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Nachhaltigkeits-Controlling passiert nicht über Nacht

Ausgangspunkt für den Erfolg der Nachhaltigkeit ist die Implementierung in die Unternehmensstrategie. Eine Strategie ändert man allerdings nicht über Nacht. Wer die einzelnen Bausteine im Unternehmen und im Controlling verankern möchte, muss wissen, dass es sich um einen mehrstufigen Prozess handelt, der eine klare Zielrichtung, Geduld und Einsatz voraussetzt. Der Nürtinger Wirtschaftsprofessor Ulrich Sailer gibt wichtige Tipps im UmweltDialog-Interview.

11.05.2016

Hallo Herr Sailer, Sie schreiben in Ihrem neuen Buch „Nachhaltigkeitscontrolling“ darüber, was Controller und Manager über die Steuerung von Nachhaltigkeit wissen sollten. Was ist das genau? Sie fordern von Managern Tugenden ein. Welche sind das?

Ulrich Sailer: Tugenden wurden in der Vergangenheit viele eingefordert. Und die meisten Akteure im Unternehmen sehen auch ein, dass eine Ausrichtung an der Nachhaltigkeit grundsätzlich sinnvoll und notwendig ist. Aber es passiert eben zu wenig. Der ökologische Fußabdruck liegt weltweit um 50 Prozent über der Kapazität – und in den letzten Jahren ist das Missverhältnis, trotz aller Appelle, Gesetze und Standards, gestiegen. Noch mehr Appelle und das Einfordern von Tugenden wird wohl nicht die Wende bringen. Ich glaube, wir haben vor allem ein Umsetzungs- und weniger ein Erkenntnisproblem.

Ich möchte in meinem Buch einen bewusst unspektakulären Weg aufzeigen, wie Manager und Controller die Nachhaltigkeit auf bewährten Wegen umsetzen können: von der Vision über das strategische hin zum operativen Management. Wenn nicht nur die Gesellschafter, sondern alle Stakeholder ihre Erwartungen an das Unternehmen formulieren, dann sind eben auch auf diesem Wege die Ziele der Stakeholder umzusetzen. Hierfür muss man Methoden und Tools anpassen, erweitern oder teils auch ersetzen. Wie dies funktioniert, sollten Controller und Manager wissen. Das Buch „Nachhaltigkeitscontrolling“ soll den Controllern und Managern hierbei helfen.

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Unterscheidet sich denn Controlling bei Nachhaltigkeit von anderen Unternehmensbereichen? Normative Erwartungen an richtiges Handeln sind doch immer gleich?

Sailer: Nein, das Controlling unterscheidet sich hinsichtlich dieser normativen Erwartung nicht. Diese wird von den Stakeholdern gebildet und gilt für das gesamte Unternehmen. Das Controlling ist aber zentral dafür verantwortlich, dass diese normativen Erwartungen auch erfüllt werden. Erwartet man vom Unternehmen eine Gewinnmaximierung, werden das Steuerungssystem, die Pläne und Maßnahmen konsequent an diesem Ziel ausgerichtet. Hierfür nutzt das Controlling seine klassischen Methoden und Instrumente. Erwartet man vom Unternehmen nun aber eine Steigerung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Erfolge, muss das Controlling sein Steuerungssystem, seine Methoden und Instrumente an der Erreichung dieser Ziele ausrichten. Es mutet schon merkwürdig an, wenn ein Controller sich nur auf die ökonomischen Ziele zurückzieht, weil ihm bei den anderen Zielen die Instrumente und vor allem die Erfahrung fehlt. Was soll denn das Management seinen Stakeholdern berichten? Eines eurer Ziele haben wir professionell gesteuert, die zwei anderen aber nicht, weil das uns schwer fällt?

Nachhaltigkeitscontrolling

Sie beschreiben sehr kenntnisreich die vielen Standards im Nachhaltigkeitsbereich. Dabei fällt die enorme Themenvielfalt auf. Kann man sagen, dass Unternehmen künftig immer mehr nicht-finanzielle Kriterien berücksichtigen müssen?

Sailer: Der weltweit führende Berichtsstandard GRI hat in seiner neuesten Version G4 davon Abstand genommen, von den Unternehmen eine vollständige Information über alle möglichen Kriterien einzufordern. Jetzt geht es um die Wesentlichkeit. Jedes Unternehmen soll herausarbeiten, welche ökonomischen, ökologischen uns sozialen Kriterien am wichtigsten sind. Diese Wesentlichkeit definiert nicht das Management alleine, sondern dies entsteht aus einem möglichst jährlichen Abgleich zwischen der Bewertung des Managements und der Stakeholder. Somit ist ein regelmäßiger Stakeholder-Dialog notwendig. Diese wesentlichen Kriterien müssen die zentralen Inhalte der Steuerung sein, also im strategischen und operativen Controlling verankert werden. Somit kann über diese Kriterien auch kontinuierlich berichtet werden.

Ist das ein unumkehrbarer Trend? Und wie sehr betrifft das neben den globale Playern auch den heimischen Mittelstand?

Sailer: Solange mehr Ressourcen genutzt werden, als neue nachwachsen, und mehr Emissionen getätigt werden, als vom Ökosystem aufgenommen werden, ist die Nachhaltigkeit ein für die Menschheit existenzielles Thema. Dies ist kein Trend, sondern die Voraussetzung für eine lebenswerte Zukunft nachfolgender Generationen. Bei einer weiterhin wachsenden Weltbevölkerung bleibt dies – leider – eine enorme Herausforderung, bei der wir noch ganz am Anfang stehen.

Über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind dem Mittelstand zuzurechnen. Ohne den Mittelstand ist eine nachhaltige Entwicklung undenkbar. Ich kenne aber weit mehr Mittelständler, die jetzt schon verantwortlich nachhaltig handeln als große Konzerne. Die Konzerne haben es schwer, weil der Druck vom Kapitalmarkt eine Umsetzung der Nachhaltigkeit behindert. Der Mittelstand hat einen potenziell großen Vorteil in der Umsetzung der Nachhaltigkeit. Der Wert des Eigentümers überträgt sich direkt auf das Unternehmen. Man ist zumeist langfristig ausgerichtet und lebt seine Werte vor. Nicht das nächste Quartalsergebnis ist entscheidend, sondern dass auch die Enkel noch vom Unternehmen profitieren.

Nachhaltigkeitssysteme können für sich betrachtet sehr gut aussehen, wie beispielsweise das vielfach ausgezeichnete von Volkswagen, und trotzdem stimmt es im Unternehmen nicht. Welche Punkte muss ein Unternehmen sicherstellen, um die einzelnen Controlling-Abteilungen zu verzahnen?

Sailer: Um ein Unternehmen zum Erfolg zu führen, braucht man Systeme und Kultur. Das Controlling ist vor allem für die Systeme verantwortlich: dies sind insbesondere Steuerungs-, Planungs-, Informations- und Berichtssysteme. In einem dynamischen Umfeld soll und kann nicht alles verbindlich geplant und gesteuert werden. Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit schafft man vor allem durch Freiräume. Und hierfür sind Werte notwendig, damit Mitarbeiter eine Orientierung haben, wie man in diesem Freiraum eine Entscheidung treffen soll. Wenn die Kultur durch radikalen Erfolgsdruck und durch Ängste geprägt ist, kann die Struktur diesen Makel nicht dauerhaft auffangen. Hier kommt es irgendwann zum großen Knall wie Volkswagen, aber auch viele andere Beispiele, gezeigt haben. Daher benötigt eine erfolgreiche Umsetzung der Nachhaltigkeit Controller, die Systemexperten und Manager als Kulturexperten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ulrich Sailer
Nachhaltigkeitscontrolling
Was Controller und Manager über die Steuerung der Nachhaltigkeit wissen sollten
Konstanz 2016: UVK Verlag, 280 S.
ISBN 978-3-7398-0063-9
€ 19,9,-

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Quelle: UmweltDialog
 

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