Energiewende

Geschäftsmodell Energiewende

Derzeit dominiert in der Diskussion um die Energiewende die Kostenfrage. Diese Sichtweise greift nach Überzeugung der Experten vom Fraunhofer- Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel jedoch zu kurz. In ihrer jetzt veröffentlichten Studie „Geschäftsmodell Energiewende“ zeigen die Wissenschaftler, dass Investitionen in die Energiewende durchaus rentabel sind und wie sie bis 2050 finanziert werden könnten.

28.01.2014

Investitionen in die Energiewende sind durchaus rentabel. Foto: Börse Stuttgart
Investitionen in die Energiewende sind durchaus rentabel. Foto: Börse Stuttgart
„Unsere umfangreichen Berechnungen belegen, dass die Energiewende auch unter sehr konservativen Annahmen, insbesondere für institutionelle Anleger ein hochattraktives Geschäft ist“, erklärt IWES-Institutsleiter Prof. Clemens Hoffmann. Selbst ehrgeizige Ziele wie die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien sind nach seiner Überzeugung wirtschaftlich darstellbar. „Das Kostenargument ist also für klimapolitische Entscheidungen nicht mehr zielführend.“

Fossile Energien kosten Deutschland 83 Milliarden Euro im Jahr

Grundidee ist es, den kapitalkostenintensiven Investitionen in die notwendigen neuen Technologien die Einsparungen gegenüber zu stellen, die durch den Rückbau der Betriebskostenintensiven Technologien im Bereich der fossilen Brennstoffe erzielt werden. Denn damit sind sinkende Ausgaben für Primärenergie und deren Importe verbunden. Die Experten gehen davon aus, dass die Investitionen in die Infrastruktur der erneuerbaren Energien so gesteuert werden können, dass die Kosten für die fossile Primärenergie von derzeit 83 Milliarden Euro pro Jahr über einen Zeitraum von 40 Jahren praktisch auf Null abgesenkt werden können. Nach ihren Berechnungen wird auf diesem Weg in 15-20 Jahren der Punkt erreicht, an dem die Ausbaukosten für die erneuerbaren Energien und die Beschaffungskosten für die fossile Energie zusammen genommen die heutigen Primärenergiekosten unterschreiten.

Break-Even für erneuerbare Energien in 15-20 Jahren


„Nach Erreichung dieses Break-Even werden die Energiekosten kontinuierlich absinken und in rund 30 Jahren, wenn der Ausbau erneuerbarer Energien weitgehend beendet ist, sind Investitionen hauptsächlich für den Erhalt der neu aufgebauten Infrastruktur (Repowering) notwendig. Diese fallen damit pro Jahr deutlich geringer aus als während der Transformationsphase“, prognostiziert der Leiter der Studie, Norman Gerhardt. Rund 300-380 Milliarden Euro müssten nach seinen Angaben bis zum Break-Even vorfinanziert und in den folgenden Jahrzehnten getilgt werden. Selbst bei einem gleichbleibenden Preisniveau für fossile Energieträger rechnen die IWES-Experten bis 2050 mit einer inflationsbereinigten Verzinsung der Darlehen von 2,3 Prozent. Dieser Betrag könne sogar vier bis sieben Prozent betragen, wenn die Preise für Öl und Erdgas steigen. Dabei sind die Kosten für Treibhausgasmissionen noch nicht berücksichtigt.

Energiewende bietet attraktive Kapitalanlagen

„Eine Anlage, deren Rendite von der Leistungsfähigkeit der deutschen Industriegesellschaft abgesichert wird, gehört für potenzielle Kapitalgeber zu den attraktivsten Anlagen überhaupt“, sagt IWES-Chef Hoffmann. Attraktivität bedeutet Langzeitstabilität, Risikominimalität und hohe Renditeerwartung. Die Langzeitstabilität begründet sich darin, dass alle neuen Infrastrukturen Hochtechnologien sind. Die damit verbundene wirtschaftliche Kraft hängt ab von Standortfaktoren der industriellen Organisation, Rechtssicherheit und Qualität des Bildungswesens. Die Anlage ist unabhängig von schwer beeinflussbaren Veränderungen im Markt der fossilen Energieträger und damit risikoarm. Die Renditeerwartung knüpft sich zudem an ein globales Marktwachstum, in dem Deutschland derzeit eine Führungsposition behaupten kann. Ausgangspunkt der Studie ist ein Vollversorgungsszenario für Strom, Wärme und Verkehr für das Jahr 2050.

Um dieses Szenario umsetzen und die prognostizierten wirtschaftlichen Vorteile erschließen zu können, müssen nach Überzeugung der IWES-Wissenschaftler alle Energiesektoren in den Blick genommen werden: „Im Moment fokussiert sich die Kosten-Nutzen-Diskussion zu stark auf den Stromsektor“, erklärt Gerhardt. Hier seien wegen des nach wie vor hohen Einsatzes von Braunkohle und Kernenergie durch den Ausbau erneuerbarer Energien aber kaum Kosteneinsparungen möglich. Nach Ansicht des Experten ist es für die Gegenfinanzierung jetzt wichtig, neue Anwendungen für erneuerbaren Strom in den Sektoren Wärme und Verkehr sowie die Energieeffizienz intensiv voranzutreiben. Zum einen müssten die Potenziale in der Elektromobilität sowohl im Personenverkehr, als auch im Schwerlastverkehr, wie z.B. durch Oberleitungs-LKWs ausgeschöpft werden.

„Die Energiewende ist ein industriell-politisches Großprojekt, das ein modernes Management erfordert“, betont  Hoffmann. Um grobe Fehlinvestitionen zu vermeiden hält der IWES-Institutsleiter einen Masterplan für unerlässlich, der verbindliche Ziele benennt, auf Basis der Energiebilanzen die benötigte Infrastruktur festlegt und eine Finanzierungsstrategie festschreibt. Dass die Finanzierungsfrage prinzipiell lösbar sei, belege die vorliegende Studie. Zudem sei das für die Energiewende nötige Kapital durchaus vorhanden, so Hoffmann.

Energiewende als große, globale Geschäftschance


Gefragt sind nach Überzeugung der Fraunhofer-Wissenschaftler nun der Gesetzgeber, die Regulierungsbehörden und die Finanzwirtschaft, um die für eine regenerative Vollversorgung notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Der erste wichtige Schritt sei die politische Implementierung des Finanzierungsplans. Die Energiewende sei eine große, globale Geschäftschance und ein erfolgreiches deutsches Energiewende-Projekt könne dem Kampf gegen den Klimawandel weltweit entscheidenden Aufwind verleihen, betont Hoffmann abschließend. Hierbei bringe das Fraunhofer IWES als unabhängiges Forschungsinstitut seine Expertise gerne ein.
Quelle: UD / fo
 
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