Business Case

Was ist bloß bei Audi los?

Dieselskandal, Razzien zur Bilanzkonferenz, Kollaps im Chinahandel, schleppende Produktion – in Ingolstadt brennen derzeit nicht nur die Lichter. Was ist bloß los bei Volkswagens Premiummarke?

09.06.2017

Was ist bloß bei Audi los? zoom

„In Ingolstadt brennt es lichterloh“, sagt der Wirtschaftsjournalist Henning Peitsmeier. Und im Fokus der Kritik steht Audi-Vorstand Rupert Stadler. „Der Mann ist nicht mehr zu halten“, hieß es dazu über Pfingsten laut FAZ in Kreisen des Aufsichtsrates. Was ist passiert? Ganz klar: Im Vordergrund steht der Dieselskandal, bei dem Stadler immer unglücklicher reagiert. Doch das ist beileibe nicht das einzige Problem bei Audi. Zwar wird derzeit in Ingolstadt weiterhin mit den derzeitigen Modellen gutes Geld verdient, aber das gesteckte Ziel, bis 2020 am Markt Mercedes und BMW zu überholen ist nicht mehr realistisch, sagt der österreichische Autofachmann Gerhard Nöhrer: „Lag vor zwei Jahren die Rendite noch bei mehr als elf Prozent, brach sie im ersten Halbjahr auf 7,3 Prozent ein. Eine Entwicklung, die jetzt in Ingolstadt die Alarmglocken läuten lässt.“

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Neben dem Dieselskandal plagen Audi eine Reihe bedenklicher struktureller Probleme. An allererster Stelle steht dabei der Vorwurf, so Nöhrer weiter, dass die Ingolstädter beim Design den Mut verloren haben. Der Erfolg von Audi lag über lange Zeit in schnittigem Design und dem Anspruch auf „Vorsprung durch Technik“ begründet. Davon ist derzeit wenig zu spüren. „Die Trendsetter“, so Nöhrer, „sitzen in Kalifornien oder Asien.“ Die Versäumnisse in der Modellpolitik rächen sich vor allem sogenannten „Volumensegment“ wie dem A4, die das Brot-und-Butter-Geschäft ausmachen. In Neckarsulm wird dieser bald nur noch in einer Schicht gebaut. Zudem klagen viele Händler, dass sie sich mit den vielen Problemen im Kundengespräch alleine gelassen fühlen. 

Ein kapitaler Fehler unterläuft den Audi-Managern zudem in China: Dieser Markt ist kritisch, weil er für ein Drittel des Absatzes steht.Um den Absatz dort anzukurbeln, verpflichtet Audi neben seinem bisherigen Vertriebspartner einen zweiten. Rupert Stadler versprach in 2016: "Wir wollten Risiken und Lasten teilen." Doch die bisherigen Händler fürchten die Konkurrenz und verkaufen aus Protest kaum noch Fahrzeuge. Während andere Premiumhersteller wie Mercedes im Januar 40 Prozent mehr verkaufte PKW bejubelten, brachen Audis Verkaufszahlen um 35 Prozent ein. Und auch in den Folgemonaten sind es mehr als 20 Prozent Minus im Vergleich zum Vorjahr. Imerhin hat man in China mittlerweile eine Einigung mit den Händlern erzielt. "Bereits die letzten Mai-Tage haben gezeigt, dass wir eine zügige Erholung der Verkäufe in China sehen werden und rasch zu alter Marktposition zurückkehren," sagt Dietmar Voggenreiter, Vorstand für Vertrieb und Marketing der Audi AG.

Und dann natürlich der Abgasskandal…

Erst vor wenigen Tagen hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) einer verdutzten Öffentlichkeit erklärt, dass Audi-Modelle der Baureihen A8 und A7 eine illegale Software einsetzen. Dabei wird der Grad der Lenkradbewegung erkannt. Sobald dieses nämlich mehr als 15 Grad eingeschlagen wird, wie im realen Straßenverkehr üblich, schaltet die Software die Abgas-Reinigungssysteme aus. Der Ausstoß von giftigem Stickoxid steigt dramatisch. Bleibt im Fahrbetrieb das Lenkrad jedoch starr, „erkennt“ die Software dies als Abgastest und arbeitet vorbildlich. Unzulässig nennt Dobrindt diesen Trick.

Bei Audi sieht man das anfangs anders. Diese Funktion sei nicht „illegal“, da das Lenkrad zum Getriebebereich gehöre und folglich nicht im engeren Sinne zur zu Emissionskontrolle zähle und von der Gesetzgebung betroffen sei. Diese spitzfindige Sichtweise erstaunte außerhalb der Audi-Welt die meisten Beobachter. Nicht zuletzt, weil in den USA Audi wegen eben selbigen Lenkrad-Vorwurfs vor einem Jahr bereits aufgefallen war. Die Ingolstädter räumten daraufhin gegenüber den US-Behörden ein, eine verbotene Software benutzt zu haben und zahlten mehr als eine Milliarde Dollar Strafe.

Auch bei Audi schien man schnell erkannt zu haben, dass die juristisch-technischen Kapriolen den Firmenschaden nur noch potenzieren. Schon tags darauf ruderte man man kurios zurück: Die beanstandeten "Auffälligkeiten" an 24.000 Dieselfahrzeugen seien ein "technischer Fehler", nicht jedoch eine absichtliche Manipulation der Abgaswerte. Das sagte ein Sprecher des Unternehmens. Bei seinen Kunden entschuldigt sich der Konzern für die „Unannehmlichkeiten".

Während Kommunikationsexperten also versuchten, gesichtswahrend Ruhe in die Affäre zu bekommen, zündelte Audi-Vorstand Rupert Stadtler an anderer Ecke weiter: „Dass Herr Dobrindt allein vorprescht, hat mich persönlich sehr enttäuscht“, beklagte er zuerst in einem Interview mit der Branchenzeitung „Automobilwoche“. Intern legte Stadler dann sogar noch nach. Der Rechercheverbund von NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung“ berichtete über Pfingsten, dass Stadler in einer Videobotschaft an die Audi-Mitarbeiter den Abgasskandal gar als politischen Profilierungssucht abtat. "Die Politik stellt da manches anders dar. Vielleicht wirft der Wahlkampf schon seine ersten Schatten.“

Die Hoffnung ruht auf E-Mobilen

Um Audi wieder auf Kurs zu bringen, hat Vorstand Rupert Stadler eine massiven Sparkurs verordnet. So verschiebt man den Bau eines neuen Entwicklungszentrums und hat angekündigt, sich vom legendären Autorennen Le Mans zurückzuziehen, obwohl man dort Seriensieger ist.

Bei der Modellpolitik setzen auch die Ingolstädter jetzt auf umweltfreundliche E-Modelle: „Audi zieht vorerst einmal mit vier Stromern gegen Tesla & Co. zu Felde, 2018 soll ein großes SUV mit einer Reichweite von 600 Kilometern auf den Markt kommen“, sagt Gerhard Nöhrer.

Die Ingolstädter machten Ende Mai ihre neue Strategie für ein künftiges Händlernetz in China publik, in deren Zuge der Autobauer sein „Portfolio an lokal produzierten und importierten Modellen ausweiten“ will. Vorgesehen ist unter anderem eine stärkere Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern in der Elektromobilität und der „Aufbau von Schlüsseltechnologien im Joint-Venture“. Auch die Zusammenarbeit beim Werkzeugbau soll verstärkt werden, um, so Audi, „die Lokalisierung zu intensivieren“.

Quelle: UD
 
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