Klimawandel

Wissenschaftsakademien fordern klimafreundliche EU-Energieversorgung

Eine klimaneutrale EU bis 2050 – diese Vision zeichnet die EU-Kommission in ihrer Langfriststrategie. Die neue Governance-Verordnung soll helfen, die EU-Klima- und Energiepolitik zusammenzuführen. Werden durch sie die EU-weiten Klimaziele erreicht?

24.01.2019

Wissenschaftsakademien fordern klimafreundliche EU-Energieversorgung

Das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) stellt fest: Die EU-Verordnung ist ein wichtiger Schritt, ebnet aber noch nicht den Weg zu einer klimafreundlichen europäischen Energieversorgung. In der vor kurzem veröffentlichten Stellungnahme schlägt ESYS flankierend finanzielle Anreize für mehr Klimaschutz, Sanktionsmöglichkeiten bei ungenügenden nationalen Klimazielen sowie Vorreiterallianzen engagierter Staaten vor.

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In gut 30 Jahren soll die Europäische Union treibhausgasneutral und die Nettoemissionen auf Null gesenkt werden. Mit diesem erklärten Ziel beanspruchte die Europäische Kommission auf der UN-Klimakonferenz eine Führungsrolle der EU im Klimaschutz. Inwiefern kann die im Dezember 2018 vom EU-Rat gebilligte „Verordnung über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz“ dazu beitragen? Sie sieht vor, dass alle Mitgliedstaaten Ziele, Strategien und Maßnahmen zur Emissionsminderung in integrierten nationalen Energie- und Klimaplänen (iNEK-Plänen) darlegen. Sind die Pläne oder deren Umsetzung unzureichend, kann die EU-Kommission Nachbesserungen empfehlen – sie kann diese aber nicht rechtsverbindlich durchsetzen.

Den Fachleuten des ESYS-Projekts, einer Initiative von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, geht das nicht weit genug. Ihrer Einschätzung zufolge werden die Pläne erst dann verbindlich befolgt, wenn sie auch in nationales Recht überführt werden. „Deutschland sollte seinen Energie- und Klimaplan zum Kerninstrument des angekündigten Bundesklimaschutzgesetzes machen. Außerdem sollte die Bundesregierung die nationale Strategie zum Kohleausstieg, die derzeit von der sogenannten Kohlekommission erarbeitet wird, in den Plan integrieren“, erklärt Sabine Schlacke. Die Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ist Co-Leiterin der Arbeitsgruppe, die die Stellungnahme „Governance für die Europäische Energieunion“ verfasst hat.

Kohleausstieg und CO2-Bepreisung durch Vorreiterallianzen vorantreiben

In ihrer Stellungnahme empfehlen die Wissenschaftsakademien, den deutschen Ausstieg aus der Kohleverstromung eng mit den Nachbarstaaten abzustimmen. Würde sich Deutschland mit klimapolitisch engagierten Ländern verbünden, könnte die Kohleverstromung besser koordiniert und kostengünstiger beendet werden.

Solche Vorreiterallianzen eignen sich ebenfalls, um länderübergreifende Mindestpreise für CO₂-Emissionen einzuführen. Ein ausreichend hoher und in allen Sektoren geltender CO₂-Preis würde finanzielle Anreize für emissionsarme Technologien setzen und wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem treibhausgasneutralen Europa. Bisher scheitert er jedoch an fehlenden politischen Mehrheiten. Christoph Böhringer, Professor für Wirtschaftspolitik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Co-Leiter der ESYS-Arbeitsgruppe, weiß, wie ein einheitlicher CO2-Preis zumindest in Vorreiterallianzen umgesetzt werden könnte: „Aufbauend auf dem aktuellen Zertifikatepreis im Europäischen Emissionshandel könnte eine gleitende CO₂-Steuer eingeführt werden, die eine Zusatzzahlung des Emittenten für jede ausgestoßene Tonne CO₂ bedingt. Dadurch wird der gewünschte Mindestpreis pro emittierter Tonne Kohlendioxid fällig.“ Auch in den Sektoren außerhalb des Emissionshandels könnten die Länder einer solchen Allianz die vereinbarten CO₂-Preise in Form von Steuern oder Abgaben auf Primärenergieträger etablieren.

Verstöße sanktionieren, wegweisende Klimaziele finanzieren

EU-Staaten, die keine oder unzureichende iNEK-Pläne aufstellen, sollten sanktioniert werden können. Dazu empfiehlt die Arbeitsgruppe eine kluge Verknüpfung von Energie- und Strukturpolitik in der EU. Michèle Knodt, Direktorin des Jean Monnet Centre of Excellence „EU in Global Dialogue“ (CEDI) an der Technischen Universität Darmstadt und Co-Leiterin der ESYS-Arbeitsgruppe, nennt verschiedene Optionen. „In der europäischen Haushalts- und Wirtschaftspolitik gibt es die Verknüpfung von Zielerfüllung und Erhalt von Fördermitteln bereits im Rahmen des Europäischen Semesters. Die Europäische Kommission sollte dieses Modell für die Energiepolitik nutzen. Mitgliedstaaten könnten bei Zielverfehlungen finanzielle Förderungen aus den Europäischen Strukturfonds gekürzt oder verweigert werden.“ Zusätzliche finanzielle Anreize wiederum könnten die Mitgliedstaaten motivieren, wirksame Klimaschutzinstrumente festzulegen. Die Strukturfonds sollten daher verstärkt Fördermittel etwa für Energieeffizienzmaßnahmen bereitstellen und finanzielle Unterstützung für vom Strukturwandel besonders betroffene Regionen bereitstellen, beispielsweise für Braunkohlereviere.

Umweltverbände sollten auf nationaler Ebene Klagerechte erhalten. Auf diese Weise könnten sie gegen fehlende oder zu wenig ambitionierte Energie- und Klimapläne vorgehen. Darüber hinaus sollten Öffentlichkeit, Länder und Kommunen verstärkt und frühzeitig in die Erstellung der iNEK-Pläne eingebunden werden. Dazu braucht es EU-weite Leitlinien für Verfahren zur Einbindung der Öffentlichkeit, um gleiche Beteiligungschancen zu gewährleisten.

Die Stellungnahme ist hier abrufbar.

Quelle: UD/fo
 

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