Politik

"Privatsphäre darf kein Luxusgut sein"

Das Institut für Digitale Ethik (IDE) an der Hochschule der Medien (HdM) hat ein Zehn-Punkte-Positionspapier zu den Themen Big Data, Privatsphäre und Privatheitskompetenz veröffentlicht. Darin wird die Gesellschaft aufgefordert, sensibler mit persönlichen Daten umzugehen.

04.03.2015

"Privatsphäre darf kein Luxusgut sein" zoom

Am IDE setzen sich die Forscher mit medienethischen Aspekten auseinander. Dazu gehören Fragen, wie sich Menschen in einer zunehmend mediatisierten Gesellschaft verhalten sollen, und wie weit die Überwachung durch den Staat oder Internetanbieter reichen darf. Petra Grimm, Expertin für Privatheit in den Medien, der Medienjurist und Datenschutzexperte Tobias Keber und der Medienforscher Oliver Zöllner sind die Leiter des Instituts.

Sie haben mit der Unterstützung eines wissenschaftlichen Beirats ein Zehn-Punkte-Positionspapier zum Thema Privatsphäre entwickelt, das sich vor allem an Entscheider in der Politik und in Bildungsinstitutionen richtet. Welche Bedeutung die Auseinandersetzung damit für den Einzelnen und die Gesellschaft hat, verrät Zöllner: "Mediale Berichterstattung wie auch empirische Forschung zur Internetnutzung haben in den letzten Jahren deutlich vor Augen geführt, dass viele Internetnutzer sehr freizügig, oft sogar fahrlässig, mit ihren persönlichen Daten umgehen, etwa wenn sie in sozialen Netzwerken posten."

„Privatsheitskompetenz stärken"

Die aktuelle Diskussion über die Online-Videoplattform "YouNow" zeigt, wie offen Jugendliche mit ihrer Privatsphäre im Internet umgehen. "Der Einblick in das private Zimmer gehört bei YouNow dazu", erzählte Grimm kürzlich in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten und warnt, dass Jugendliche auch in anderen sozialen Onlinemedien nicht das Gefühl haben, etwas falsch zu machen, wenn sie intime Details preisgeben. Daher lautet eine Forderung des Positionspapiers, dass "in einer zunehmend vom elektronischen Datenaustausch geprägten Mediengesellschaft der kompetente Umgang mit persönlichen Informationen zunehmend essenziell wird."

Doch nicht nur für Jugendliche gilt es, diese Kompetenz zu erlangen: "Die wenigsten Menschen sind sich der zunehmenden Protokollierung ihres Alltags überhaupt bewusst. Mit dem sogenannten 'Internet der Dinge', bei dem in Zukunft auch Informationen wie Stromverbrauchsdaten mit dem Internet verknüpft sein können, bekommt der Aspekt Privatheit eine neue Dimension", so Zöllner.

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Private Daten als Zahlungsmittel

Die Verfasser des Positionspapiers sehen im Umgang mit privaten Daten derzeit eine zweigeteilte Gesellschaft. "Privatheit und Datenschutz dürfen kein Luxusgut sein", findet Zöllner. Wer Dienstleistungen wie Apps in Anspruch nimmt, und wenige Daten dafür preisgeben möchte, muss häufig in die Tasche greifen. Kostenlose Dienstleistungen verlangen für die Nutzung oft die Herausgabe von wertvollen, persönlichen Daten. "Dies ist letzten Endes ein Geschäftsmodell, das in Ordnung ist, solange der Kunde über die Verwendung seiner Daten umfassend und verständlich aufgeklärt wird. Dies geschieht aber oft nicht", kritisiert Zöllner.

Die Politik kann hier kaum eingreifen, solange keine eklatanten Rechtsverstöße bekannt werden. Dazu verläuft die Entwicklung des Internets in viel schnelleren Innovationszyklen als die der Gesetzgebungsverfahren des politischen Systems. Zöllner ist sich aber sicher, dass Privatsphäre keine reine Angelegenheit des Einzelnen ist, sondern die ganze Gesellschaft betrifft. "Die Gesellschaft muss entscheiden, wie frei sie sein möchte", so Zöllner.

Solange die im Zusammenhang mit der Sammlung und Überwachung von Daten häufig geäußerte Haltung "Ich habe ja nichts zu verbergen" in den Köpfen verankert sei, werde der Druck für diejenigen größer, die nicht so freizügig mit ihren Daten umgehen. "Denn dadurch macht sich jeder verdächtig, der nicht permanent all seine Daten transparent macht, weil er oder sie ja scheinbar etwas zu verbergen hat", schlussfolgert Zöllner.

Privatheit ist eine politische Angelegenheit

Daraus leitet er ab, dass eine solche Gesellschaft schnell in eine "Tyrannei der Transparenz" abgleiten kann. "Dies zu verhindern ist nicht die Aufgabe eines Einzelnen, sondern eine gesellschaftliche, politische Angelegenheit - und eine ethische Debatte", stellt Zöllner klar.

Quelle: UD/fo
 

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