Business Case

Einzelhandel: Das große Kartenmischen hat begonnen

Klagen ist der Gruß der Kaufleute, lautet eine alte hanseatische Redensart. Besonders lautstark hadert der Einzelhandel. Dabei belegen Statistiken: Nirgendswo sonst wird so viel Geld verdient wie mit dem Einzelhandel. Profiteure sind allerdings nur eine kleine Handvoll großer Konzerne. Doch jetzt drohen die Silicon Valley-Giganten die Karten neu zu mischen.

08.02.2018

Einzelhandel: Das große Kartenmischen hat begonnen zoom

Der US-Konzern Walmart ist mit fast 490 Millarden Dollar Umsatz das weltweit größte Einzelhandelsunternehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Deloitte-Studie. Auf den Plätzen folgen zwei weitere US-amerikanische Händler: Costco und The Kroger. Immerhin zwei deutsche Unternehmen schaffen es unter die Top Ten: Auf Platz vier die Schwarz-Unternehmenstreuhand KG (Lidl), auf Platz acht ALDI.

Insgesamt erzielten die Top 250 Einzelhändler im Geschäftsjahr 2015 (bis einschließlich Juni 2016) weltweit 4,31 Billionen Dollar Umsatz. Dies entspricht einem Gesamtumsatz-Anstieg um 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der durchschnittliche Umsatz der Top-250-Unternehmen betrug knapp 17,2 Milliarden Dollar. Drei Händler erreichten die 100 Milliarden US-Dollar-Marke.

So viel Geld weckt Begehrlichkeiten: Zum einen attackieren sich die Konzerne immer aggressiver auf den Heimatmärkten der Konkurrenz. Zum anderen treten mit Google und Amazon zwei mächtige neue Akteure auf, die das Zeug haben, den Lebensmitteleinzelhandel, wie wir ihn bisher kennen, grundlegend aufzumischen. Das sind einige aktuelle Pläne und Allianzen:

Amazon kann jetzt auch analog

Amazon ist der größte Online-Händler der Welt. Aber das größte Stück im großen Kuchen des Einzelhandels macht das Geschäft mit Lebensmitteln aus. Logisch, dass Amazon-Chef Jeff Bezos irgendwann auch danach greifen würde. Nun ist es soweit: Amazon kaufte jetzt für 13,7 Milliarden Dollar die Bio-Lebensmittelkette Whole Foods. Die Aktien der Konkurrenten gingen daraufhin auf Talfahrt.

Amazon unterstreicht mit der Übernahme seine Ambitionen im Lebensmittelhandel. Zugleich zeigt es, dass tradierte Online-Händler die Scheu vor kostenintensiven Läden und deren Logistik abgelegt haben. Online beliefert der Konzern in den USA bereits seit neun Jahren
mit „Amazon Fresh" seine Kunden mit Lebensmittel Auch in Deutschland ist dies seit Kurzem in Berlin und Potsdam möglich. Neben dem Food-Bereich soll in Deutschland das Drogerie-Geschäft dazukommen: Gerade erst gaben Amazon und die Drogeriekette Rossmann ihre Zusammenarbeit bekannt.

Walmart verkauft über „Google Express“

Auch Marktführer Walmart schaut bei den Entwicklungen nicht zu, sondern will seine Führung aggressiv verteidigen. Helfen soll dabei Google: Seit Ende September lassen sich über den Sprachassistenten „Google Home“ Walmart-Produkte bestellen. Diese „Elefantenhochzeit“
bietet beiden Unternehmen Vorteile: Durch die Verknüpfung der Online-Konten beider Unternehmen lassen sich detaillierte Informationen über das Kaufverhalten der Kunden ableiten. Walmart will zudem Konkurrenten wie Amazon in Schach halten. Google hofft darauf, seine Shopping-Dienste wie „Google Express“ endlich mit Produkten befüllen zu können. Daran hapert es nämlich bisher.

ALDI hat große Pläne in Amerika

ALDI ist bereits seit einigen Jahren in den USA aktiv, doch jetzt wird ordentlich aufgerüstet, um der drittgrößte Lebensmittelkonzern der USA zu werden. Bis 2022 sollen 900 neue Filialen auf dann 2.500 eröffnet werden. Der deutsche Discounter will auch beim boomenden Online-Lebensmittelgeschäft mitmischen. Dazu hat man jetzt eine Kooperation mit dem Start-up Instacart vereinbart. Zunächst startet es als Pilotprojekt in den Städten Atlanta, Dallas und
Los Angeles: Bei Erfolg ist eine Ausdehnung rund um das ALDI-Filialnetz leicht möglich. ALDI und Instacart versprechen Lieferzeiten von nur einer Stunde.

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Edeka besorgt’s dir

„Wir besorgen’s ganz Berlin“ – mit diesem sicher noch verbesserungswürdigen Werbespruch ist Edeka-Tochter Bringmeister ins Lebensmittel-Online-Geschäft gestartet. Wichtig ist den Machern dabei die Betonung auf „ganz Berlin“. Im Gegensatz zu Amazon Fresh. Damit bringt sich Edeka in Berlin und München gegen den Konkurrenten aus Seattle in Stellung. Sicher kein Zufall, denn beide Städte hat auch Amazon für seine Lebensmittel-Offensive ausgewählt. Helfen soll Edeka dabei der Lieferdienst Bringmeister, ein Erbstück aus der Konkursmasse von Kaiser’s Tengelmann. Geliefert werden die Waren binnen zwei Stunden zwischen sechs und 24 Uhr. Bedingung ist ein Mindestbestellwert von 35 Euro zzgl. Liefergebühr zwischen zwei und sechs Euro. Edeka tut sich mit dem Einstieg ins Online-Geschäft schwer, denn im Netzwerk der 4.000 selbstständigen Edeka-Kaufleute gibt es zähe Verteilungsdebatten. Konkurrent Rewe ist da übrigens schon viel weiter: Rewe Online liefert in 75 Städten und macht bereits 100 Millionen Euro Umsatz.

Billig-Konkurrenz aus Holland

In jüngster Zeit ist im Einzelhandel der Trend zu beobachten, die Filialen aufzuhübschen und edler zu gestalten. Die Idee dahinter: Hochwertigere Lokale können eher höhere Preise aufrufen. Dadurch entsteht im unteren Preissegment – also bei den Billigdiscountern – ein Vakuum. Darauf hat es die holländische Billigartikelkette „Action“ abgesehen: Seit 1993 setzt der Filialist aus dem  niederländischen Enkhuizen auf eine Mischung aus Tiefpreisen und Überraschungseffekten. Action verkauft vor allem Bekleidung, Deko-Artikel, Spielzeug und Heimwerkermaterial. Damit positioniert es sich vor allem gegen KIK und Ernstings Family, aber auch die Themenwochen von Tchibo, ALDI und Lidl. Um die Kunden neugierig zu halten, werden zwei Drittel des Sortiments ständig ausgetauscht. Das wiederum ist in allen 900 Läden in Europa identisch – das spart Einkaufskosten.

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UD Magazin Risiko
Quelle: UmweltDialog
 

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