Soziales Engagement

„Der Einsatz für Kinderrechte ist gelebte Unternehmensverantwortung“

Das Hamburger Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmen Tchibo macht sich im zentralamerikanischen Guatemala für mehr Kinderbildung stark. Der Konzern baut dazu gemeinsam mit der Kinderrechtsorganisation Save the Children eine Reihe von Tagesstätten auf, in denen die Kinder von Kaffeepflückern während der Erntezeit altersgerecht pädagogisch betreut werden. Seit Ende April spendet Tchibo dafür zehn Cent von jeder verkauften Packung „Privat Kaffee“. Welche Chancen, Schwierigkeiten und Hoffnungen mit dem Projekt verbunden sind, erklären Achim Lohrie, Direktor Unternehmensverantwortung Tchibo, und Kathrin Wieland, Geschäftsführerin Save the Children Deutschland, im Interview.

12.06.2013

Im Interview erläutert Achim Lohrie, Direktor Unternehmensverantwortung Tchibo, welche Ziele und Hoffnungen mit dem Guatemala-Projekt verbunden sind: Foto: Tchibo
Im Interview erläutert Achim Lohrie, Direktor Unternehmensverantwortung Tchibo, welche Ziele und Hoffnungen mit dem Guatemala-Projekt verbunden sind: Foto: Tchibo

UmweltDialog: Herr Lohrie, können Sie zunächst bitte kurz erklären, was Tchibo in Guatemala macht und warum Ihre Wahl auf dieses Land fiel?

Achim Lohrie: Guatemala ist eine der wichtigsten Anbauregionen für unseren Rohkaffee, auch für unsere „Privat Kaffees“. Die Bohnen reifen übers Jahr und werden in der Zeit von November bis Ende Februar geerntet. Dafür holen sich die Kaffeefarmer jede Saison Unterstützung von Erntehelfern, die ihre Kinder tagsüber oft mit auf die Felder nehmen, wo sie dann mitarbeiten. Das ist für die Kinder gefährlich und mündet rasch in verbotener Kinderarbeit. Und dagegen wollen wir etwas tun. Für uns ist dieser Einsatz für Kinderrechte gelebte Unternehmensverantwortung und ein weiterer Schritt auf unserem Weg zu einer 100% nachhaltigen Geschäftstätigkeit.

UD: Was machen Sie konkret in Guatemala?

Achim Lohrie: Wir richten in der Region Chiquimula Betreuungsangebote für die zwei- bis 13-jährigen Kinder der Erntehelfer ein, die es so bisher nicht gibt. Ihre Eltern können sie ab der kommenden Erntesaison tagsüber in einem von sechs sogenannten „Child Care Centern“ betreuen lassen und müssen sie nicht mehr mit zur Arbeit nehmen. Die Mitarbeiter von Save the Children kümmern sich in dieser Zeit um die Kinder und unterstützen sie beim Lernen, kochen ihnen jeden Tag zwei ausgewogene Mahlzeiten und betreuen sie medizinisch. Um die Betreuung auch außerhalb der Erntesaison anbieten zu können, kooperieren wir zusätzlich mit 18 Schulen in der Region. Wir hoffen, dass wir so in den kommenden beiden Jahren 500 Kinder erreichen.

UD: Was sagen die Eltern dazu?  Sind die nicht auf die Hilfe ihrer Kinder bei der Ernte angewiesen?

Achim Lohrie: Der Grund, warum die Eltern ihre Kinder mit auf die Felder nehmen, ist, dass es keine öffentliche oder private Betreuung für sie gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kinder während der Pflücksaison Schulferien haben. Sie blieben auf sich gestellt, nähmen die Eltern sie nicht mit. Es gibt also eine Betreuungslücke, die die Eltern gerne geschlossen sähen. Das bestätigen uns auch die Erntehelfer, deren Kinder bereits an einem Pilotprojekt von uns in einer anderen Region des Landes teilnehmen konnten - und das sehr gut angenommen wurde.

UD: Frau Wieland, was verspricht sich Save the Children von dem Projekt?

Kathrin Wieland: Wir wissen aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass Bildung den Weg aus der Armut ebnet. Das gilt selbstverständlich auch in Guatemala. Dort herrscht zwar Schulpflicht und der Schulbesuch ist kostenlos. Von der indigenen Bevölkerung, den Mayas, kommen trotzdem nur wenige Kinder in den Genuss einer abgeschlossenen Schulausbildung. Von den indigenen Mädchen schließen zum Beispiel nur vier Prozent die Grundschule ab. Das rächt sich später, etwa in Form niedriger Einkommen und geringerer Zukunftschancen. Deswegen müssen wir die Mädchen - ebenso wie die Jungen - in die Schule bekommen und dort auch halten. Mit Tchibo haben wir einen engagierten Partner dafür gefunden.

Kathrin Wieland, Geschäftsführerin Save the Children Deutschland, setzt sich gegen Kinderarbeit auf Farmen ein, Foto: Tchibo
Kathrin Wieland, Geschäftsführerin Save the Children Deutschland, setzt sich gegen Kinderarbeit auf Farmen ein, Foto: Tchibo

UD: Wie bringt sich Ihre Organisation in das Projekt ein?

Kathrin Wieland:
Wir bringen unsere mehr als 30-jährige Erfahrung vor Ort mit, unser Wissen, wie man Bildung in einem schwierigen Umfeld voranbringt und Kinderrechte durchsetzt. In der Region, in der wir unser Projekt umsetzen, haben die meisten Kinder zum Beispiel Eltern, die weder Lesen noch Schreiben noch Spanisch können. Kommen sie in die Schule, können sie dem Unterricht nicht folgen, weil sie nur ihren Indio-Dialekt sprechen. Sie sind von Anfang an benachteiligt.

UD: Die Folge ist, dass sie nicht mitkommen und die Lust verlieren?

Kathrin Wieland: Genau. Und diese Gemengelage versuchen wir aufzubrechen: Mit indigenen Mitarbeitern, die die Sprache der Erntehelferkinder sprechen und ihnen in den „Child Care Centern“ beim Lernen unter die Arme greifen. Wir führen auch Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer durch und entwickeln zweisprachige Unterrichtsmaterialien, zusammen mit dem Bildungsministerium und einer Universität vor Ort. Außerdem wenden wir uns direkt an die Eltern und versuchen deren Bewusstsein für den Wert von Bildung zu schärfen.  

UD: Können Sie schon erste Veränderungen, Erfolge verzeichnen?

Kathrin Wieland: Offiziell beginnt das Projekt mit der Kaffeeernte im November. Uns ist es aber schon gelungen, staatliche Stellen und die Kaffeekooperativen mit in die weitere Umsetzung einzubeziehen. Um unser Vorhaben auf langfristig tragfähige Beine zu stellen, brauchen wir alle Partner: die Gemeindeältesten, staatliche Stellen, die Schulen, die Kaffeekooperativen und vor allem die Eltern. Deren Interesse, ihre Kinder in dem Projekt unterzubringen, ist übrigen immens, wie unsere Kollegen vor Ort berichten.

UD: Herr Lohrie, was sagen die Tchibo-Kunden zu diesem Projekt?

Achim Lohrie: Die ersten Rückmeldungen sind sehr positiv. Unsere Kunden wissen um das Thema Kinderarbeit und schauen mit viel Neugier auf unser Vorhaben, auch mit viel Sympathie, weil wir uns trauen, ein heikles Thema anzugehen. Bemerkenswert ist zudem die Unterstützung durch unsere Mitarbeiter in Deutschland. Die Kolleginnen und Kollegen machen sich auch in schwierigen Themen auf unserem Weg zu einem 100 % nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen stark. Und auch von unseren Wettbewerbern bekommen wir viel Zuspruch. Das alles macht mich zuversichtlich, dass wir überzeugte Nachahmer finden. Denn die brauchen wir, wollen wir mehr Nachhaltigkeit im Kaffeesektor.

UD: Nach zwei Jahren läuft ihr Projekt aus. Soll es dann weitergehen?

Kathrin Wieland: Wir hoffen das und werden uns nach Projektabschluss die Erfolge genau anschauen und überlegen, wie wir sie langfristig sichern können. Denkbar wäre etwa die Übernahme des Projektes durch die Kaffeekooperativen. Die könnten davon doppelt profitieren: Sie könnten nicht nur glaubhaft gegen Kinderarbeit auf ihren Farmen vorgehen. Sie würden so gleichzeitig attraktiver für Tchibo und andere Unternehmen, die immer mehr Wert auf nachhaltig angebauten Kaffee legen.

Quelle: UD
 

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