Unterwegs in den Textilfabriken Bangladeschs: Über Mindestlöhne und Erfolgserlebnisse

Tausende Textilfabrikarbeiter Bangladeschs führten in den vergangenen Tagen heftige Proteste. Sie fordern die Ausbezahlung des kürzlich eingeführten Mindestlohns von umgerechnet 34 Euro - doch viele Fabrikbesitzer weigern sich. Sie drücken ihre Kosten, aus Angst, Auftraggeber zu verlieren, wenn sie ihre Preise anheben. Hungerlöhne und fehlende Sicherheitsvorkehrungen sind die Konsequenz. Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Gruppe, spricht sich für Mindestlöhne aus. Das ZDF war mit ihm und Maren Böhm, die für Otto die Sozialstandards örtlicher Fabriken prüft, in Bangladesch. Die daraus entstandene Fernsehdokumentation zeigt verschiedene Ansichten zum Mindestlohn - und veranschaulicht, was die jahrelange Arbeit einer Sozialprüferin wie Maren Böhm bewirken kann.

21.12.2010

Foto: Otto Group
Foto: Otto Group
Michael Otto und Maren Böhm besuchen gemeinsam eine der Textilfabriken Bangladeschs, die auch für den Versandhändler Otto produzieren. Michael Otto kennt die schlechten Arbeitsbedingungen, unter denen zahlreiche Textilfabriken Bangladeschs ihre Arbeiter beschäftigen. In den von seinem Unternehmen beauftragten Fabriken will er eine faire Behandlung und Bezahlung der Arbeiter erreichen. Lange Zeit lag der gesetzliche Mindestlohn bei umgerechnet nur 18 Euro monatlich. Im November dieses Jahres wurde er auf 34 Euro angehoben. Michael Otto hatte sich für diese Anhebung ausgesprochen. Ob denn nicht durch eine Steigerung der Mindestlöhne die gesamte Kalkulation des Unternehmens durcheinander geraten würde, fragen ihn die Reporter des ZDFs. „Keineswegs“, zeigt sich Michael Otto überzeugt. Denn dann könnten auch die Wettbewerber in Bangladesch nicht günstiger einkaufen und für alle würden gleiche Bedingungen gelten.

Mindestlöhne sind ein „erster Schritt“

Für die Arbeiter der Textilfabriken sei die Anhebung der Mindestlöhne „ein erster Schritt, damit man vom Lohn leben kann“, sagt Michaela Königshofer von der Clean Clothes Campaign, einer Kampagne, die sich dafür einsetzt, das global agierende Textilhandelsunternehmen Verantwortung für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in weltweiten Zulieferbetrieben übernehmen. Nach Berechnungen von bangladeschischen NGOs benötigt eine Person alleine für die Ernährung monatlich umgerechnet 15-17 Euro. Bei einem Mindestlohn von 3.000 Taka (etwa 34 Euro) bleibt danach nicht mehr viel zum Leben übrig. Der bengalische Arbeitsminister Khandaker Mosharraf Hossain drohte mit Strafen für die Fabrikbesitzer, die sich nicht an den Mindestlohn halten würden. Die Drohung zeigte jedoch kaum Wirkung, wie die aktuellen Proteste der Arbeiter aus den Textilfabriken in Bangladesch zeigen. Denn mit der ersten Lohnauszahlung nach der Steigerung der Mindestlöhne hätten sie kürzlich alle mindestens 3.000 Taka bekommen müssen. Doch die meisten Unternehmen weigern sich und zahlen weniger. Der bengalische Gewerkschaftsführer Roy Ramech Chandra kennt die Gründe: „Wir stehen im globalen Wettbewerb. Wir müssen mit anderen Ländern konkurrieren. Vor allem mit den beiden riesigen Wirtschaftsmächten Indien und China.“

Ausbeutung oder Förderung?

Michael Otto. Foto: Gunter Gluecklich/Otto Group
Michael Otto. Foto: Gunter Gluecklich/Otto Group
Für Bangladesch ist die Textilindustrie der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes und sorgt für 80 Prozent der Export-Einnahmen. 3,5 Mio. Arbeiter sind in der Textilbranche beschäftigt, davon 85 Prozent Frauen. Nirgendwo sonst lässt sich Kleidung so günstig produzieren wie in Bangladesch. In der ZDF Dokumentation stellt sich der Aufsichtsratsvorsitzende der Otto Gruppe, Michael Otto, der Frage, ob er „ein Ausbeuter sei, wenn er in Bangladesch produziere“. „Das sehe ich vollkommen anders“, sagt er. Aus seiner Sicht könnten sich Länder wie Bangladesch ohne Aufträge aus Industrieländern gar nicht erst entwickeln. Durch diese Aufträge bekämen sie aber die Chance, internationalen Handel zu betreiben. „Das schafft Arbeitsplätze, so dass dann überhaupt ein Kampf gegen die Armut begonnen werden kann“, so Michael Otto.

Dem stimmt auch Kalpona Akhter zu. Sie ist Präsident des Bangladesh Center für Arbeitersolidarität und wurde gerade aus der U-Haft entlassen. Ihr wird vorgeworfen, Arbeiterunruhen angezettelt zu haben. Maren Böhm stattet ihr einen Besuch ab. Kalpona Akhter sieht aber auch Vorteile in der Globalisierung und den Aufträgen von Industrieländern: „Keine der Verbesserungen für unsere Arbeiter haben die Fabrikbesitzer von sich aus gemacht. Auch die Regierung kümmert sich nicht um die Durchsetzung der Arbeiterrechte. Die Veränderungen kommen nur durch internationalen Druck“, sagt Kalpona Akhter.

Erfolgserlebnis

Einen konkreten Beweis dafür liefert die Fabrik von M.A. Kamal. Sie produziert seit einigen Jahren für die Otto Gruppe und hat ihre Sozialstandards im Laufe der Zeit verbessert. Bei dem letzten Besuch von Maren Böhm gab es jedoch noch Probleme bei der Feuersicherheit. Die Prüferin will sich nun vergewissern, ob die beseitigt sind. Dazu prüft sie die Fluchtwege, denn die waren in der Vergangenheit nur unzureichend vorhanden. Das Fabrikgebäude ist stark verwinkelt, so dass zu den vorgeschriebenen zwei Notausgängen ein dritter erforderlich ist. Der wurde inzwischen eingerichtet, doch er hat nicht die vorgeschriebene Breite. Die Mitarbeiter müssen also eingehend darin geschult werden, wer im Notfall welchen Ausgang nehmen muss. Böhm will wissen ob das, was der Fabrikbesitzer erklärt, auch in der Praxis funktioniert und lässt einen spontanen Feueralarm auslösen. Die Evakuierung des Gebäudes läuft nach Plan: Die Mitarbeiter verteilen sich auf die drei Notausgänge und in kürzester Zeit ist das Gebäude geräumt. Für Maren Böhm ist das ein Ergebnis jahrelanger Arbeit, über das sie ihre Freude offen zeigt. „Das ist ein ganz tolles Erlebnis, das mich im Moment ein bisschen überwältigt. Wir arbeiten seit vielen Jahren daran, dass Problem der Feuersicherheit hier in Bangladesch in den Griff zu bekommen. Das hier ist ein Erfolgserlebnis und ich bin sehr froh.“
Quelle: UD
 
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