Klimawandel

Gute COP, böse COP

Die Madrider Klimakonferenz endet im Desaster, das als windelweicher Kompromiss daherkommt. Bei aller berechtigten und jetzt wieder beliebten Politikerschelte: Das Problem wird in Zukunft nicht verschwinden, denn wir drücken uns um einige grundlegende Zielkonflikte.

16.12.2019

Gute COP, böse COP

Die Worte der Leiterin der Klimakonferenz, Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt, waren fast flehend, in jedem Fall verzweifelt: „Wir sind in der Verlängerung. Wir müssen der Außenwelt zeigen, dass wir liefern, dass Multilateralismus funktioniert.“ Eine Koalition aus USA, Australien, Brasilien, Japan und anderen hat die Konferenz fast gesprengt. Dass die EU, Deutschland und anderen selbsterklärten „Klimavorreitern“ nicht aggressiv dagegenhielten, frustrierte wiederum Umwelt-Aktivisten. 

Tatsächlich fragten sich immer mehr Beobachter: Funktioniert Multilateralismus noch? In vielen Politikfeldern haben wir uns ja bereits daran gewöhnt, dass „gemeinsam“ aus dem politischen Wortschatz gestrichen ist: Bei Handelsfragen etwa, bei Sicherheitsfragen zunehmend. Aber Umwelt und Nachhaltigkeit? Das war und ist die letzte Bastion des Multilateralismus. Sowohl die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) als auch das Pariser Klimaabkommen wurden 2015 ohne echten Streit durchgewunken und mit dem Stempel „globaler Konsens“ versehen. Jetzt zeigt sich: So einfach ist es dann doch nicht. 

Immer stärker finden Aktivitäten und Maßnahmen der (jungen) Demonstranten, einzelner Regierungen, der NGOs und zukunftsorientierten Unternehmen außerhalb des UN-Rahmens statt. Angeheizt wird das sogar noch von der UN selbst: Deren Generalsekretär António Guterres nannte die COP 25 in bester Aktivisten-Sprache gar eine „Klima-Notstands-Konferenz“. Wer aber den Notstand ausruft, wer wie Ex-US-Vizepräsident John Kerry gar schon vom World War Zero schwadroniert, der weckt Erwartungen, die innerhalb des UN-Rahmens niemals erfüllt werden können. Die Weltgemeinschaft ist immer eine Konsensgemeinschaft. Insofern wird nicht nur von Seiten der Blockierer-Staaten am Stuhl des Multilaterialismus gesägt, sondern genauso von all jenen, denen das alles nicht schnell genug geht.

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Die Vereinten Nationen, ihr Generalsekretär António Guterres und seine Berater wären daher gut beraten, sich nicht als bloßes Echo der Klima-Aktivisten zu präsentieren, sondern Lösungen für die tieferliegenden Grundkonflikte zu suchen. Werden die nicht gelöst, werden nämlich auch die COP 26,27,28, 29 etc. scheitern. Was sind diese Grundkonflikte? Under anderem:

1. Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen politischen Zielen und rechtsverbindlichen Zielen. Die Agenda 2030 und das Pariser Abkommen wurden von vielen Ländern deshalb mit leichter Feder unterschrieben, weil sie es als politisches Ziel, also als Empfehlung, begriffen haben. Politik und soziales Miteinander funktionieren nicht wie Mathematik. Angelegt ist das Klimaabkommen aber als juristisch einklagbarerer Vertrag, der dies mit wissenschaftlichen Argumenten begründet. Dass die Unterschrift unter den Verträgen auf zwei Arten gelesen werden kann, dämmert immer mehr Staaten und der Widerstand wird deshalb eher wachsen – um da mal eine Vorschau für Glasgow zu wagen. Die beiden, jedes für sich richtigen, Positionen von politischen Zielen („Hört auf die Bevölkerung“) vs. rechtsverbindlichen Zielen („Hört auf die Wissenschaften“) stehen sich unversöhnlich gegenüber. Jeder pocht auf bedingungslose Kapitulation des anderen. 

2. Der Widerstand Brasiliens beruht nicht nur auf der Tatsache, dass sie einen Idioten zum Präsidenten haben, sondern auf einer grundsätzlichen Frage: Wem gehört eigentlich der Regenwald? Dem jeweiligen Land, wo der Wald nun mal steht, oder ist das ein globales Interesse, also ein globales Allgemeingut? Das ist eine fundamentale Eigentums- und Souveränitätsfrage. Können wir Brasilien vorschreiben, was es zu tun und vor allem zu lassen hat? Wie setzen wir das durch? Und übertragen wir das dann auf andere Länder? Machen wir danach die Chinesen lang, weil sie die Uiguren unterdrücken? Gibt es einen direkten Zugriff von Außen auf den deutschen Bundeshaushalt, weil der bekanntlich zu wenig gegen den Außenhandelsüberschuss tut? 

3. Wir müssen alle lernen, die Narration solcher Konferenz zu entschleunigen. Das wird uns präsentiert wie ein Sportwettbewerb: Noch mehr, noch schneller, noch ambitionierter. Viele, die sich sonst über dieses Wachstumsparadigma verächtlich die Nase rümpfen, leben genau diese Logik auf Klimakonferenzen. „Auch der Ruf nach mehr Ehrgeiz beim Einsparen von Treibhausgasen fiel in der Abschlusserklärung nicht so deutlich aus, wie Klimaschützer und auch viele der Staaten am Verhandlungstisch sich das gewünscht hätten“, schreibt zum Beispiel die WELT. Keiner schaut dagegen auf die relevanten und interessanten Konferenztrends: Zum Beispiel auf die vielen bilateralen Gespräche, wie die jeweiligen Staaten ihre Klimaschutzpolitik verbessern können. Dieser Austausch über neue umwelt- und klimafreundliche Industrietechnologien und Politikansätze wird mehr und mehr zum Kern der Konferenz. Extrem wichtig, aber für eine hippe Social-Media-Kampagne, die nächste Demo oder Zeitungs-Headline ziemlich unsexy.

Ausgewählte Stimmen zur Madrider Klimakonferenz

Luisa Neubauer, Fridays for Future:
„Wir haben ein Jahr lang alles gegeben, um den Stand der Wissenschaft und die Bereitschaft der Menschen auf die Straße zu tragen. Es stellt sich die ernsthafte Frage, was wir denn noch machen sollen.“

NAJU-Klimaexperte Jan Göldner:
„Immer wieder durften wir uns in den vergangenen Tagen anhören, dass insbesondere der Protest und das Engagement der Jugendlichen weltweit dazu beigetragen haben, dass nun auf allen Ebenen für ambitionierteren Klimaschutz gekämpft wird. Doch davon haben wir während der Verhandlungen wenig gesehen. Das Ergebnis der Klimakonferenz zeigt, dass unsere inhaltlichen Forderungen noch immer nicht gehört und erst recht nicht umgesetzt werden.“

Christoph Bals, Germanwatch:
„Diese Weltklimakonferenz zeigt die Stärke und Schwäche des Pariser Abkommens: Alle Länder sehen, dass der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas nun in eine ernsthafte Phase kommt. Deshalb organisieren einige Staaten, die eng mit der Kohle- und Öl-Lobby verbandelt sind - wie die USA, Brasilien und Australien - eine letzte Abwehrschlacht.“

Mohamed Adow, Power Shift Africa:
„Wenn es je einen Moment in der Geschichte gab, wo die Regierungen verkackt haben, würde ich sagen: Hier in Madrid haben die Regierungen verkackt.“

BUND-Chef Olaf Bandt:
„Staaten wie Australien, Brasilien oder China nehmen hier allen emotionalen Appellen zum Trotz Länder als Geisel, denen das Wasser wortwörtlich bis zum Hals steht.“

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter:
„Gerade weil die Ergebnisse des Klimagipfels enttäuschend sind, muss Deutschland jetzt erst recht eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen.“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze:
„Wir Europäer sind die erste große Volkswirtschaft, die ihre Klimaschutzzusage im nächsten Jahr deutlich anheben wird. Dafür gab es in Madrid viel Anerkennung, gerade von den kleinen Inselstaaten. Diese Zusage verbinden wir mit der Erwartung an andere große Volkswirtschaften, nächstes Jahr ebenfalls neue Zusagen vorzulegen.“

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:
„Auch wenn am Ende ein Minimalkonsens erreicht wurde: Unter diesen Umständen könnte er kaum schwächer sein. Und das, obwohl die Folgen des begonnen Klimawandels weltweit spürbar sind und Millionen Menschen mehr Klimaschutz einfordern.“

Quelle: UmweltDialog
 

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