Politik

Netzwerk zum Sprachenlernen für Flüchtlinge

Rund eine Millionen Asylsuchende sind nach aktuellen Zahlen im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen. Dass sie Deutsch lernen, gilt als Voraussetzung, um sich erfolgreich in die Gesellschaft zu integrieren. Oft bleiben die Asylbewerber und Einwanderer jedoch außerhalb der Unterrichtsstunden unter sich und haben wenig Gelegenheit und Anreiz, das Gelernte anzuwenden. Das wollen nun zwei Informatik-Studenten der Universität des Saarlandes ändern. Zusammen mit dem Verein „Wir helfen jetzt“ bieten sie deutschen Muttersprachlern und Ausländern ein soziales Netzwerk zum gemeinsamen, kostenlosen Sprachenlernen an.

25.01.2016

Netzwerk zum Sprachenlernen für Flüchtlinge zoom

Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge können Asylbewerber und andere Personen mit Bleibeperspektive Integrationskurse besuchen. Diese bestehen aus einem Sprach- und Orientierungskurs, in privaten und öffentlichen Sprachschulen, gehalten von speziellen Lehrkräften. Jedoch bleiben die Asylsuchenden beim Lernen und beim Üben meist unter sich und haben wenig Kontakt zu deutschen Muttersprachlern.

„Genau hier setzen wir an“, sagt Patrick Carroll, der gerade den Masterstudiengang „Language Science and Technology“ an der Universität des Saarlandes abschließt. Zusammen mit Christian Faber, Informatik-Student an der Saar-Uni, hat er die Online-Plattform „SpeaQwith.me for Refugees“ realisiert. Mit dieser adaptieren sie die bekannte Sprachlernmethode „Tandem“ – zwei Personen mit unterschiedlicher Muttersprache bringen sich gegenseitig die jeweilig fremde Sprache bei – für das Online-Lernen und die Belange von Asylsuchenden und Einwanderern. Diese und deutsche Muttersprachler können sich auf der Online-Plattform anmelden und per Textnachrichten in Echtzeit (Chat) oder über Videokonferenz miteinander reden.

Sprachliche und kulturelle Kompetenz

„So steht nicht nur das Erlernen der deutschen Sprache im Vordergrund“, sagt Christian Faber, „sondern auch der kulturelle Aspekt“. Damit strebe „SpeaQwith.me for Refugees“ die gleichen Ziele wie die Integrationskurse der Bundesregierung an, allerdings sei der Zugang einfacher und das Betreuungsverhältnis besser, so Faber.

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Hürden für Ehrenamt senken

Um sicherzustellen, dass auch jeder Teilnehmer seinen virtuellen Tandempartner findet, kann man auf der Plattform seine Interessen angeben. Ähnlich wie bei Partnerbörsen bringt die Plattform dann gezielt Muttersprachler und Sprachschüler mit den gleichen Vorlieben zusammen. Dieses „Matching“ wird auf die Personen angewandt, die gerade online sind. Spontane Hilfe ist so möglich. „Wir versuchen damit, die Hürde für ein Ehrenamt zu senken. Wenn ich abends eine Stunde Zeit habe, dann helfe ich eben mal, indem ich online als Konversationspartner oder gar Sprachlehrer auftrete“, erklärt Faber.

Nach einer Chat-Session oder einem Videogespräch kann jeder Teilnehmer das Gespräch bewerten und auch Beleidigungen und „unangemessene Darstellungen“ melden. „So etwas gehört zum Standard bei Videochats seit den negativen Erfahrungen etwa bei der 2009 ins Leben gerufenen Seite Chatroulette“, berichtet Faber.

Die Idee zum Projekt

Die Idee zu der Plattform stammt von Patrick Carroll, der als eingewanderter US-Amerikaner die Lernproblematik am eigenen Leib spürte. „Damals habe ich mich aufgrund der klassenzimmer-ähnlichen Paukerei nach einer lockeren, natürlichen Konversation geradezu gesehnt“, so Carroll. Auf dem „Startup Weekend“, das der Saarbrücker IT-Inkubator im Mai 2015 federführend organisierte, hatte er deswegen seine Idee vorgestellt und Christan Faber als Mitstreiter gewonnen. Nach dem Wochenende standen nicht nur ein erster Prototyp und ein grober Geschäftsplan fest, sondern es gab auch lobende Rückmeldungen von den Juroren.

Dadurch bestärkt haben die beiden Informatik-Studenten sich auch für das von der Bundesregierung finanzierte Gründerstipendium „Exist“ beworben. „Eigentlich wollten wir dafür bis kommenden August ganz entspannt den Prototyp entwickeln, aber dann wurde die Flüchtlingskrise offenbar“, erklärt Carroll.

An der Gründung werden die beiden Informatik-Studenten der Saar-Uni festhalten. Allerdings werde man dazu den derzeitigen Prototypen erheblich weiterentwickeln. So soll nicht nur das Matching zwischen den Gesprächspartnern mit Hilfe von Ansätzen aus der Künstlichen Intelligenz wesentlich verbessert werden, sondern auch ein intelligentes Tutorensystem die Gesprächsqualität verbessern. Das Geschäftsmodell für die künftige Version der Plattform existiert schon: Als Lernender muss man nichts bezahlen, solange man dafür im Austausch selber in die Lehrer-Rolle schlüpft und sich sogenannte Credits erarbeitet. „Wer jedoch dazu keine Zeit oder keine Lust hat, kann sich die Credits und andere Features einfach kaufen“, so Carroll.

Technischer Hintergrund zu „SpeaQwith.me for Refugees“

SpeaQwith.me ist als eine „reponsive Web-App“ konzipiert. Sie ist daher auf allen Geräten (PC, Smartphone, Laptop, Tablet-Rechner) unabhängig vom Betriebssystem verfügbar. Für den Video-Chat verwendet es „Web-RTC“. Dies ist ein neuartiger Webstandard zur Kommunikation in Echtzeit. Er erlaubt es, den Video-Chat im Browser zwischen den einzelnen Gesprächspartnern herzustellen. Auf diese Weise wird auch die Privatsphäre der einzelnen Personen geschützt. Um den Gesprächsfluss zu unterstützen, verwendet SpeaQwith.me ein automatisches Tutorensystem, das Themen vorschlägt und eine Übersetzungshilfe anbietet.

Quelle: UD/fo
 

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