Politik

Der Preis des Naturschutzes

Was bringt Naturschutz ökonomisch? Und wie teuer ist es, auf Naturschutz zu verzichten? Sechs Jahre nach Start des Projektes und verschiedenen Fachberichten von über 300 Expertinnen und Experten hat "Naturkapital Deutschland - TEEB DE“ seinen Endbericht vorgelegt.

20.11.2018

Der Preis des Naturschutzes

Der Ökonom Dr. Burkhard Schweppe-Kraft (BfN), Mitglied der Projektkoordinierungsgruppe, erzählt im Interview, wer mit ökonomischen Argumenten überzeugt werden soll, bei welchen politischen Entscheidungen die Berichte von TEEB Deutschland helfen können und wo die Grenzen liegen.

Intakte Ökosysteme haben für Deutschland einen großen ökonomischen Wert, ihre Beeinträchtigung verursacht enorme volkswirtschaftliche Kosten. Das sind die Kernaussagen des Abschlussberichts von „Naturkapital Deutschland - TEEB DE“, der deutschen Nachfolgestudie der internationalen TEEB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity), die den Zusammenhang zwischen den Leistungen der Natur, der Wertschöpfung der Wirtschaft und dem menschlichen Wohlergehen aufzeigen soll. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und vom Bundesamt für Naturschutz, die Studienleitung lag am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ.

Aus der Zusammenarbeit von mehr als 300 Autoren sowie über 150 Gutachtern aus Wissenschaft, Verbänden und Politik sind seit 2012 fünf Fachberichte und Broschüren entstanden, etwa für den urbanen Raum, für ländliche Räume und zu den Zusammenhängen von Naturschutz und Klimaschutz. Der Endbericht wurde im September vorgestellt und spannt anhand ausgesuchter Beispiele aus den verschiedenen Berichten einen ökonomischen Argumentationsrahmen für Naturschutz in Deutschland auf. Ein Beispiel für die ökonomische Bedeutung des Naturerhalts: Produkte im Wert von 1,1 Milliarden Euro hängen in Deutschland von der Bestäubungsleistung durch Insekten – und damit von der Erhaltung ihrer Lebensräume –ab. „Die ökonomische Perspektive soll die Potenziale und Leistungen der Natur sichtbarer machen, damit sie besser in Entscheidungsprozesse einbezogen werden können“, heißt es im Vorwort des Berichtes. Doch um wessen Entscheidungen geht es dabei und wie gut funktioniert das?

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Breite Zielgruppe

„Eine klar abgrenzbare Zielgruppe für die Naturkapital-Berichte gibt es eigentlich nicht“, sagt Dr. Burkhard Schweppe-Kraft im NeFo-Interview. Er ist Ökonom am Bundesamt für Naturschutz, Mitautor der Berichte und Mitglied der Koordinierungsgruppe von Naturkapital Deutschland – TEEB.DE. „Wir wollen zum einen Unternehmer erreichen, die sich generell in einer stark ökonomisch geprägten Welt bewegen, oder Akteure in der Klimapolitik, die weitere kostengünstige CO2-Einsparmöglichkeiten suchen, aber auch Bürger, die tagtäglich über knappe Güter entscheiden.“

Die in den Berichten zusammengetragenen ökonomischen Naturschutzargumente sollen aber auch dazu beitragen, dass der Wert der Natur und ihrer Leistungen für die Gesellschaft nicht nur im Umweltressort sondern in allen Politikbereichen berücksichtigt wird; sei es in der Landwirtschaft, in Verkehr und Infrastruktur, aber auch im Finanz- und Gesundheitswesen. „Ich denke, es fällt anderen Ressorts deutlich schwerer, Ökosystemleistungen außeracht zu lassen, wenn wissenschaftlich fundierte Studien gezeigt haben, dass diese wesentlich zum Gemeinwohl beitragen“, meint Schweppe-Kraft.

Dass die Argumente aus den Berichten bereits in der Politik aufgegriffen werden, lasse sich beispielsweise im Bereich der Städteplanung erkennen. Hier kam der Naturkapital Stadtbericht gerade zur rechten Zeit. „Das Ökosystemleistungskonzept war in der Diskussion über die Förderung von Stadtgrün präsent und trug zu Konzepten wie dem Weißbuch ‚Grüne Stadt‘ bei“, erzählt Schweppe-Kraft. Ähnlich verhalte es sich bei der naturnahen Umgestaltung von Bundeswasserstraßen, wo im Rahmen des „Bundesprogramms Blaues Band Deutschland“ Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium zusammenarbeiten.

Betriebswirtschaftliche Argumente für die Landwirtschaft

Schwieriger wird es im Sektor Landwirtschaft, der allerdings den größten Einfluss auf die Artenvielfalt in Deutschland haben dürfte. So hat das Bundesumweltministerium jüngst einen Entwurf für einen Aktionsplan Insektenschutz vorgelegt, der jedoch noch vom Bundeskabinett angenommen werden muss. Unter anderem geht es hier um größeren Strukturreichtum in der Agrarlandschaft, um Lebensraum, Nahrung und Nistplätze für Tiere zu schaffen. Betriebswirtschaftliche Argumente, um Agrarpolitik und Landwirtschaftsverbände zu überzeugen, wären hier wichtig. Leider gibt es hierzu aber kaum Untersuchungen. Es gäbe inzwischen zwar eine Reihe von ökonomischen Studien zur Bedeutung kohlenstoffreicher Böden für den Klimaschutz, die bräuchte es aber dringend auch zu anderen Ökosystemleistungen, etwa in Verbindung mit Kleinstrukturen und Insektenschutz, meint Schweppe-Kraft. Daran solle auch das Bundeslandwirtschaftsministerium Interesse haben. „So etwas kann nicht allein vom Umweltministerium finanziert werden.“

Eines der Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie lautet, bis 2020 Ökosystemleistungen zu erfassen, zu quantifizieren und auch in die volkswirtschaftlichen Rechnungssysteme zu integrieren. Da gäbe es noch einiges zu tun, so Schweppe-Kraft. Die ersten Berichte dazu werden EU und Mitgliedsstaaten voraussichtlich 2020 vorlegen.

Der Naturkapital-Endbericht liefert exemplarisch ökonomische Argumente für den Naturschutz in verschiedenen Ökosystemtypen und zeigt, wo bereits Methoden, Studien und Daten für eine ökonomische Bewertung bestehen. Was die Inhalte der Naturkapital-Deutschland-Berichte allerdings nicht leisten können, ist, als Leitfaden für konkrete Politikentscheidungen auf lokaler Ebene zu fungieren. „Sollte ich das Baugebiet wirklich ausweisen und wenn ja, wo? Das sind die Entscheidungen, die letztendlich zu den Veränderungen von Ökosystemen und deren Leistungen führen“, meint Schweppe-Kraft. Solche Werkzeuge seien dringend nötig, allerdings schwer zu erstellen. Dafür bedürfe es unter anderem noch weiterer Methodenentwicklung.

Quelle: UD/fo
 

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