Führungsstils?

Eichler: Die Motivation der Mitarbeiter richtet sich immer danach, wie hoch das in die Führung gesetzte Vertrauen ist und wie viel Verantwortung und Freiheit die Führungskräfte ihren Mitarbeitern einräumen. Steven Covey, ein Management-Experte aus Amerika und Autor verschiedener Bücher zum Thema Vertrauenskultur, beschreibt Unternehmen mit einer guten Kultur als solche, bei denen auch insgesamt ein sehr starkes Vertrauen herrscht. Denn Vertrauen und Freiheit motivieren Mitarbeiter. Umgekehrt sieht man bei Unternehmen mit einer starken Kontroll-Kultur - das sind typischerweise eher börsennotierte Gesellschaften - dass die Mitarbeiter dort nicht in dem Maße motiviert sind. Es geht nicht ohne Kontrolle - zu viel Kontrolle bei fehlendem Vertrauen mindert jedoch ganz klar die Motivation.

UD: Wie entstand die Idee, sich näher mit dem Thema Unternehmenskultur zu beschäftigen?

Eichler: Im Bereich der Wirtschaftsprüfung und Corporate Governance Beratung hat in den letzten Jahren das Thema Compliance Management stark an Bedeutung gewonnen. Unter anderem hat das Institut der Wirtschaftsprüfer einen Standard zur Prüfung von Compliance-Management-Systemen entwickelt (IDW PS 980). In diesem sind sieben Grundelemente definiert, die erfüllt werden müssen, damit ein Compliance-Management-System als wirksam bezeichnet werden kann. Dabei wurde festgestellt, dass die Unternehmenskultur das zentrale Grundelement ist und eine entscheidende Rolle spielt, wenn es um die Bereitschaft der Mitarbeiter geht, Regeln anzuerkennen und einzuhalten. Unternehmen mit einer guten Kultur haben weniger Probleme bei der Steuerung und Überwachung ihrer Management-Systeme. Und obwohl die meisten Unternehmen Elemente wie das Risikomanagement-System, das interne Kontroll-System oder das System der internen Revision regelmäßig überprüfen lassen, beschäftigt sich kein Unternehmen mit der Untersuchung, Überwachung und Steuerung der Unternehmenskultur. Bei den meisten gilt sie als Selbstläufer, die sich einfach entwickelt.

UD: Gibt es denn überhaupt Unternehmen, die ihre Unternehmenskultur bewusst gestalten?

Eichler: Ja, durchaus. Viele dieser Unternehmen sind schon sehr lange am Markt, gut aufgestellt und erfolgreich. Das sind überwiegend nicht-börsennotierte, gewachsene Familienunternehmen aus dem guten deutschen Mittelstand - die sogenannten „Hidden-“ oder „Big Champions“. Sie haben eine sehr gute Unternehmenskultur mit einer ausgeprägten Vertrauenskultur entwickelt und weisen zudem eine sehr gute Performance-Kultur auf. Das heißt, sie zeichnen sich durch hohe Qualitätsansprüche und eine starke Leistungsbereitschaft aus. Oft befinden sich diese Unternehmen unter den Weltmarktführern. Sie sind zwar gar nicht so bekannt, aber es gibt davon im deutschen Mittelstand eine ganze Menge. Dann gibt es eine Zwischenschicht, zu der auch einige börsennotierte Unternehmen gehören. Diese sind in ihrer Unternehmenskultur relativ gut aufgestellt. Sie haben zum Beispiel eine gute Human Resources-Abteilung, und es wird strategische Personalentwicklung betrieben. Bei einer großen Anzahl von Unternehmen hat sich die Kultur aber in Eigendynamik entwickelt. Hier werden vielleicht punktuell Maßnahmen ergriffen, wenn zum Beispiel die Öffentlichkeit es fordert oder Vorfälle wie Korruption Schaden angerichtet haben. Diese Unternehmen versuchen, mit entsprechender Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit etwas aufzubauen, um das schlechte Bild zu verbessern. Hier stellt sich immer die Frage, wie ernst das Engagement gemeint ist. Oft trennt sich da die Spreu vom Weizen.

UD: Welche Aspekte gehören zu den Grundvoraussetzungen, um eine Analyse und Neugestaltung der kulturellen Ausrichtung eines Unternehmens durchzuführen?

Eichler: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. In den Gesprächen zur Vorbereitung von Kultur-Audits bringe ich immer zum Ausdruck, dass man zu Beginn dessen, was man tut, das Ende im Blick haben sollte. Bei einem Kultur-Audit müssen sich die Verantwortlichen bewusst sein, dass das Ergebnis nicht durchweg positiv ausfallen wird und möglicherweise gewisse Stakeholder nicht zufrieden sind. Sie müssen schon im Vorfeld bereit sein, sich mit entsprechenden Themen zu beschäftigen und im Nachgang zu der Analyse Veränderungen in die Wege zu leiten. Eine zentrale Voraussetzung für Kulturveränderung ist die Bereitschaft der Führungskräfte zur Selbstreflexion und zur Veränderung sowie der Wille zur Selbsterkenntnis. Sie müssen in der Lage sein, Menschen in ihren Bedürfnissen und der Art und Weise, wie sie fühlen und denken, zu akzeptieren. Dies müssen sie den eigenen Motiven gegenüberstellen, um daraus Erkenntnisse zu transformieren - zum Beispiel in Form von neuen Führungsprinzipien.

UD: Für den Kultur-Kompass haben Sie einen Katalog von rund 300 Indikatoren entwickelt, anhand derer Sie die Unternehmenskultur prüfen. Wie haben Sie diesen Katalog entwickelt und wie ließ sich dabei festlegen, was im Sinne der Unternehmenskultur positiv ist oder nicht.

Eichler: Der Katalogentwicklung lag ein mehrschichtiges Vorgehen zu Grunde, an dessen Beginn die Frage stand, wie man Kultur überhaupt prüfen kann. Letztlich kann ich nur etwas prüfen, bei dem ich einem Soll-Zustand einen Ist-Zustand gegenüber stelle. In Bezug auf den Kultur-Kompass ist der Soll-Zustand der jeweilige Indikator für gute Unternehmenskultur. Die Merkmale, welche eine gute Unternehmenskultur ausmachen, kann ich nur von Unternehmen erheben, die an dieser Stelle bereits tatsächlich erfolgreich sind. Bei der Entwicklung des Indikatorenkatalogs für gute Unternehmenskultur habe ich als Benchmark unter anderem einige der Hidden- und Big Champions identifiziert. Ich habe Recherchen angestellt, Gespräche geführt und natürlich eigene Erfahrungen aus mehr als 20 Jahren Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung und Beratung einfließen lassen. Als gut bezeichne ich in diesem Zusammenhang das, was seinen Zweck erfüllt. Um eine ganzheitliche Sichtweise zu erhalten, habe ich die Indikatoren in vier Kategorien eingeteilt und im Detail festgelegt, was die Kultur prägt und was umgesetzt werden muss, damit sie von so vielen Stakeholdern wie möglich als gut wahrgenommen wird. Entscheidend ist hierbei die Erfüllung der Stakeholderbedürfnisse. So spiegeln die Indikatoren viele Details wieder, die vorhanden sein müssen, damit diese Bedürfnisse erfüllt werden. Anhand der individuellen Bewertung dieser Indikatoren kann dann festgestellt werden, ob das Unternehmen über gute kulturelle Grundvoraussetzungen verfügt oder ob etwas getan werden muss.

Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: UD
 

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